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Die gute alte Küche - in neuem Gewand _ Politik & Wirtschaft _ Von Eiern und Steinen

Geschrieben von: Gilgamesch.Minerva-ath am 30.Aug.2004 - 20:21

Der Stein ist immer nur einen Wurf entfernt...

Nachdem mit friedlichen Protestveranstaltungen zu Hartz IV anfangs keine Wirkung auf Politiker gemacht werden konnte und sich nun das erste Ei seinen Weg gebahnt hatte, frage ich mich inwieweit es innerhalb dieser Demokratie Möglichkeiten zu Ausübung demokratischer Rechte für Bürger außerhalb der Wahl (Kreuzchen machen, wieder nach Haue gehen) eigentlich noch gibt.
Eier und Steine fliegen meist auf „politisch“ Extremen Demonstrationen wie 1. Mai oder als kurzer Aufschrei in unterdrückenden Systemen- dies aber waren keine glatzköpfigen gestiefelten Kater oder alkoholisierte Hahnenkammträger, sondern Otto-Inge-Hans-Gerda-Müller-Meier-Schmidt- Demonstranten. Der Unmut und die Gefahr der potentiellen Aggressivität steigt.
Während in anderen demokratische Staaten oftmals von der Bevölkerung per Plebiszit noch in politische Entscheidungen richtweisend eingegriffen werden konnte, wie beim Nein zum Euro in Dänemark, sind in Deutschland die Hürden für einen Volksentscheid sehr hoch gesetzt. Auf der einen Seite mag dies richtig sein, um einen Regierungskurs entwickeln zu können und nicht ein Meinungs -und Stimmungswirrwarr in Reformen eingreifen zu lassen, wie in der Weimarer Republik als extremstes Beispiel. Auf der anderen Seite bleibt die Frage wie politisch kann der Bürger und wie demokratisch kann der Saat noch sein?

Liegt es an der politischen Geschichte Deutschlands, die wohl die ein trauriges Beispiel für extremsten und gefährlichsten Ausuferungen von Ideen und Konzepten bietet, dass man den Menschen, Bürgern (wie auch immer) politisch nicht mehr trauen will/ kann?

Wie sehr kann sich eine Demokratie vor diktatorischen Systemen/ Ansichten schützen und sichern, ohne dabei ihren demokratischen Charakter zu verlieren?

Geschrieben von: Kérridis am 30.Aug.2004 - 20:28

Übernimmst du die Verantwortung für diesen Thread? (d. h. die Beiträge z. Bsp. in Word abspeichern und dann im alten Forum reinsetzen) smile.gif Hört sich nach einer weiteren guten Diskussion an und wäre schade, wenns mit dem restlichen Küchenforum im Müll verschwindet, wenn wir wieder das alte Forum betreten. Ich kümmer mich in gleicher Weise z. B. um den ALG II Thread hier. smile.gif

Geschrieben von: regenbogen am 30.Aug.2004 - 20:32

kleiner Tipp dazu - probiert mal den "Thema drucken"-Button oben rechts, dann kriegt ihr eine speicherfreundlichere Ansicht smile.gif

Geschrieben von: Gilgamesch.Minerva-ath am 30.Aug.2004 - 20:40

Werde es abspeichern. Gebt nur Bescheid, wenn der Umzug stattfindet und das Küchenputzkommando einrückt.

Ergänzend zum Volksentscheid-
Plebiszite sind nicht im Grundgesetz verankert, die Diskussion diese einzuführen als Form einer direkten anstatt einer stellvertretenden Demokratie wird bereits seit (wie alle Diskussionen um Veränderung...) einigen Jahren geführt.

Geschrieben von: blue_moon am 31.Aug.2004 - 08:15

als einzige möglichkeit, sich zwischen den bundestagswahlen luft zu machen, sehen viele leute die landtags-, kommunal- oder europawahlen. eine umfrage im ruhrgebiet hat ergeben, dass für die anstehenden kommunalwahl-entscheidungen ca. zur hälfte wirklich kommunale gegebenheiten/themen/personen eine rolle spielen, der andere teil 'gehört' klar der bundespolitik. auch, wenn die wahlergebnisse keinen einfluss auf die bundespolitik haben (müssen), ist dies zumindest eine art, sich zu äussern.

tja, welche möglichkeiten gibt es noch, um grannys frage aufzugreifen:

demos schaffen ein solidaritätsgefühl, waren aber in der vergangenheit - zumindest im westen der republik - nur sehr eingeschränkt erfolgreich. dass die historischen montags-demos in der alten ddr was bewegt und bewirkt haben, ist dagegen unstrittig. aber damals war der gegner ein marodes system, das auch innerhalb seiner sphären nicht mehr die unterstützung vergangener tage hatte. als mittel, auf politik einfluss zu nehmen, sind demos zumindest den versuch wert.

organisationen wie attac oder greenpeace, im weiteren sinne z.b. auch amnesty oder terre des femmes, haben sich auf die fahne geschrieben, infos zu streuen und widerstand zu leisten. hier könnte frau sich selbst beteiligen (oder auch spenden). einen direkten einfluss auf die politik gibt's dafür nicht, wohl aber eine grösser werdende lobby, in zeiten, in denen lobby-einflüsse immer wichtiger werden.

die partei-arbeit als langer weg durch kreisverbände und sonstige institutionen ist eine alternative, für die der atem dann schon ziemlich lang sein muss. dieser weg kostet hartnäckigkeit und verlangt die fähigkeit, sich intrigen zu entziehen oder dabei selbst besser zu sein als andere. das ist sicher der anstrengendste weg, der allerdings auch die grössten chancen bietet, wirklich einfluss nehmen zu können. nicht unbedingt heute... und auch nicht wirklich morgen, aber vielleicht ja zur bundestagswahl 2010... rolleyes.gif


Geschrieben von: LadyGodiva am 31.Aug.2004 - 12:12

Nach meinem Dafürhalten müssten wir schon angesichts der Wahlbeteiligung in unserem grauen Ländchen eigentlich darüber abstimmen, ob wir wirklich noch die Demokratie, unseren Begriff von Demokratie weiterhin mit tragen wollen.

Geschrieben von: megan am 31.Aug.2004 - 16:53

findest du nicht, daß du da ein wenig übertreibst lady godiva ?

gruß megan

Geschrieben von: LadyGodiva am 31.Aug.2004 - 17:44

Ist eine Demokratie eigentlich noch demokratisch, wenn die Wahlbeteiligung unterhalb der grundrechtsentscheidenden 2/3Mehrheit liegt?! Oder ist Verzicht nicht auch eine Form der Abstimmung - wogegen auch immer...

Geschrieben von: Laura am 31.Aug.2004 - 17:47

QUOTE (megan @ 31.Aug.2004 - 17:53)
findest du nicht, daß du da ein wenig übertreibst lady godiva ?

gruß megan

Ohne zu wissen, wie L.G. zu dieser Auffassung kommt und was sie damit ausdrücken möchte, ist es schwierig, das zu beurteilen. Aber als 'ne userin, die unreflektiert zu Übertreibungen neigt, ist sie mir jedenfalls bislang noch nicht aufgefallen.

Unabhängig davon, auch mir gehen schon seit längerem, von Befürchtungen getragene Gedanken durch den Kopf, in welcher Form von Demokratie wir leben, wohin sie sich entwickeln mag und welche Möglichkeiten bestehen könnten, sich an wirklich wichtigen Entscheidungsprozessen weit besser beteiligen zu können als dies der Fall ist.

Zum Thema selber werd' ich bestimmt auch was sagen werden, aber dazu möchte ich erst einige Gedanken ordnen.

Geschrieben von: megan am 31.Aug.2004 - 18:27

eine vernünftige diskussion über das thema erscheint mir reizvoll, ich habe nur bedenken, wenn nicht aufgepasst wird, kanns zundern, daher werd ich auch noch ein weilchen runterkühlen und mich erst wenn ganz verkopft näher äußern
gruß megan


so, nu' aber wacko.gif

Geschrieben von: LadyGodiva am 31.Aug.2004 - 18:31

Es war mein Gedankeneinschub in Grau, 'mal wieder: vielleicht provokant, aber eben der Gedankenfetzen, der mir beim Durchlesen mal wieder durch den Kopf ging. Nicht weniger, aber sicherlich auch nicht mehr.

Geschrieben von: Artemis am 31.Aug.2004 - 18:44

QUOTE (LadyGodiva @ 31.Aug.2004 - 18:31)
Es war mein Gedankeneinschub in Grau, 'mal wieder: vielleicht provokant, aber eben der Gedankenfetzen, der mir beim Durchlesen mal wieder durch den Kopf ging. Nicht weniger, aber sicherlich auch nicht mehr.

Ich fand ihn sehr bedenkenswert, deinen Gedanken in Grau.


Geschrieben von: LadyGodiva am 31.Aug.2004 - 18:52

OK, ich hol' mal lieber doch gedanklich aus - nicht dass hier bald der Verfassungsschutz mitliest.

Für mich lebt Demokratie von der Teilung der Gewalten; nicht nur in die drei montesquieu'schen, sondern auch die Gewalt der Information, des Kapitals und der Einflussmöglichkeit der von den fünf voran genannten betroffenen, stimmberechtigten Bevölkerung.

Dass Politik zu einem "Business" geworden ist, unbestreitbar; dass Publicity über Inhaltsschwächen immer effektiver hinwegblendet - wer sieht das nicht?!

Wähler sind nicht dumm - sie stimmen mit Verweigerung ab.

Gut, ich würde, wenn ich mit keinem parteilichen Entwurf zufrieden wäre, maximal ungültig wählen, oder mich selbst auf den Wahlzettel schreiben (gesetzt dem Falle, ich hielte mich für geeignet).
Aber viele Wähler sind einfach demoralisiert, vielleicht auch schon zu politik-satt, um sich am Sonntag noch aufzuraffen, um ein Kreuz zu setzen.
Geht es uns zu gut?
Glauben wir der Demokratie noch?
Wer bestimmt eigentlich, was Demokratie ist?

Demokratie ist jedenfalls nicht, wenn sich >1/3 nicht mehr an die Urne begibt.

Amen.

Geschrieben von: Sägefisch am 31.Aug.2004 - 18:55

Solange 3/3 an die Urne DÜRFEN, kann man aber auch nicht behaupten, es ginge undemokratisch zu.


Geschrieben von: LadyGodiva am 31.Aug.2004 - 18:56

Tja, ist Demokratie eine Frage des Dürfens oder Wollens?

Geschrieben von: megan am 31.Aug.2004 - 18:58

@ lady - godiva,

das amen lässt du bitte in die kirche, da wo es hingehört.

zu deinen aussagen, ich denke, du bauschst zu sehr auf, eine gewisse politik-verdrossenheit ist sicher zu bemerken, auch eine latenete amerikanisierung der politik in richtung professionalisierung der promotion - Aber, ich gebe zu bedenken, daß unsere gegenwärtige demokratie wesentlich werte - und inhaltsstabiler ist, als du hier anmahnst.

damit das so bleibt, bracht es dann menschen, die sich parteipolitisch engagieren, an der basis arbeiten und nicht sich einfach meckernd in die foren-ecke stellen - hm ? wink.gif

denk da mal drüber nach.

gruß megan

Geschrieben von: LadyGodiva am 31.Aug.2004 - 19:01

Warum wirst du so persönlich in deiner Kritik? Demokratie lebt auch von der Gesprächskultur...

Ich bin politisch aktiv, seit Jahren.
Ich habe Ideale.
Ich liebe die Demokratie. Und deshalb habe ich Angst um sie.

Geschrieben von: megan am 31.Aug.2004 - 19:08

sehr gut, wenn du politisch aktiv bist, noch besser, wenn du dich sorgst, nur wer sich sorgt, wehret den anfängen wink.gif
ich habe nur einfach etwas gegen diese trend alles zu dramatisieren.
und dann auch noch das falsche.

pardon, nun meine ich nicht dich, aber was beklagen wir uns über politiker auf der show-bühne, wenn verdammt nochmal der planet auf dem wir unseren arsch breit sitzen - pardon - von uns sehenden auges ausgenommen wird, wie eine weihnachtsgans! Das ist für mich ein thema, völlig unbeherrscht und off topic .

ich werde dafür in der neuen küche dann mal einen thread aufmachen, denn hierher, das ist richtig passt es nicht so recht.
gruß megan

Geschrieben von: LadyGodiva am 31.Aug.2004 - 19:10

Wir sollten auch besser bei einem Thema bleiben, weshalb ich meine Gedankeneinschübe ich Grau gehalten habe.
Du hast nachgefragt, ich habe konkretisiert. OK.
Ob dramatisiert oder nicht, das ist Ansichtssache.

Geschrieben von: megan am 31.Aug.2004 - 19:11

da hast du sicher recht, deswegen bin ich mit dem rest dann auch ins flüstern übergegangen, ein lautes flüstern womögliich, aber ein flüstern wink.gif

Geschrieben von: LadyGodiva am 31.Aug.2004 - 20:56

Darf ich - hoffentlich im richtigen Sinne - zu den Ausgangsfragen zurück kehren?!

Wie beurteilt Ihr - global - die Demokratie der BRD?
Wie attraktiv und v.a. glaubwürdig ist sie?
Gäbe es Veränderungsmöglichkeiten oder lehren uns die Entgleisungen in der Geschichte Besseres (Präsidialkabinette etc.)?

edit: natürlich ist es auch legitim und äußerst erwünscht, Teilsaspekte anzuführen biggrin.gif mein eigenes, altes Manko, sowie erbeten, sich nicht wegen etwaiger verfassungsfeindlicher Äußerungen meinerseits in Rage zu schreiben - ich denke demokratischer als es hier vielleicht den Anschein hat. smile.gif

Geschrieben von: Laura am 31.Aug.2004 - 22:30

Ich möchte zunächst vorweg schicken, dass mir dieses Thema ganz besonders am Herzen liegt, eben gerade weil ich die Demokratie, auch so wie ich sie hierzulande erlebt hatte, gar nicht hoch genug werten kann. Ich würde mich schwer wundern, wenn dies nicht auch bei den meisten anderen der Fall ist.

Jenseits utopischer Vorstellungen über Gesellschaften - die hab' ich bisweilen in der Tat und dies hat auch seinen Grund, aber ich bin weitaus 'realistischer' strukturiert, als sich dies manche vielleicht vorstellen mögen - sind es gerade die konkreten, vermeindlich sachlichen Entscheidungen der letzen Jahre innerhalb der unterschiedlichen politischen Plattformen (WTO, EU, Deutschland) gewesen, die mich beunruhigen.
Sie beunruhigen mich deshalb, weil die meisten Menschen sich außer Stande fühlen zu beurteilen, was hinsichtlich politischer Dimension für sie selber oder für die Menschen in ihrem Umfeld oder für das Land, in dem sie Leben, wirklich von Bedeutung sein könnte. Und dies, obwohl sie spüren dass es relevant ist!

Bin immer noch am Sortieren meiner Gerdanken... daher nur ein äußerst kurzer Kommendar

QUOTE
Wie beurteilt Ihr - global - die Demokratie der BRD?

Gefährdet.
QUOTE
Wie attraktiv und v.a. glaubwürdig ist sie?

Attraktiv ja, mit Abstrichen, glaubwürdig... da hab' ich gewaltige Probleme damit.
QUOTE
Gäbe es Veränderungsmöglichkeiten oder lehren uns die Entgleisungen in der Geschichte Besseres (Präsidialkabinette etc.)?

Ich weiß es nicht.
Wenn die Zukunft einen konstruktiv-politischen Charakter inne haben sollte, dann werden wir uns - nun zuminderst nicht wenige nachdenkliche Menschen - angesichts einer inhomogenen Gesellschaft die Möglichkeiten offen halten, zur rein parlamantarischen Vertretung alternative Lösungsvorschläge Ernst zu nehmen.

Geschrieben von: LadyGodiva am 31.Aug.2004 - 22:49

QUOTE (Laura @ 31.Aug.2004 - 23:30)

Sie beunruhigen mich deshalb, weil die meisten Menschen sich außer Stande fühlen zu beurteilen, was hinsichtlich politischer Dimension für sie selber oder für die Menschen in ihrem Umfeld oder für das Land, in dem sie Leben, wirklich von Bedeutung sein könnte. Und dies, obwohl sie spüren dass es relevant ist!

Woher rührt dieses Gefühl?
Diätangst satter Leiber? Steuerungsverlust? Werterverfall global? Ermüdung durch Informationsinflation? Vertrauensverlust? Reaktion auf die 68ger?

Geschrieben von: Laura am 31.Aug.2004 - 23:05

@L.G.
Eigentlich müsste ich bei solchen Fragen ein paar Schritte zurücktreten, inne halten, nachdenken, Worte finden...
Ausnahmsweise will ich das nicht tun, weil ich glaube, dass in diesem Thread auch ein spontanes Bauch-Gefühl von Bedeutung sein könnte.

QUOTE
Diätangst satter Leiber? Steuerungsverlust? Reaktion auf die 68ger?

Oberflächlich betrachtet ja, und damit kann man sich in der Tat nahezu endlos auseinandersetzen.
QUOTE
Werterverfall global? Ermüdung durch Informationsinflation? Vertrauensverlust?

Hier betritt man ein ganz anders Terrain!
Ich glaube - in welcher Weise auch immer - die Zukunft wird genau in diesem Umfeld entschieden werden.

Geschrieben von: LadyGodiva am 31.Aug.2004 - 23:16

Es sollte kein Drängeln sein - ich warte gerne eine Antwort ab, auch wenn mich diese schon gedanklich "vorgebahnt" hat. smile.gif

Geschrieben von: Gilgamesch.Minerva-ath am 01.Sep.2004 - 20:44

@Lady Godiva
Deinen Einwurf mit der geringen Wahlbeteiligung halte ich für ziemlich wichtig, schade daher, dass ich ein wenig gebraucht habe wieder ans Netz zu kommen und nun verspätet poste.
Nun- leider nehmen viel zu viele Menschen in diesem land ihre (demokratischen) Rechte als Selbstverstädlichkeit hin, dabei ist es eben m.M. immer noch notwenig um sie zu kämpfen. Icch denke aber nicht, dass es sich dabei um eine Politikverdrossenheit handelt- viel mehr um eine Parteienverdrossenheit- die Demotivation rührt eigentlich aus dem Verhalten der Parteien her- denn wenn selbst die früheren Protestparteien wie Grüne oder PDS sich durch Mandate selbst verraten und in Strukturen verfallen, die dem ähneln, wogegen sie einst geredet haben- was bleibt dann übrig? Es ist paradox, dass trotz des Parteienpluralismus einzig nur eine graue Suppe übrigbleibt.

@Blue_Moon
Landtags- u.a. Wahlen hin oder her- aber direkter Einfluss auf die politische Gestaltung Deutschlands ist in der repräsentativen Staatsform nicht gegeben. Wenn ich ehrlich bin halte ich dies gar nicht einmal für so abwegig- eben nicht nur aus vergangenen historischen, sondern auch aus aktuellen Ereignissen. Aber auf anderer Seite steigert das natürlich das Ohnmachtsgefühl und eine versteckte Wut in der Bevölkerung. Selbst attac, oder Greenpeace oder andere- ehrlich betrachtet halte ich dies für den Tropfen auf den heißen Stein. Aber ja- dennoch sind diese Innitiativen sinnvoll.

@Laura
Zu den angesprochenen 68-ern. Haben nicht gerade diese ihre Ideale verraten und somit ein politisches Misstrauen geschaffen? Fischer- unser Turnschuhminister hat erst mit Steinen geworfen und sitzt nun im Anzug, verklagte jemanden, der mit einem Farbbeutel nach ihm geworfen hat. Diese Doppelmoral- der absolute Wandel. Inzwischen wurde bereits eigentlich jedes Ideal verraten und fast jede Idee verkauft- vielleicht ist daher diese politische Grauzone enstanden?

Das demokratische System der BRD halte ich dennoch für eines der ausgeklügeltsten. Besonders was das Wahlsystem angeht- zwar eines der global kompliziertesten- aber m.M. noch gerechtesten Methoden.
Allerdings sehe ich gerade die Umsetzung, wo Politik gerade mit Show verwechselt wird als zweischneidig. Das Wahlsystem baut auf Parteien mit Mehrheitsprinzip, aber momentan kommt es mir so vor, als ob anstatt von Parteikonzepten nur auf Personenkult gesetzt wird. Das mag bei Adenauer und Schmidt irgendwie noch funktioniert haben- hinter ihnen stand aber ein politisches Konzept. Inzwischen ist alles Chefsache. Politische Bildung gleicht heute weniger mit Information, als mit einer Kandidatenshow auf dem roten Teppich. Zumindest haben sich bei der letzten Bundestagswahl die Wahlprogramme nur in der Wortwahl unterschieden- aber kaum inhaltlich. Und das halte ich für bedenkenswert.

Geschrieben von: LadyGodiva am 01.Sep.2004 - 20:48

QUOTE (Gilgamesch.Minerva-ath @ 01.Sep.2004 - 21:44)
Protestparteien

Tut mir leid, dass ich mich jetzt an dem Begriff aufhänge, aber es ist unsachlich, eine im Bundestag vertretene politische Vereinigung, die nicht über eine breite Mehrheit verfügt und in meinen Augen wichtige oppositionelle Funktionen (auch innerhalb einer Koalition) hat, als Protestpartei zu bezeichnen.

edit: zur "grauen Suppe": wie ich schon mehrfach erwähnt habe, bin ich selbst Parteimitglied.
Ein Punkt, der mich beim Eintritt (vor vielen Jahren wink.gif ) einige graue Haare gekostet hat, ist die Tatsache, dass Demokratie sich vehement gegen "nicht-demokratisches" (wie auch immer geartetes) Nachdenken (ich verzichte bewusst auf den Begriff "Gedankengut"), auch innerhalb der einen Partei, massiv wehrt. Ein philosophisches Problem, eine menschliche Schwäche? Ein weiterer, ureigenst gekochter Beitrag zur "grauen Suppe"?! Darf Demokratie nicht hinterfragt werden, ohne dass kritische Köpfe gleich einen demokratisch parteipolitischen Maulkorb verpasst bekommen?!

Geschrieben von: LadyGodiva am 01.Sep.2004 - 20:51

QUOTE (Gilgamesch.Minerva-ath @ 01.Sep.2004 - 21:44)

Das demokratische System der BRD halte ich dennoch für eines der ausgeklügeltsten. Besonders was das Wahlsystem angeht- zwar eines der global kompliziertesten- aber m.M. noch gerechtesten Methoden.

Das sehe ich z.B. nicht so.
Für mich ist gerade der Dualismus Bundestag/Bundesrat ein sehr schwieriges Thema, weil ich in dieser sehr speziellen und in vielen Bereichen auch parteienpolitisch determinierenden Einrichtung einen Grund sehe, warum der Institutionsapparat zwar an Macht (und Steifheit), aber nicht an Wählerrückhalt gewonnen hat.

Geschrieben von: Kérridis am 01.Sep.2004 - 21:02

QUOTE (Gilgamesch.Minerva-ath @ 01.Sep.2004 - 21:44)
. Das Wahlsystem baut auf Parteien mit Mehrheitsprinzip, aber momentan kommt es mir so vor, als ob anstatt von Parteikonzepten nur auf Personenkult gesetzt wird. Das mag bei Adenauer und Schmidt irgendwie noch funktioniert haben- hinter ihnen stand aber ein politisches Konzept. Inzwischen ist alles Chefsache. Politische Bildung gleicht heute weniger mit Information, als mit einer Kandidatenshow auf dem roten Teppich. Zumindest haben sich bei der letzten Bundestagswahl die Wahlprogramme nur in der Wortwahl unterschieden- aber kaum inhaltlich. Und das halte ich für bedenkenswert.

Amerika läßt grüßen cool.gif

Geschrieben von: Gilgamesch.Minerva-ath am 01.Sep.2004 - 21:05

@ Lady Godiva
Zu den Protestparteien- Grüne und PDS habe ich nicht nur wegen der niedrigen Stimmen (im Vergleich zu den großen Volksparteien) als Protestparteien bezeichnet, sondern aus dem Grund, dass sie erstens an dem Konzeptrahmen der Allgemeinparteien rütteln (Grüne z.B.- mit der Mandats- und Vorstandsregelung, die inzwischen allerdings nachdem es Realität geworden ist, ausdiskutiert wurde... die Grünen hämmern an ihrer Basis), sondern weil sie für mich in die Opposition gehören- denn von da aus könnten sie intelligenten innovativen Einfluss bieten- aber an der Regierung sind sie ein Desaster. Jedenfalls sind das keine Grünen mehr für mich, sorry. Zudem habe ich die Menschen von der PDS- besonders einen Herrn Gysi bisher nur protestieren- aber nicht wirklich handeln gesehenh. Daher mag es unsachlich sein von Protestparteien zu sprechen- aber m.M. keinesfalls unsinnig.

Zum zweiten- hm- ich spielte da auch mehr auf die Tatsache hin, dass über die Wahl eine Partei(bzw- Koalition) gewählt wird) und der Regierungschef über den Mehrheitsbeschluss der Parteien (zumindest theoretisch) läuft. Ändern sich Koalitionen und Mehrheiten, ändert sich auch der Regent. Finde ich gar nicht so uinsinnig, weil dadurch die Partei meh Einfluss haben könnte als der Kanzler als Einzelperson.

edit- Gysi schreib ich wohl immer wieder falsch...

Geschrieben von: Sägefisch am 01.Sep.2004 - 21:09

QUOTE (LadyGodiva @ 01.Sep.2004 - 21:48)

edit: zur "grauen Suppe": wie ich schon mehrfach erwähnt habe, bin ich selbst Parteimitglied.
Ein Punkt, der mich beim Eintritt (vor vielen Jahren wink.gif ) einige graue Haare gekostet hat, ist die Tatsache, dass Demokratie sich vehement gegen "nicht-demokratisches" (wie auch immer geartetes) Nachdenken (ich verzichte bewusst auf den Begriff "Gedankengut"), auch innerhalb der einen Partei, massiv wehrt. Ein philosophisches Problem, eine menschliche Schwäche? Ein weiterer, ureigenst gekochter Beitrag zur "grauen Suppe"?! Darf Demokratie nicht hinterfragt werden, ohne dass kritische Köpfe gleich einen demokratisch parteipolitischen Maulkorb verpasst bekommen?!

Abweichler sind selten beliebt.

Überall wo Entscheidungsgewalt vergeben wird, hängt damit auch Karriere, Pöstchen und fette Pension zusammen. Verantwortung und persönliches Fortkommen hängen zusammen.

Folglich sitzen überall Leute, die eben dies nicht verlieren und daher den Status Quo so halten wollen wie er ist.

Darum ist für den Nachwuchs der Nasenfaktor auch wichtiger als gute Ideen.

Wer versucht, per Quersalve einzusteigen, kann sich auf großes Kino gefasst machen.

Das ist doch eigentlich Allgemeingut.

Geschrieben von: LadyGodiva am 01.Sep.2004 - 21:14

QUOTE (Gilgamesch.Minerva-ath @ 01.Sep.2004 - 22:05)
(...) sondern weil sie für mich in die Opposition gehören- denn von da aus könnten sie intelligenten innovativen Einfluss bieten- aber an der Regierung sind sie ein Desaster. (...) Daher mag es unsachlich sein von Protestparteien zu sprechen- aber m.M. keinesfalls unsinnig.

Ich habe nicht gesagt, dass es unsinnig ist, wenn für dich Parlamentarismus darin besteht, dass es ein, zwei "Volksparteien" gibt und zwei, drei "Sektierer" am Rand, die nicht einmal abwechselnd zur Regierungsbildung einzeln herangezogen werden müssen, sich dann letztenendes einfügen und ihr Sektierermäntelchen für die Koalitionrobe abstreifen und - wie die von dir angeführten Grünen - plötzlich ganz volksparteienkonform dastehen.
Das ist für mich nicht Demokratie - sondern Macht-Backgammon.

Geschrieben von: LadyGodiva am 01.Sep.2004 - 21:19

QUOTE (Gilgamesch.Minerva-ath @ 01.Sep.2004 - 22:05)

Zum zweiten- hm- ich spielte da auch mehr auf die Tatsache hin, dass über die Wahl eine Partei(bzw- Koalition) gewählt wird) und der Regierungschef über den Mehrheitsbeschluss der Parteien (zumindest theoretisch) läuft. Ändern sich Koalitionen und Mehrheiten, ändert sich auch der Regent. Finde ich gar nicht so uinsinnig, weil dadurch die Partei meh Einfluss haben könnte als der Kanzler als Einzelperson.

Theoretisch, so weit so gut.
Wie sieht es jedoch mit der Stimmenverteilung im Bundesrat aus?!
Vielleicht bin ich eine zu radikale Parlamentarierin, vielleicht.
Aber gerade in diesem unseligen Dualismus und dem programmatischen Annähern beider "Volksparteien" sehe ich eine große Gefahr der Demokratie überhaupt - denn was durch diese Mühlen gegangen ist, hat mit dem konzeptionellen Edukt nur noch wenig zu tun.

Geschrieben von: Gilgamesch.Minerva-ath am 01.Sep.2004 - 21:28

QUOTE (LadyGodiva @ 01.Sep.2004 - 21:14)
Ich habe nicht gesagt, dass es unsinnig ist, wenn für dich Parlamentarismus darin besteht, dass es ein, zwei "Volksparteien" gibt und zwei, drei "Sektierer" am Rand, die nicht einmal abwechselnd zur Regierungsbildung einzeln herangezogen werden müssen, sich dann letztenendes einfügen und ihr Sektierermäntelchen für die Koalitionrobe abstreifen und - wie die von dir angeführten Grünen - plötzlich ganz volksparteienkonform dastehen.
Das ist für mich nicht Demokratie - sondern Macht-Backgammon.

...und ich habe nicht behauptet, dass für mich Parlamentarismus aus zwei großen Volksparteien und ein paar Sektierergrüppchen bestehen sollte. Ich wünschte, es wäre anders- aber momentan stellt sich die Lage meiner Meinung nach so dar. Verstehe mich bitte nicht falsch.
Das dies eher Macht-Baggammon ist, ist mir auch klar- aber gerade dieses Gerangel sehe ich als ein Grund für den Rückgang der Wähler- ich denke nichteinmal, dass wir unähnliche Meinungen diesbezüglich haben.
Daher vielleicht anders- inwieweit ist Konformismus innerhalb einer Partei notwendig und wichtig? Dein Beispiel erinnert mich an Strobele, der damals gegen seine Grünen gewettert hatte und das Glück für sich hatte per Direktmandat reinzukommen. Insgesamt hängt auch eben diese Bestreben nach Konformismus mit der Motivationslosigkeit innerhalb der Bevölkerung zusammen.
Die Frage ist auch dehalb- wie kann man inerhalb eines demokratischen Systems (nennen wir es jetzt einmal so) mit der Tatsache des Partei-inneren Zwanges umgehen? Sollte es im Bundestag selbst anonyme Abstimmungen geben,l so dass jeder Ageordnete ohne DRuck seiner Partei wählen kann?- und was wären die Folgen für das Konzept "Partei"?

Geschrieben von: LadyGodiva am 01.Sep.2004 - 21:41

Ich denke nicht, dass ich dich missverstehe.
Was ist das für eine Auffassung von Demokratie, die Parteien, Gruppen zwar im Parlament vertreten, nicht aber in der Regierungsverantwortung sehen möchte?
Ich sehe das ganz praktisch.
Ist kein Angriff - vielleicht eben nur meine Sicht, vom linken Rand.
Du erwähnst Ströbele - zeigt er uns nicht, dass Parlamentarismus ein möglicher Weg aus der Krise ist?
Persönliche Verbindlichkeit mit Gesicht, statt Wahlprogramm und "Frauenkanzler"?!
(plakativ formuliert)
Hildebrand, Leutheusser-Schnarrenberger, Geißler - Charakterköpfe gäbe es schon, auch stimmenträchtige.

edit: *graue Zellen massiert*

Geschrieben von: Gilgamesch.Minerva-ath am 01.Sep.2004 - 21:57

QUOTE
Ich denke nicht, dass ich dich missverstehe.
Was ist das für eine Auffassung von Demokratie, die Parteien, Gruppen zwar im Parlament vertreten, nicht aber in der Regierungsverantwortung sehen möchte?
Ich sehe das ganz praktisch.
Ist kein Angriff - vielleicht eben nur meine Sicht, vom linken Rand.

huh.gif Okay.
Das ist für mich nicht die Definition einer Deomkratie- das mit den Grünen und der PDS (das ich sie lieber in der Opposition sehe als in der Regierung aus oben genannten Gründen) ist meine Meinung. Ich denke also doch, dass du mich anscheinend missverstanden hast.
Nur meine Sicht- aus politisch seitenlosem und parteienlosem Rand.

QUOTE
Du erwähnst Ströbele - zeigt er uns nicht, dass Parlamentarismus ein möglicher Weg aus der Krise ist?
Persönliche Verbindlichkeit mit Gesicht, statt Wahlprogramm und "Frauenkanzler"?!
(plakativ formuliert)
Hildebrand, Leutheusser-Schnarrenberger, (mir fällt gerade der langjährige Kohl-Antagonist in der CDU namentlich nicht ein) - Charakterköpfe gäbe es schon, auch stimmenträchtige.

Nun- diese haben sich allerdings nicht hinter einer Plakatpersönlichkeit (Gesicht verschafft Stimmen) versteckt, sondern mit ihrem Namen hat man eine Einstellung und ein Kozept verbunden. Hatte ich oben auch schon erwähnt. Hoffe also mich deutlicher ausgedrückt zu haben.

Geschrieben von: LadyGodiva am 01.Sep.2004 - 22:04

QUOTE (Gilgamesch.Minerva-ath @ 01.Sep.2004 - 22:57)

QUOTE
Du erwähnst Ströbele - zeigt er uns nicht, dass Parlamentarismus ein möglicher Weg aus der Krise ist?
Persönliche Verbindlichkeit mit Gesicht, statt Wahlprogramm und "Frauenkanzler"?!
(plakativ formuliert)
Hildebrand, Leutheusser-Schnarrenberger, (mir fällt gerade der langjährige Kohl-Antagonist in der CDU namentlich nicht ein) - Charakterköpfe gäbe es schon, auch stimmenträchtige.

Nun- diese haben sich allerdings nicht hinter einer Plakatpersönlichkeit (Gesicht verschafft Stimmen) versteckt, sondern mit ihrem Namen hat man eine Einstellung und ein Kozept verbunden. Hatte ich oben auch schon erwähnt. Hoffe also mich deutlicher ausgedrückt zu haben.

Ganz deiner Meinung, überparteilich smile.gif

Allerdings ist mir noch nicht so ganz klar, welche Funktion die von dir so bezeichneten "Protestparteien" außer der kritischen Beleuchtung der Regierenden haben sollen, wenn sie nicht regierungsfähig scheinen.

Geschrieben von: Gilgamesch.Minerva-ath am 01.Sep.2004 - 22:27

QUOTE (LadyGodiva @ 01.Sep.2004 - 22:04)
Allerdings ist mir noch nicht so ganz klar, welche Funktion die von dir so bezeichneten "Protestparteien" haben sollen, wenn sie nicht regierungsfähig sind.

Hm- ich persönlich sehe alternative Parteien wie die ehemaligen Grünen und auch die PDS lieber in der Opposition als eine kritisch treibende Kraft- mit einerseits überprüfender und beleuchtender Funktion der Regierenden und andererseits als Potentialbasis neuer Ideen bzw. mit alternativem Charakter. Nur an der Regierung würden sie m.M. nicht so viel bewirken wie in Herausforderersituation- einfach, weil sie schon fast gezwungen wären, sich selbst zu verraten. Da bin ich aber persönlich vorbelastet- die Entwicklung der Grünen hat mir die letzte wählbare Partei genommen.
Daher Protestparteien- abseits von einem Allgemeinkonsens, wie er gerade herrscht- als kritische Kraft im Parlament.

edit- wo siehst du einen Weg aus dem Konsens-Verhalten innerhalb der Parteien? Denkst du das bsw. anonyme Abstimmungen Im Bundestag sinnvoll wären?

Geschrieben von: LadyGodiva am 01.Sep.2004 - 22:43

Ich träume eher von einer Art Wahlmann-Demokratie.
Aber ich fürchte, um diese Uhrzeit kann ich das nicht ausführen.

Ganz konkret in unserem System:
ja, ein Verbot des Fraktionszwangs z.B. Der hat mit Demokratie überhaupt nichts mehr zu tun.

Geschrieben von: Gilgamesch.Minerva-ath am 01.Sep.2004 - 22:47

QUOTE (LadyGodiva @ 01.Sep.2004 - 22:43)
Ich träume eher von einer Art Wahlmann-Demokratie.
Aber ich fürchte, um diese Uhrzeit kann ich das nicht ausführen.

Na dann hoff ich mal, dass du morgen bei Kaffee mir mehr erzählst laugh.gif
Im Ernst- würde mich wirklich interessieren! Und meine grauen Zellen machen auch langsam für heute dicht ;-)

Aber Wahlmänner erinnern mich dann doch zu sehr an das amerikanische Wahlsystem- abgesehen davon ehe ich prinzipiell aber in so einem Verfahren einen Verlust von Chancen von und für Minderheiten.

Geschrieben von: LadyGodiva am 01.Sep.2004 - 22:49

Durch Wahlmänner könnte man aber theoretisch gesehen den Einfluss von Parteien minimieren smile.gif

Geschrieben von: Gilgamesch.Minerva-ath am 01.Sep.2004 - 22:57

QUOTE (LadyGodiva @ 01.Sep.2004 - 22:49)
Durch Wahlmänner könnte man aber theoretisch gesehen den Einfluss von Parteien minimieren smile.gif

Hm- und es würde ein Einzelmenschkämpfen geben- zu viele einzelnde Interessen finden noch schwieriger einen Kompromiss oder eine Lösung.
Eben aus solch einer Gefahr und der Erfahrung mit Interessenskonflickten und persönlichen Hickhacke (Weimarer Rep.) hat man ja auch die 5%-Klausel in der BRD eingeführt.

Geschrieben von: blue_moon am 01.Sep.2004 - 23:02

QUOTE (Gilgamesch.Minerva-ath @ 01.Sep.2004 - 23:27)
Hm- ich persönlich sehe alternative Parteien wie die ehemaligen Grünen und auch die PDS lieber in der Opposition als eine kritisch treibende Kraft- mit einerseits überprüfender und beleuchtender Funktion der Regierenden und andererseits als Potentialbasis neuer Ideen bzw. mit alternativem Charakter. Nur an der Regierung würden sie m.M. nicht so viel bewirken wie in Herausforderersituation- einfach, weil sie schon fast gezwungen wären, sich selbst zu verraten. Da bin ich aber persönlich vorbelastet- die Entwicklung der Grünen hat mir die letzte wählbare Partei genommen.

hm, ohne jetzt komplett in die grüne verteidung einsteigen zu wollen, haben nicht gerade wir (lesben), zumindest von teilen grüner politik profitiert? nicht nur die ep, sondern in deren fahrwasser auch das klima, in dem sich wowereit und co. geoutet haben, rechne ich in erster linie den grünen an.

das dilemma der grünen ist doch im grunde das gleiche, das die 68 in der spd in den siebziger jahren schon hatten. die realos sind quasi auf dem weg durch die instanzen, die fundis mussten/sollten weichen. dabei ist doch der dualen kraft, die die grünen in der opposition hatten, das wasser abgedreht worden. in der derzeitigen ausrichtung taugen die grünen mit flaggschiff fischer nur für die regierung.

da guckste mal ne viertelstunde woanders hin, da biste schon wieder meilenweit vom topic weg... rolleyes.gif

edit: tappfehler!

Geschrieben von: Gilgamesch.Minerva-ath am 01.Sep.2004 - 23:31

QUOTE (blue_moon @ 01.Sep.2004 - 23:02)
das dilemma der grünen ist doch im grunde das gleiche, dass die 68 in der spd in den siebziger jahren schon hatten. die realos sind quasi auf dem weg durch die instanzen, die fundis mussten/sollten weichen. dabei ist doch der dualen kraft, die die grünen in der opposition hatten, das wasser abgedreht worden. in der derzeitigen ausrichtung taugen die grünen mit flaggschiff fischer nur für die regierung.

Ja, du hast recht- eine ziemlich bedauernswerte Entwicklung, finde ich. Das die Grünen ein positiveres Klima für Homosexuelle geschaffen haben- nicht nur durch ihren Kampf für die Lebenspartnerschaft- stimmt- umso trauriger empfinde ich eben die jetzige Situation. Nach der Kosovo-Diskussion konnte ich sie aber nicht mehr politisch ernst nehmen. Da hab ich nicht mehr grün sehen können.
Eben so ähnlich sehe ich das auch bei der PDS- bzw. Gysi. Er hatte ziemlich viele Reden geschwungen und gewettert- aber sein Amt hatte er nicht lange- und genau betrachtet war er auch recht froh darüber, denn da musste er doch einmal selbst handeln und nicht nur reden... Verantwortung sieht immer anders aus, wenn man sie erst einmal selbst hat. ph34r.gif

QUOTE
da guckste mal ne viertelstunde woanders hin, da biste schon wieder meilenweit vom topic weg... rolleyes.gif 

Ach, ich komm meistens auch immer erst zur Party, wenn bereits der Besen und das Putzkommando im Einsatz ist. laugh.gif Aber hier kann man ja immer wieder zurückblättern.

Geschrieben von: Leonie am 02.Sep.2004 - 08:09

@ Minerva

QUOTE
Zudem habe ich die Menschen von der PDS- besonders einen Herrn Gysi bisher nur protestieren- aber nicht wirklich handeln gesehenh. Daher mag es unsachlich sein von Protestparteien zu sprechen- aber m.M. keinesfalls unsinnig.


In diesem Zusammenhang - Protestiert die Opposition nicht schon im Grundsatz gegen das Bestehende, unabhängig vom Parteinamen (allerdings in der Würze verschieden)?

OT - Ich möchte euch (Gilga + Lady) danken. Ich lese gut mit und kann sehr viel lernen! DANKE

Geschrieben von: Laura am 02.Sep.2004 - 17:06

Denke, das Ordnen meiner Gedanken wird wohl noch 'ne Weile andauern... Daher lieber einige Fragen, die mir bei diesem Thema im Kopf herum geistern. wacko.gif

Auch, aber nicht nur, wegen historischer Hindergründe, lebt die parlamentarische Demokratie neben ihrer verfassungsgemäßen Rechtstaatlichkeit von der Überzeugung, dass man durch Mehrheitsentscheide von gewählten Volksvertretern der Willensbildung in einer freien Zivilgesellschaft gerecht werden kann. Daraus bezieht die Demokratie ihre Legitimation! (Den damit verbundenen inhärenten Schwächen werden durch verankerte Mechanismen wie Minderheitenschutz, Opposition, Subsidiarität u.ä. entgegengewirkt.)
Folgt man diesen Überlegungen, so müssen einige Grundvoraussetzungen erfüllt sein, damit sich durch den parlamentarischen Weg der emergierte Wille der Bürger ermitteln lässt – also derjenige Wille, der sich im Diskurs aus den Strömungen einzelner Gruppierungen in gesellschaftliche Richtungsentscheidungen transformiert, um auf wesentliche Herausforderungen zu antworten. Daraus bezieht die Demokratie das ihr entgegen gebrachte Vertrauen!

Wenn ich ein Grummeln im Bauch verspüre, was die Legitimation von und das Vertrauen in die Demokratie angeht, hinterfrage ich also diese möglichen Voraussetzungen und zwar gerade dann, wenn parallele Entwicklungen in's Auge springen, die diese erst so richtig deutlich lassen werden.
Es wurden die Schwierigkeiten angesprochen, die innerhalb der Strukturen von Parteien anzusiedeln sind und das demokratische Verfahren generell erschweren. Dieser 'Gang durch die Institutionen' dürfte stets eine große Herausforderung sein und je nach politischem Selbstverständnis unterschiedliche Möglichkeiten aufzeigen.
Aber ich möchte mein Augenmerk etwas stärker auf die äußere Sicht legen, denn auch das Denken und die Karriere von Politikern wird in einer offenen Gesellschaft von Machtströmungen maßgeblich beeinflusst.

In welchen Schwierigkeiten, in welche Schieflage, gerät die parlamentarische Demokratie, wenn
- Meinungsdifferenzen in erster Linie von transnationalen nicht-parlamentarischen Eliten ausgetragen werden, deren Interessen nicht transparent sind?
- die Ziele und Methoden eines gesellschaftlichen Bereiches (Ökonomie) über alle anderen Bereiche dominieren wollen?
- externe Kommissionen Entscheidungsgrundlagen erarbeiten, über die das Parlament unter Druckanwendung nur noch abstimmen darf?
- die in der EU getroffene Entscheidungen signifikantes Gewicht besitzen?
- die öffentlich Meinungsbildung von populistisch gefärbten Medien geprägt wird, die Widersprüche verdecken und Alternativen kaum mehr herauszustellen vermögen?

Wie kann unter diesen Voraussetzungen Demokratie (im oben genannten Sinne) funktionieren und welche weiteren Einflüsse und Entwicklungen fallen euch ein?
Könnte Formen einer partizipierenden Demokratie das Schwinden an Legitimation und Vertrauen entgegenwirken?

Nachtrag:

QUOTE (minerva)
Zu den angesprochenen 68-ern. Haben nicht gerade diese ihre Ideale verraten und somit ein politisches Misstrauen geschaffen? Fischer- unser Turnschuhminister hat erst mit Steinen geworfen und sitzt nun im Anzug, verklagte jemanden, der mit einem Farbbeutel nach ihm geworfen hat. Diese Doppelmoral- der absolute Wandel. Inzwischen wurde bereits eigentlich jedes Ideal verraten und fast jede Idee verkauft- vielleicht ist daher diese politische Grauzone enstanden?

Dass die Grünen im Laufe der Zeit zusehenst einen pragmatischen Kurs eingeschlagen haben, bedeutet nicht unbedingt, dass sie all ihre Ideale verraten haben, sondern dass sich diejenigen Akteure durchsetzten, die diese Praxis in der Politik als erfolgreiche Möglichkeit betrachten, ihre Vorstellungen umzusetzen (ein kleiner aber feiner Unterschied z. B. zur SPD). Einen Glaubwürdigkeitverlust sehe ich bei den Grünen noch nicht, eher eine nicht ungefährliche Strategie, sich aus wesentlichen wirtschafts- und sozialpolitischen Entscheidungsfindungen weitgehenst herauszuhalten. Hier zeigt sich m.E. mehr als nur das Verlangen, 'nem politischen Überlebensinstinkt folgen zu wollen, sondern dahinter verbirgt sich entweder ein Mangel an Problembewußtsein oder an fundamenalen Konzepten, die ja im umweltpolitischem und rechtspolitischem Bereich durchaus bestehen. Das ist auch der Grund, warum ich - neben ernsten Fehlentscheidungen - mit ihnen so schwer hadere, und sie auf NGO's bisweilen so allergisch reagieren.

Geschrieben von: Gilgamesch.Minerva-ath am 02.Sep.2004 - 17:57

QUOTE
In welchen Schwierigkeiten, in welche Schieflage, gerät die parlamentarische Demokratie, wenn
- Meinungsdifferenzen in erster Linie von transnationalen nicht-parlamentarischen Eliten ausgetragen werden, deren Interessen nicht transparent sind?

Diesen Gedanken habe ich ebenfalls schon länger- das inzwischen ein Interessenskampf außerhalb der politischen hin zu wirtschaftlichen und Privatinteressen stattgefunden hat, fällt immer weiter ins Gewicht- inwieweit dabei Druck ausgeübt wird, zeigt sich nicht nur an Großunternehmen, die aufgrund von Steuern o.a. sich auf das Ausland verlegen wollen und eben durch die dadurch entstehenden Arbeitslosen Probleme für den Staat und seine Politik bilden. Nun- bei solchen Großunternehmen fände ich eine Regelung nicht schlecht, wodurch die Firma (bei einer gewissen Größe) finanzielle Teilverantwortung für den Angestellten trägt. Aber das nur am Rande.
Fakt ist, dass inzwischen Interessensverbände die Politik maßgeblich beeinflussen und nicht mehr der Gedanke an ein „Wohl des Volkes“. Ob das eine moderne Diktatur werden könnte, von welcher der Einzelne nicht einmal mehr etwas mitbekommt?
QUOTE
- externe Kommissionen Entscheidungsgrundlagen erarbeiten, über die das Parlament unter Druckanwendung nur noch abstimmen darf?

Besonders die Entscheidungen, die europaweit getroffen werden, sind für den einzelnen Bürger kaum noch nachvollziehbar und fremd- nicht nur durch die Entfernung, sondern durch eine informationslose Berichterstattung der Massen-Medien. Die Tragweite der Entscheidungen wird dadurch verkannt- es zeigen sich bei Europawahlen wohl die niedrigsten Beteiligungen. Die Frage ist für mich daher- welche Gründe liegen vor, dass man diesen Eindruck von der Harmlosigkeit der europäischen Entscheidungsgewalt vermitteln will? Vielleicht, weil sich die Bevölkerung ansonsten aufgrund mangelnder Mitentscheidungsgewalt „verkauft“ vorkommen würde?
Problematisch sehe ich die europäischen Richtlinien auch was die Propositionalität von Finanzen und Mitspracherecht angeht. Zumindest stellt es sich für mich seltsam dar, dass Deutschland was die Sitze im Parlament im Vergleich zu allgemeinen Bevölkerungsdichte angeht unterbesetzt ist, aber gleichzeitig mit Frankreich wohl die höchste finanzielle Verantwortung für das „Projekt Europa“ (so wird es jedenfalls verharmlosend dargestellt) tragen soll- und dann einen blauen Brief bekommt... Nun ja- interessant ist es (um ein wenig abzuschweifen), dass Schröder sich inzwischen auf repräsentative Auslandsbesuche mit Mediencharakter verlegt und die Innenpolitik stillschweigend beiseite legen wollte. Auch wenn er sich durch Hartz- Diskussionen inzwischen veranlasst sieht, wieder „volksnaher“ zu werden.

QUOTE
- die öffentlich Meinungsbildung von populistisch gefärbten Medien geprägt wird, die Widersprüche verdecken und Alternativen kaum mehr herauszustellen vermögen?

Eben durch eine mangelhafte Aufklärung sehe ich auch die Chancenlosigkeit von Volksabstimmungen und partizipierende nDemokratie. Gerade der vermittelte Eindruck von fehlenden Alternativen zeigt, inwieweit Medien beeinflusst sind. Kritische Berichterstattung gibt es kaum noch, aber die Medien werden zunehmend politisiert. Dadurch wäre es den Verantwortlichen meiner Einschätzung nach ziemlich einfach (durch Beeinflussen von Informationen), eine gewisse Stimmung oder Meinung heraufzubeschwören und die Verantwortung für Folgen von Entscheidungen an die Menschen abzugeben- nach dem Motto „Ihr hab es ja so gewollt“.
Nun- wenn ich ehrlich bin, denke ich nicht, dass Demokratie in ihrem jetzigen Zustand noch lange funktionieren kann. Da sich die Welt in der letzten Zeit unglaublich verändert hat und nun eben wie gesagt in Europa bereits die Entscheidungsgewalt liegt- was könnte man reformieren? (Denn das jetzige Konzept wird sich innerhalb dieser Entwicklung nicht unbedingt weiter so halten können:) Nun- das Problem ist, dass die jetzige Entwicklung nicht einfach „rückgängig“ gemacht werden kann. Die europäischen Mechanismen halte ich für zu schnell entwickelt im Vergleich zur einzelnen nationalen Politik- man hätte erst einen und nicht gleich zwei Schritte gehen sollen.
Vielleicht liegt aber die Orientierungslosigkeit und Ohnmachtsituation der Bürger auch daran, dass es die Politiker selbst inzwischen sind?
Mehr Partizipation halte ich für notwendig- aber momentan sind die Vorraussetzungen innerhalb der Gesetzgebung nicht gegeben- es müsste m. M. eine Überarbeitung des Grundgesetzes stattfinden, um eventuelle Komplikationen hinsichtlich demokratisch „feindlicher“ politischer Strömungen und Lobbyinteressen zu vermeiden. Und das wiederum halte ich in der momentanen Situation aufgrund ihres undurchsichtigen Charakters für heikel und ungut. Oder was denkt ihr?

Enmtschuldigt die konfusen Gedanken, aber ehe ich die geordnet habe, findet Frau Merkel eine anständige Frisur.
Aber Laura- mich würden deine geordneten Gedanken sehr interessieren. smile.gif

Geschrieben von: Gilgamesch.Minerva-ath am 02.Sep.2004 - 18:09

QUOTE (Laura @ 02.Sep.2004 - 17:06)
Dass die Grünen im Laufe der Zeit zusehenst einen pragmatischen Kurs eingeschlagen haben, bedeutet nicht unbedingt, dass sie all ihre Ideale verraten haben, sondern dass sich diejenigen Akteure durchsetzten, die diese Praxis in der Politik als erfolgreiche Möglichkeit betrachten, ihre Vorstellungen umzusetzen (ein kleiner aber feiner Unterschied z. B. zur SPD).

Nun- ich wünschte, ich könnte dies so sehen- aber sie haben einem Kriegeinsatz zugestimmt, um nicht ihre Regierungsposition zu verlieren!!! Es gibt Grundsärtze, die so stark an der Basis liegen, dass eine Übertretung Verrat und nicht mehr Verlagerung der Interessen ist. Das hat nichts mit arrangieren in der Situation für die Umsetzung anderer Ideen mehr zu tun. Das war Verrat. Sorry- aber an so einem Punkt kann ich nicht realtivieren.

Geschrieben von: Laura am 02.Sep.2004 - 18:32

QUOTE (Gilgamesch.Minerva-ath @ 02.Sep.2004 - 19:09)
QUOTE (Laura @ 02.Sep.2004 - 17:06)
Dass die Grünen im Laufe der Zeit zusehenst einen pragmatischen Kurs eingeschlagen haben, bedeutet nicht unbedingt, dass sie all ihre Ideale verraten haben, sondern dass sich diejenigen Akteure durchsetzten, die diese Praxis in der Politik als erfolgreiche Möglichkeit betrachten, ihre Vorstellungen umzusetzen (ein kleiner aber feiner Unterschied z. B. zur SPD).

Nun- ich wünschte, ich könnte dies so sehen- aber sie haben einem Kriegeinsatz zugestimmt, um nicht ihre Regierungsposition zu verlieren!!! Es gibt Grundsärtze, die so stark an der Basis liegen, dass eine Übertretung Verrat und nicht mehr Verlagerung der Interessen ist. Das hat nichts mit arrangieren in der Situation für die Umsetzung anderer Ideen mehr zu tun. Das war Verrat. Sorry- aber an so einem Punkt kann ich nicht realtivieren.

Ich denke, man kann es so sehen (das meinte ich übrigens mit ernste Fehlentscheidung), muss es aber nicht unbedingt.
Wenn es zukünftig um die Mitwirkung an weltweiten Militärintenventionen geht (in der EU-Verfassung ist dies ja im Gegensatz zur deutschen Verfassung nicht ohne Grund explizit vorgesehen), kann man wohl besser beurteilen, ob die Grünen Krieg als ein Mittel der Politik betrachten; wie stets ist dies neben äußerst fragwürdigen humanitären Erwägungen rein eine Frage der 'Definition von Verteidigung von Lebensgrundlagen'.

QUOTE (minerva)
Nun- wenn ich ehrlich bin, denke ich nicht, dass Demokratie in ihrem jetzigen Zustand noch lange funktionieren kann

Was heißt schon lange? Das tausendjährige Reich hielt g'rade mal ein paar - allerdings schreckliche - Jährchen, der Grundgedanke der Demokratie existiert aber schon über 2000 Jahre. wink.gif

QUOTE (minerva)
Eben durch eine mangelhafte Aufklärung sehe ich auch die Chancenlosigkeit von Volksabstimmungen und partizipierende nDemokratie

Man kann Teile der Direktdemokratie wie Volksentscheide als partizipatorisch begreifen, aber ich meine damit eher etwas anderes (was genau, weiß ich selber nicht so recht). Politische Fragen würden dann nicht unmittelbar durch Volksabstimmung entschieden werden, sondern durch Teilhaben an politischen Prozessen gelöst werden. Dies trägt einfach dem Umstand Rechnung, dass die Politik bereits massiv in's Privatleben hineinragt (auch wenn das nicht stets bewußt wird). Demokratie wäre in diesem Sinne weniger eine Staatsform als eine Lebensweise einer Gesellschaft.

Ich will mit solchen Überlegungen primär aufzeigen, wie ich die Probleme unserer Zivilgesellschaft wahrnehme.

Geschrieben von: Laura am 02.Sep.2004 - 19:48

QUOTE (blue_moon)
organisationen wie attac oder greenpeace, im weiteren sinne z.b. auch amnesty oder terre des femmes, haben sich auf die fahne geschrieben, infos zu streuen und widerstand zu leisten. hier könnte frau sich selbst beteiligen (oder auch spenden). einen direkten einfluss auf die politik gibt's dafür nicht, wohl aber eine grösser werdende lobby, in zeiten, in denen lobby-einflüsse immer wichtiger werden.

Ich wäre vorsichtig, NGO's als eine weitere gesellschaftliche Lobby aufzufassen, deren Ziel es ist, auf Entscheidungen von Parlament und Regierung Einfluss zu nehmen. Wahrscheinlich gibt es einige Menschen, die ihre Mitarbeit so verstehen, gerade im ursprünglichen Verbandswesen.
Doch nicht wenige dieser Organisationen suchen in erster Linie jenseits dieser Interessen gesteuerten Ebene nach Möglichkeiten, eigene Vorstellungen zu entwickeln und diese in Projekten umzusetzen. Dabei spielen insbesondere das Erarbeiten von Informationsmaterial, die Analysen und deren Multiplikation eine entscheidende Rolle, hinsichtlich derer sie sich auch von der Parteienlandschaft und den mainstream-medien deutlich unterscheiden.
Man könnte sie daher auch als eine moderne Form zivilisatorischer Verweigerung ansehen, in denen sich nicht nur Menschen wiederfinden, die sich dem vorherrschendem Denken der Leistungseliten entziehen, sondern für sie relevante Werte und Inhalte, die keine entsprechende Würdigung mehr erfahren, neu beleben wollen. Nicht umsonst sind viele von ihnen bereits international ausgerichtet.

Geschrieben von: Gilgamesch.Minerva-ath am 04.Sep.2004 - 23:37

QUOTE (Laura @ 02.Sep.2004 - 18:32)
Was heißt schon lange? Das tausendjährige Reich hielt g'rade mal ein paar - allerdings schreckliche - Jährchen, der Grundgedanke der Demokratie existiert aber schon über 2000 Jahre.  wink.gif

Die Frage ist- inwieweit man Demokratie versteht. Die Idee kann sicherlich nie ganz umgesetzt werden.

Abgesehen davon ist für mich gerade die Frage interessanter, inwieweit die Entwicklung von Gesellschaft und Kultur in dieser Hinsicht zu verstehen ist. Heißt- ab einem gewissen Zusammenschluß von Menschen ergeben sich Regeln und eine Aufgabenverteilung etc. Also ist Hierarchisierung vom natürlichen Standpunkt aus eine logische Folge aufgrund von Revier- Nahrungs- Sexualpartner- u.a. Konkurrenz. Der Mensch (und auch die anderen Tiere) steht also immer im Spannungsfeld sozialer Gemeinschaft (aufgrund deren Vorteile er sich für einen Zusammenhalt einsetzt) und eigener Bedürfnisse, die Konkurrenzfälle auslösen (können). Inwieweit sich daher Arten des Zusammenhalts auf regulierender-oragnisatorischer Ebene entwickelt konnten finde ich umso interessanter. Demokratie als eine Domestikation des Menschen? Nun- zumindest ist verglichen mit Naturzuständen das Prinzip des Alleinoberhauptes öfters vertreten. Ich frage mich nun- ist es für Menschen nicht sogar unmöglich die Idee einer Demokratie ganz umzusetzen? Jegliche Idee eines sozialen, gleichheitlichen Systems ist in einer Diktatur mit einem Herrschaftsystem ähnlich absolutistischer Zustände untergegangen. Ist Demokratie- und Gleichberechtigung (nicht Gleichheit!) der Menschen untereinander überhaupt möglich?

Geschrieben von: Artemis am 05.Sep.2004 - 10:02

QUOTE (Gilgamesch.Minerva-ath @ 04.Sep.2004 - 23:37)
Ich frage mich nun- ist es für Menschen nicht sogar unmöglich die Idee einer Demokratie ganz umzusetzen? Jegliche Idee eines sozialen, gleichheitlichen Systems ist in einer Diktatur mit einem Herrschaftsystem ähnlich absolutistischer Zustände untergegangen. Ist Demokratie- und Gleichberechtigung (nicht Gleichheit!) der Menschen untereinander überhaupt möglich?

Nur die Idee eines in jeder Hinsicht egalitären Systems ist gescheitert bzw. verzerrt worden. Vielleicht bestand der Fehler darin, die Gleichberechtigung auf alle gesellschaftlichen und sozialen Ebenen übertragen zu wollen - ohne Berücksichtigung der unzähligen faktischen Unterschiede zwischen Menschen?

Demokratie heißt ja im Wortsinn zunächst mal nicht mehr als Gleichheit aller vor dem Gesetz - politische Gleichberechtigung, Gewaltenteilung usw. Nicht umsonst haben sich die demokratischen Systeme jenseits des allgemeinen Wahlrechts vor allem im Wirtschafts- und Sozialbereich ausdifferenziert - sogar innerhalb Deutschland werden hier immer mal wieder andere Schwerpunkte gesetzt, schon zwischen "freier" und "sozialer" Marktwirtschaft liegen Welten.

Insofern, finde ich, ist Demokratie selbstverständlich umgesetzt. Inzwischen würde ich die Frage aber anders stellen: nämlich, ob Demokratie nach heutigem Verständnis angesichts der rasant zunehmenden Bedeutung und der rasant zunehmenden Probleme der Wirtschaft überhaupt noch die zentrale Kategorie darstellen kann, an der ein erfolgreiches Gemeinwesen zu messen ist, oder ob sie nicht zumindest ergänzungsbedürftig ist.


Geschrieben von: heaven am 05.Sep.2004 - 10:04

zu ergänzen mit was, in welcher hinsicht?

Geschrieben von: Artemis am 05.Sep.2004 - 10:23

QUOTE (heaven @ 05.Sep.2004 - 10:04)
zu ergänzen mit was, in welcher hinsicht?

Keine Ahnung - so viel politisches Verständnis habe ich nicht, dass ich dazu etwas Aussagefähiges vorschlagen könnte. Mir fallen nur immer wieder Bereiche auf oder ein (ohne Anspruch auf Vollständigkeit: Wirtschaftsförderung, innere Sicherheit), in denen meines Erachtens eine aktive Steuerung dringend notwendig wäre und das manchmal sehr schnell. Und alle demokratischen Entscheidungen haben den Nachteil, dass sie unendlich lange dauern.

Also denke ich, brauchten wir ergänzende Verfahren, um diesen Nachteil wett zu machen. Das genaue Gegenteil von Volksentscheiden. Solche schnellen Steuerungsmöglichkeiten wiederum werden undemokratische Finsterlinge anlocken wie die Schmeißfliegen und dann haben wir vielleicht ein neues Problem. Aber die demokratische Schwerfälligkeit (oder Entscheidungsscheu), die dazu führt, dass jede weiter gehende Reform von den ersten Ideen bis zur konkreten Umsetzung zehn Jahre und mehr dauert, finde ich mittlerweile unerträglich.


Geschrieben von: heaven am 05.Sep.2004 - 10:28

den letzten satz - ergänzt um parteipolitisches und machtpolitisches selbstverständnis unserer gewählten (und somit legitimierten) volksvertreter - unterschreibe ich.

Geschrieben von: Artemis am 05.Sep.2004 - 10:34

QUOTE (heaven @ 05.Sep.2004 - 10:28)
den letzten satz - ergänzt um parteipolitisches und machtpolitisches selbstverständnis unserer gewählten (und somit legitimierten) volksvertreter - unterschreibe ich.

Tja, neue Politiker/innen braucht das Land - aber woher nehmen und nicht stehlen? Das andere Ende der Skala, die pseudo-basisdemokratischen Idealisten, möchte ich auch nicht in wichtigen Positionen sehen.

Das ist, um die Ecke gedacht, eine weitere Überlegung: Wie müsste ein System strukturiert sein, damit sich Frauen und Männer von anderem Format als momentan für die Tätigkeit als Volksvertreter/innen interessieren?


Geschrieben von: heaven am 05.Sep.2004 - 10:36

schwierig... auch hochdotierte bezahlung wie die eines managers hilft nicht wirklich, wenn ich so an die negativen auswüchse des shareholder-values denke.

Geschrieben von: Laura am 05.Sep.2004 - 13:06

QUOTE (Artemis)
Nur die Idee eines in jeder Hinsicht egalitären Systems ist gescheitert bzw. verzerrt worden. Vielleicht bestand der Fehler darin, die Gleichberechtigung auf alle gesellschaftlichen und sozialen Ebenen übertragen zu wollen - ohne Berücksichtigung der unzähligen faktischen Unterschiede zwischen Menschen?

Die Idee betrachte ich nicht als gescheidert, denn die grundlegenden Inhalte werden in der Ideengeschichte periodisch immer wieder zurückkehren und sich gemäß veränderter Weltbilder und Voraussetzungen, also im weitesten Sinne der Spannungsfelder, im neuen Gewand zeigen.
Auch denke ich nicht, dass das Bestreben bestand, die Gleichberechtigung auf alle gesellschaftlichen Bereiche übertragen zu wollen – so wurde sie z.B. im Gegensatz zum Kommunalwesen innerhalb eines Unternehmens nicht angesteuert.
Doch für weit entscheidender erachte ich, dass Demokratie nicht die Unterschiede zwischen Menschen nivilieren möchte, ganz im Gegenteil, und in diesem Kontext zeugt eben gerade die Gleichberechtigung von einem gesellschaftlichen Bewußsein, wie mit diesen Unterschieden umgegangen wird.
Solange es erkennbar um eigene Forderungen geht, wird ja auch die Ausweitung der Gleichberechtigung angestrebt, aber in einem demokratischem Gemeinwesen drückt sich eben die soziale Kompetenz darin aus, dass die Interessen weniger nicht Grundlage und Maßstab von Entscheidungen sein darf, die viele nachhaltig betreffen.

QUOTE (Artemis)
Demokratie heißt ja im Wortsinn zunächst mal nicht mehr als Gleichheit aller vor dem Gesetz - politische Gleichberechtigung, Gewaltenteilung usw.

Das sehe ich nicht so: Demokratie bedeutet für mich, dass die Gestaltung und Steuerung einer Gesellschaft von dem Willen und den Bedürfnissen seiner Bürger heraus abgeleitet wird. Die Gleichheit vor dem Gesetzt ist sowohl ein Ausdruck dieser Überzeugung als auch eine notwendige Voraussetzung dafür, sie allein sagt jedoch nichts darüber aus, wie die Regelwerke zustande gekommen sind und somit auch nichts über das Wesen und die Schwerpunkte ihrer Inhalte.

QUOTE (Artemis)
Wie müsste ein System strukturiert sein, damit sich Frauen und Männer von anderem Format als momentan für die Tätigkeit als Volksvertreter/innen interessieren?

Eine sehr gute Frage, denn die VolksvertreterInnen stammen ja aus dem Volke und ihre Eigenschaften und Fähigkeiten werden somit von denselben Strukturen beeinflusst wie die der Menschen, die vertreten werden sollen.
Also fang ich einfach mal in's Blaue hinein an... das System sollte so strukturiert sein, dass die Prinzipen von Transparenz und Verantwortung weit besser erfüllt werden: wer entscheidet muss offenlegen, nicht nur welche, sondern wie Entscheidungen zustande kommen, und er oder sie muss dafür persönlich gerade stehen, nicht nur innerhalb der Partei (Funktion und Wahllisten), sondern gegenüber den Bürgern und Bürgerinnen, die er oder sie zu vertreten glaubt, vor ihnen muss das entgegen gebrachte Vertrauen gerechtfertigt werden.

Nachtrag:
QUOTE (minerva)
Also ist Hierarchisierung vom natürlichen Standpunkt aus eine logische Folge aufgrund von Revier- Nahrungs- Sexualpartner- u.a. Konkurrenz

Bei Gelegenheit solltest du dies mal näher ausführen - dahinter könnte sich nämlich ein ontologischer Zirkelschluss verbergen. wink.gif

Edit: menno, es ist immer wieder schwer, geschlechtsneutral zu posten

Geschrieben von: heaven am 05.Sep.2004 - 13:17

QUOTE
Das sehe ich nicht so: Demokratie bedeutet für mich, dass die Gestaltung und Steuerung einer Gesellschaft von dem Willen und den Bedürfnissen seiner Bürger heraus abgeleitet wird.

einspruch. ich stimme artemis' definition eher zu als dieser. 10 menschen haben 20 unterschiedliche willen und bedürfnisse. 86 millionen haben wieviele unterschiedliche willen und bedürfnisse?
und wonach willst du entscheiden, welcher wille, welches bedürfnis nun befriedigt wird? mehrheitsentscheid? nicht unbedingt das beste in einem kranken system mit z.b. einer mehrheit an rentenängstlichen oder arbeitslosen oder um ihren arbeitsplatz fürchtenden...

Geschrieben von: Artemis am 05.Sep.2004 - 13:24

QUOTE (Laura @ 05.Sep.2004 - 13:06)
in einem demokratischem Gemeinwesen drückt sich eben die soziale Kompetenz darin aus, dass die Interessen weniger nicht Grundlage und Maßstab von Entscheidungen sein darf, die viele nachhaltig betreffen.

Das bestreite ich so generell ganz entschieden. Das ist oft keine soziale Kompetenz, sondern nur ein anderes Partikularinteresse.

Dann würdest du ja davon ausgehen, dass die Interessen der wenigen den Interessen der vielen in jedem Falle entgegenstehen?

Genau das sehe ich nicht so. Im Moment z.B. ist oft die Standortwahl großer Unternehmen Thema. Wenn es nach den Ansichten/vermeintlichen Interessen der Mehrheit ginge, würde noch der unrentableste Standort um jeden Preis gehalten - so lange, bis er pleite ist. Wessen Interessen dient das denn? Ein Jahr später haben sowohl die Aktionäre als auch die Belegschaft verloren - und das Geld, von dem Investitionen hätten getätigt werden können, wurde für die Subventionierung unrentabler Arbeitsplätze ausgegeben. Eine Standortverlagerung hätte zumindest einen Teil dieser Arbeitsplätze erhalten.

Die Definition der Interessen der vielen ist äußerst schwierig, wenn nicht sogar unmöglich und daran wird auch das Dilemma mit dem Entscheidungsrahmen deutlich. Welche Kriterien für die Interessen der Mehrheit sollen gelten? Die Interessen eines Ortes, der den Standort erhält? Des Bundeslandes? Der Bundesrepublik? Oder die Interessen der Bürger/innen Europas? Warum nicht gleich global? Damit kommen wir in Erklärungsnotstand gegenüber dem "kleinen Bürger" in dem Ort, der gerade die Standortwahl verloren hat.

QUOTE
Auch denke ich nicht, dass das Bestreben bestand, die Gleichberechtigung auf alle gesellschaftlichen Bereiche übertragen zu wollen – so wurde sie z.B. im Gegensatz zum Kommunalwesen innerhalb eines Unternehmens nicht angesteuert.

Das finde ich auch ganz in Ordnung so. Unternehmensentscheidungen in demokratische Entscheidungsprozesse einbeziehen zu wollen, wäre IMO unsinnig. Frag doch mal die VW-Belegschaft, was sie bezüglich des momentanen Absatzeinbruchs und des Rausschmisses aus dem europäischen Index zu tun gedächten. Schwer vorstellbar, dass sie irgendetwas beschließen würden, was sie auch nur einen Euro Lohn kostet.


Geschrieben von: Laura am 05.Sep.2004 - 13:48

QUOTE (heaven @ 05.Sep.2004 - 14:17)
QUOTE
Das sehe ich nicht so: Demokratie bedeutet für mich, dass die Gestaltung und Steuerung einer Gesellschaft von dem Willen und den Bedürfnissen seiner Bürger heraus abgeleitet wird.

einspruch. ich stimme artemis' definition eher zu als dieser. 10 menschen haben 20 unterschiedliche willen und bedürfnisse. 86 millionen haben wieviele unterschiedliche willen und bedürfnisse?
und wonach willst du entscheiden, welcher wille, welches bedürfnis nun befriedigt wird? mehrheitsentscheid? nicht unbedingt das beste in einem kranken system mit z.b. einer mehrheit an rentenängstlichen oder arbeitslosen oder um ihren arbeitsplatz fürchtenden...

Damit habe ich fast gerechnet, offen gestanden schon weit früher.
Es hängt maßgeblich davon ab, was unter Wille und v.a. Bedürfnisse verstanden wird, ob man ein solches Tohouwabohou wahrnimmt oder nicht.
Ein konkretes Beispiel: Menschen können unterschiedliche Berufe ergreifen, in dieser Hinsicht werden sie sich je nach Neigung und Talent auf jeden Fall unterscheiden und zwar teilweise extrem. Aber das Bedürfnis, den Beruf und damit die vorangehende Ausbildung frei wählen zu können, ja überhaupt die unterschiedlichen Möglichkeiten zu erkennen, ist (oder war) hierzulande ein gesellschaftlicher Konsens mit hohem Stellenwert.
Mehrheitsentscheide? Dies ist nunmal die Grundlage der repräsentativen Demokratie. Es ist weniger die Frage, wer entscheiden soll, welche Bedürfnisse als zentral erkannt werden, sondern wie dies entschieden wird.

Geschrieben von: Artemis am 05.Sep.2004 - 14:18

QUOTE (Laura @ 05.Sep.2004 - 13:48)
Mehrheitsentscheide? Dies ist nunmal die Grundlage der repräsentativen Demokratie. Es ist weniger die Frage, wer entscheiden soll, welche Bedürfnisse als zentral erkannt werden, sondern wie dies entschieden wird.

Vor allem aber doch, über was entschieden wird. Was die politische Sphäre ausmacht, unter Gemeinwesen fällt oder fallen sollte, was unter Solidargemeinschaft fällt oder fallen sollte, was alle etwas angeht - und andererseits die Dinge, die zwar gesellschaftliche Relevanz haben, aber Privatsache sind.

Die Frage, wie dies entschieden wird, ist ja von dem "wer" nicht zu trennen. Jedenfalls in allen größeren und unüberschaubareren (oder undurchschaubaren) Gemeinwesen.


Geschrieben von: Laura am 05.Sep.2004 - 14:24

QUOTE (Artemis)
Dann würdest du ja davon ausgehen, dass die Interessen der wenigen den Interessen der vielen in jedem Falle entgegenstehen?

Nein keineswegs, nur in denjenigen Situationen, wo dies der Fall ist, müssen sich Volksvertreter untereinander ihrer Gesamtverantwortung bewußt und ihr gerecht werden.

QUOTE (Artemis)
Im Moment z.B. ist oft die Standortwahl großer Unternehmen Thema. Wenn es nach den Ansichten/vermeintlichen Interessen der Mehrheit ginge, würde noch der unrentableste Standort um jeden Preis gehalten - so lange, bis er pleite ist. Wessen Interessen dient das denn? Ein Jahr später haben sowohl die Aktionäre als auch die Belegschaft verloren...

Mal angenommen, ich würde deine wirtschaftspolitische Einschätzung teilen und diese in die Ebene unabwendbarer Entwicklungen heben, dann ginge ich mit dir konform.

QUOTE (Artemis)
Die Definition der Interessen der vielen ist äußerst schwierig, wenn nicht sogar unmöglich und daran wird auch das Dilemma mit dem Entscheidungsrahmen deutlich. Welche Kriterien für die Interessen der Mehrheit sollen gelten? Die Interessen eines Ortes, der den Standort erhält? Des Bundeslandes? Der Bundesrepublik? Oder die Interessen der Bürger/innen Europas? Warum nicht gleich global? Damit kommen wir in Erklärungsnotstand gegenüber dem "kleinen Bürger" in dem Ort, der gerade die Standortwahl verloren hat.

Wir können es drehen und wenden, wie wir wollen, doch die Entscheidungen werden dennoch getroffen und dabei werden Interessen in den Vordergrund gerückt. Die Frage ist doch, warum dieses Procedere an Konsensfähigkeit verliert?

QUOTE (Artemis)
Unternehmensentscheidungen in demokratische Entscheidungsprozesse einbeziehen zu wollen, wäre IMO unsinnig. Frag doch mal die VW-Belegschaft, was sie bezüglich des momentanen Absatzeinbruchs und des Rausschmisses aus dem europäischen Index zu tun gedächten. Schwer vorstellbar, dass sie irgendetwas beschließen würden, was sie auch nur einen Euro Lohn kostet.

Ich befürchte langsam, wir reden an einander vorbei. Es geht doch nicht darum, sich gegenseitig Kompetenzen abzusprechen (wobei die fachliche Eignung von Unternehmensführern eh auf 'nen ganz anderen Blatt stehen; Wirtschaft ist im hohen Maße Psychologie).
Wenn man dies aus der Sichtweise von unüberwindbaren Interessengegensätzen angeht (sich also innerhalb institutioneller Rahmenbedingungen bewegt), wird man Schwierigkeiten dieser Art nur über die Machtfrage klären wollen und es schließlich auch tun. Gerade die nachdenklichen Geister (auf allen Seiten) überkommt deswegen schon oft genug die Verzweiflung.

Nachtrag:
QUOTE
Die Frage, wie dies entschieden wird, ist ja von dem "wer" nicht zu trennen. Jedenfalls in allen größeren und unüberschaubareren (oder undurchschaubaren) Gemeinwesen

Natürlich nicht. Ich könnte es auch so formulieren: wie festgelegt ist, wer worüber entscheiden darf, das ist der strittige Punkt. Man schaue sich z.B. die Konstitutionierung der EU an, da wird dies einmal mehr deutlich, weil eben gerade Entscheidungsträger ganz genau wissen, wie solche Prozesse ablaufen.

Geschrieben von: Artemis am 05.Sep.2004 - 14:59

QUOTE (Laura @ 05.Sep.2004 - 14:24)
Wir können es drehen und wenden, wie wir wollen, doch die Entscheidungen werden dennoch getroffen und dabei werden Interessen in den Vordergrund gerückt. Die Frage ist doch, warum dieses Procedere an Konsensfähigkeit verliert?

Was meinst du, warum es an Konsensfähigkeit verliert?

QUOTE
Wenn man dies aus der Sichtweise von unüberwindbaren Interessengegensätzen angeht (sich also innerhalb institutioneller Rahmenbedingungen bewegt), wird man Schwierigkeiten dieser Art nur über die Machtfrage klären wollen und es schließlich auch tun. Gerade die nachdenklichen Geister (auf allen Seiten) überkommt deswegen schon oft genug die Verzweiflung.

Gegenfrage: Wurde es denn je anders geklärt? Der einzige Unterschied ist IMO, dass heute der Legitimationsdruck gewachsen ist - eine Folge der allgemein-gesellschaftlichen Demokratisierung. Und dass daher die Machtfrage offensichtlicher geworden ist und weniger verschleiert werden kann.

QUOTE
Nachtrag:
QUOTE
Die Frage, wie dies entschieden wird, ist ja von dem "wer" nicht zu trennen. Jedenfalls in allen größeren und unüberschaubareren (oder undurchschaubaren) Gemeinwesen

Natürlich nicht. Ich könnte es auch so formulieren: wie festgelegt ist, wer worüber entscheiden darf, das ist der strittige Punkt. Man schaue sich z.B. die Konstitutionierung der EU an, da wird dies einmal mehr deutlich, weil eben gerade Entscheidungsträger ganz genau wissen, wie solche Prozesse ablaufen.


Je größer der Bezugsrahmen, desto undurchschaubarer werden diese Prozesse für die, die nicht im Auge des Sturms sitzen. Und damit werden sie pseudo-demokratisch. Ich bin sicher, dass die EU formaldemokratischen Anspüchen genügt - aber darüber hinaus? Und vor allem warum? Da fühle ich mich dann mal wie die "kleine Bürgerin" - und kann nur schwer einsehen, dass irgendwelche italienischen oder polnischen Abgeordneten entscheiden dürfen, unsere Tierschutzbestimmungen oder unsere Frauengleichstellungspraxis auszuhebeln oder die Änderung unseres Kündigungsschutzes zu blockieren.

Manchmal denke ich - sicher auch nur aus dem zuweilen übergroßen Bedürfnis nach Vereinfachung heraus - Demokratie ist nur etwas für relativ überschaubare soziale Gemeinschaften und Partizipationssysteme. Eine "polis" eben. Alles darüber hinaus wird eine Gleichung mit 777 Unbekannten. unsure.gif

Geschrieben von: Gilgamesch.Minerva-ath am 05.Sep.2004 - 16:18

QUOTE
Laura
Nachtrag:
QUOTE
QUOTE (minerva)
Also ist Hierarchisierung vom natürlichen Standpunkt aus eine logische Folge aufgrund von Revier- Nahrungs- Sexualpartner- u.a. Konkurrenz

Bei Gelegenheit solltest du dies mal näher ausführen - dahinter könnte sich nämlich ein ontologischer Zirkelschluss verbergen.

Ich weiß gerade nicht, was daran ich dir no´cheinmal genau erklären soll? Die viel-und vor allem falsch verwendete Parole "Kampf umd Dasein"? Das eine natürliche Konkurrenzsituation gegeben ist, steht aufgrund von begrenzten Gütern und Güterverteilung doch außer Frage- und das über Positionierungen (die eben daraus folgen) eine hierarchische Struktur eintritt... vielleicht solltest du deinen Zirkelschlußgedanken näher erklären, damit ich weiß wohin du willst. smile.gif

QUOTE
Laura
QUOTE
QUOTE (Artemis)
Nur die Idee eines in jeder Hinsicht egalitären Systems ist gescheitert bzw. verzerrt worden. Vielleicht bestand der Fehler darin, die Gleichberechtigung auf alle gesellschaftlichen und sozialen Ebenen übertragen zu wollen - ohne Berücksichtigung der unzähligen faktischen Unterschiede zwischen Menschen
Die Idee betrachte ich nicht als gescheidert, denn die grundlegenden Inhalte werden in der Ideengeschichte periodisch immer wieder zurückkehren und sich gemäß veränderter Weltbilder und Voraussetzungen, also im weitesten Sinne der Spannungsfelder, im neuen Gewand zeigen.

Hm- eine Idee kann an sich auch nicht scheitern- aber die Versuche von praktischen Umsetzugen. Und da sehe ich keine Möglichkeit die Idee komplett umzusetzen. Artemis Einwand finde ich daher sehr gut- es wird einfach zu oft vergessen, dass Menschen trotz vieler Basiseigenschaften eben dennoch nicht gleich sind. Behauptet man dies oder versucht es zu erzwingen, dann würde man eine noch größere Ungleichheit und Ungerechtigkeit erzwingen. Aber was demokratische Systeme angeht, sprach ich auch von Gleichberechtigung. Und die wird eben leider zu oft mit Gleichheit verwechselt. Aber auch bei der Gleichberechtigung stellen sich Probleme- eben aufgrund der Verschiedenheit menschlicher Sichtweisen. Um Entscheidungen zu fällen, braucht man eine Richtschnur- und wer legt die fest? In unserem Falle eine "Mehrheit" (sagt man jedenfalls- was sich hinter diesem anonymisierenden Wort verbirgt und inwieweit es zutrifft, sei mal daingestellt). In anderen Fällen auch oft eine Minderheit. In beiden Fällen kann man jedoch die Richtigkeit des Konsens bezweifeln. Das zeigt allein schon die Geschichte. Gleichberechtigung kann nur eine Idee bleiben- wenn man weiterhin die Konsequenzen und die Verantwortung, die sich birgt scheut. Und dies findet gerade m.M. in "der Gesellschaft" statt, schließlich hört man von "...man konnte/ kann ja gar nicht anders handeln..." oder "...wenn die Umstände nur anders wären..." Warum? Schließlich ist die Situation nicht einfach so" passiert. In der Vergangenheit wurden Entscheidungen geroffen- und nun muß man auf den Folgen diesert Basis arbeiten und sich nicht in Asflüchte und gegenseitige Vorwürfe flüchten. Gleichberechtigung funktuioniert nur bei Erkennen, und Handeln, bzw. Umgehen mit Verwantwortung.

QUOTE
Artemis
Was meinst du, warum es an Konsensfähigkeit verliert?

Wenn ich die Frage höre, stellt sich mir die Überlegung, wie es dazu kommen kann. Denn dahinter verbirgt sich m.M. auch die Grundlage der Ursachen.
Hm- Laura hatte die mangelnde Transparenz angesprochen. Dabei werden zwar meistens politische Prozesse und Entscheidungsfidnungen auf parlamentarischer Ebene verbunden, aber man könnte dies erweitern. Wer inwieweit über was entscheidet... Eben da liegt für mich auch ein wenig der Knackpunkt. Wer fällt und beeinflusst in der heutigen Zeit denn Entscheidungen- wer die umsetzt, ist erkennbar- aber nicht, wo sie inzwischen gebildet werden.
Viele sagen "die Wirtschaft". Aber was bedeutet dies? Eine weitere Problematisierung ist die zunehmende Abstraktion und Entpersonalisierung (in sehr vielen Bereichen)- wodurch eben Hintergründe und Prozesse noch verschleierter wirken. Die Konsensfähigkeit veringert sich auch m.E. durch das mangelnde Verantwortungsbewusstsein (bzw. dieses annehmen wollen)- wie ich bereits oben geschrieben habe.

Geschrieben von: Artemis am 05.Sep.2004 - 18:43

Und ein weiteres Problem der demokratischen Legitimierung wird immer deutlicher: die stetig sinkende Wahlbeteiligung. Heute waren es bei den Landtagswahlen im Saarland unter 60 Prozent.

Damit wird irgendwann sogar die Definition von Mehrheitswille oder Mehrheitsentscheidung ausgehöhlt.

Und dann demnächst Eier und Steine? blink.gif


Geschrieben von: Gilgamesch.Minerva-ath am 05.Sep.2004 - 18:53

QUOTE (Artemis @ 05.Sep.2004 - 18:43)
Und dann demnächst Eier und Steine? blink.gif

... wir haben die Tomaten vergessen... ph34r.gif

Das Problem hatte ich auch versucht in der Hartz IV Diskussion anzusprechen- es herrscht zur Zeit eine unpolitische Grausuppe- mal abgesehen von den Parteien sieht man auch in der Bevölkerung einen Unwillen zur Handlung. Beide Seiten schieben die Verantwortung von sich ab. Die Menschen vergessen leider allzu oft, dass man um demokratsiche Rechte eben doch immer wieder kämpfen muß.

Geschrieben von: Laura am 05.Sep.2004 - 21:25

QUOTE (Artemis)
Manchmal denke ich – sicher auch nur aus dem zuweilen übergroßen Bedürfnis nach Vereinfachung heraus - Demokratie ist nur etwas für relativ überschaubare soziale Gemeinschaften und Partizipationssysteme. Eine "polis" eben. Alles darüber hinaus wird eine Gleichung mit 777 Unbekannten.

Diese beinahe nebenläufige Anmerkung halte ich für außerordentlich interessant, denn mit dieser und den anhängigen Fragen schlage ich mich schon seit langem herum – bislang faktisch ergebnislos.

Wenn es nur alleine um den Ausbau direkter oder die Erweiterung repräsentativer demokratischer Elemente gehen würde, befürchte ich, dass dies nicht zu einer höheren Konsensbildung beitragen würde.
Denn ja, unabhängig davon, dass bisweilen vorsätzlich Verwirrung gestiftet wird oder die eigentlichen Zielsetzungen verdeckt werden (dies sollte wirklich nicht unterschätzt werden), glaube ich in der Tat, dass das Zusammenleben aufgrund der Bevölkerungsgröße mit ihren fragilen Abhängigkeiten und ungesicherten Möglichkeiten komplexer geworden ist.
Mich drängt es ja kaum danach, jemandem zu unterstellen, dass er beim Realisieren seiner gut gemeinten Vorstellungen mit Genuß anderen Menschen Schaden zufügen will. Die meisten Entscheidungsträger, die über Menschen bestimmen, haben nicht umsonst ausgeklügelte Begründungslinien incl. der Nichtwahrnehmung entwickelt, die sie vor solchen Gewissensbissen schützen sollen und nicht selten in moderne Varianten des bizarr anmutendem Ausspruches gipfeln, 'wenn sie kein Brot haben, warum essen sie dann keinen Kuchen?'

Kann also Demokratie ab einer gewissen Größenordnung der Bevölkerung wegen der damit verbundenen Komplexität zum scheidern verurteilt sein?
Welcher Gedanke steckt dahinter? Ich will es mal versuchen...

In kleineren Gruppierungen ist die persönliche Einordnung leichter und die Folgen von Handlungen sind relativ klar zu erkennen. Desweiteren ist es erheblich leichter, gemeinsame Ziele zu formulieren. Wenn dies nicht mehr wie bisher funktioniert, entstehen entweder neue Gruppen, die ihren eigenen Weg gehen, oder man fühlt sich veranlasst, einen tieferliegenden neuen Konsens zu finden. Die soziale Kohäsion wird die Dynamik bestimmen. Und wenn auch oftmals Gewalt haran gezogen wird, um diese zu überbrücken, will ich mich nicht alleine auf dieses Phänomen beschränken.

Doch was bestimmt diese soziale Kohäsion, also im weitesten Sinne den Zusammenhalt?
Jeder Mensch hat unterschiedliche soziale Rollen inne, die Spannungen in ihm und zwischen den Menschen verursachen. Solange diese Spannungen ertragen oder kompensiert werden können, dürften die meisten Menschen mit der wahrgenommen sozialen Struktur einverstanden sein. Man könnte dies als ein Maß von persönlicher Authentizität verstehen.
Wenn auf Dauer und im größerem Umfang diese Authentizität bei den Menschen einer Gesellschaft verloren geht, wird die soziale Struktur in eine Krise geraten.
Der erste unmittelbaren Reflexe – neben Empörung oder Resignation - dürften diejenigen sein, die der Sicherheit und Stabilität dient (also der Anpassung). Wenn dies nicht mehr als ausreichend oder sinnstiftend genug empfunden wird, werden erneut diejenigen Ambitionen aufflackern, die wir in unserem Privatleben für wesentlich erkannt haben, denn sie haben uns in unserem Wohlbefinden weit mehr geprägt als jegliche gesellschaftliche Regeln.

Es sind diese und ähnliche Gedanken, die bei mir die Vermutung nahelegen, dass modernen Gesellschaften ihre Komplexität dadurch in den Griff bekommen könnten, dass private, persönliche Wertevortellungen gelebt werden können, d.h. sich aktiv damit auseinanderzusetzen und sie in die Strukturen der Gesellschaft hineinzutragen.
Dies wäre dann in etwa das, was ich unter partizipierender Demokratie, unter Selbstbestimmung, Transparenz und Eigenverantwortung verstehen möchte.

Nachtrag:
QUOTE (Artemis)
Und dann demnächst Eier und Steine

Mir bereiten weniger die Eier und Steine Sorgen, sondern die Gründe, die Motivationslage, die strukturellen Veränderungen, die zu einem solchen Verhalten führen können...

Geschrieben von: Artemis am 06.Sep.2004 - 12:39

QUOTE (Laura @ 05.Sep.2004 - 21:25)
Es sind diese und ähnliche Gedanken, die bei mir die Vermutung nahelegen, dass modernen  Gesellschaften ihre Komplexität dadurch in den Griff bekommen könnten, dass private, persönliche Wertevortellungen gelebt werden können, d.h. sich aktiv damit auseinanderzusetzen und sie in die Strukturen der Gesellschaft hineinzutragen.

Bis zu der Wiederbesinnung/dem Rückzug auf individuelle und persönliche Wertvorstellungen kann ich dir folgen. Aber Strukturen neigen zur Verfestigung und die zunehmende Komplexität der Gesellschaft verhindert ja gerade, diese Werte aus dem privaten Bereich in "die Gesellschaft" (oder in verschiedene öffentliche Bereiche) hineinzutragen. Der nahe liegende Weg ist dann, sich statt dessen private Nischen/halb-öffentliche Bereiche/soziale Gruppen zu schaffen oder zu erweitern, in denen diese Werte umsetzbar sind/Gültigkeit haben. Also wird sich die Schere eher auseinander entwickeln als sich schließen.

So ist z.B. inzwischen wohl anerkannt, dass die geringe Repräsentanz von Frauen in wirtschaftlichen und politischen Führungspositionen nicht nur daran liegt, dass die meisten dort sitzenden Männer ein weiteres Fußfassen von Frauen nach Möglichkeit verhindern wollen, sondern auch daran, dass Frauen tendenziell in anderen Wertesystemen, insbesondere mehr in sozialen Bezügen, denken und sich daher in den Führungsetagen, in die sie diese Wertvorstellungen nicht mitnehmen können, so unwohl fühlen, dass viele auf eine Karriere über einen bestimmten Punkt hinaus verzichten.

Überspitzt gesagt, entstehen schon allein dadurch "undemokratische" Verhältnissen in vielen öffentlichen Bereichen. (Nach deinem Demokratiebegriff - nicht nach dem rein funktionalen des "One (wo)man, one vote".) Denn wie kann ein Bereich/eine Institution demokratisch sein, wenn die Hälfte der Bevölkerung (noch dazu die schönere Hälfte tongue.gif cool.gif ) dort nur mit fünf, zehn oder höchstens zwanzig Prozent vertreten ist?

Ja, ich weiß, außer den paar noch übrig gebliebenen miesepetrigen Feministinnen stellt sich niemand diese Frage .... tongue.gif Aber schon im antiken Griechenland wurde die Staatsform auch Demokratie genannt, obwohl weder Frauen noch Sklaven daran beteiligt waren.

Manchmal frage ich mich, was geschehen würde, wenn die Frauen (als Frauen, nicht als Arbeitnehmerinnen, Mütter, Tierschützerinnen oder Friedensdemonstrantinnen) auf die Straße gingen (vielleicht freitags? biggrin.gif) und riefen: "Wir sind das Volk"? Vermutlich würden sie bestenfalls Lacher ernten.


Geschrieben von: LadyGodiva am 06.Sep.2004 - 12:50

Ein violetter Freitag - wäre sicherlich spannend, v.a. der Reaktionen wegen rolleyes.gif (nach dem Motto "zählt nicht auf uns - rechnet mit uns!")

Darf ich deinen Gedankeneinwurf als eine Art Bilanz einer skurrilen Gleichstellungspolitik auffassen, die fast schon stolz darauf ist, dass Frauen wenigstens der flache Weg in die Arbeitstätigkeit (haha, schön wär's) geebnet ist?

Geschrieben von: Artemis am 06.Sep.2004 - 12:59

QUOTE (LadyGodiva @ 06.Sep.2004 - 12:50)
Darf ich deinen Gedankeneinwurf als eine Art Bilanz einer skurrilen Gleichstellungspolitik auffassen, die fast schon stolz darauf ist, dass Frauen wenigstens der flache Weg in die Arbeitstätigkeit (haha, schön wär's) geebnet ist?

Eine Gleichstellungspolitik, die sich praktisch nur noch in die schon zu Tode zitierte "Vereinbarkeit von Familie und Beruf" rettet, würde ich nicht einmal mehr als skurril bezeichnen. Womit sich jeder Versuch einer Bilanz erübrigt. Vielleicht wäre eine Besichtigung der Konkursmasse erfolgreicher? tongue.gif

Aber zurück zum Thema:
QUOTE (Laura)
Kann also Demokratie ab einer gewissen Größenordnung der Bevölkerung wegen der damit verbundenen Komplexität zum scheidern verurteilt sein?

QUOTE (Laura)
Wenn es nur alleine um den Ausbau direkter oder die Erweiterung repräsentativer demokratischer Elemente gehen würde, befürchte ich, dass dies nicht zu einer höheren Konsensbildung beitragen würde.


Was trägt überhaupt zum Konsens bei?


Geschrieben von: Laura am 06.Sep.2004 - 13:18

QUOTE (Artemis)
Bis zu der Wiederbesinnung/dem Rückzug auf individuelle und persönliche Wertvorstellungen kann ich dir folgen. Aber Strukturen neigen zur Verfestigung und die zunehmende Komplexität der Gesellschaft verhindert ja gerade, diese Werte aus dem privaten Bereich in "die Gesellschaft" (oder in verschiedene öffentliche Bereiche) hineinzutragen. Der nahe liegende Weg ist dann, sich statt dessen private Nischen/halb-öffentliche Bereiche/soziale Gruppen zu schaffen oder zu erweitern, in denen diese Werte umsetzbar sind/Gültigkeit haben. Also wird sich die Schere eher auseinander entwickeln als sich schließen.

So ist z.B. inzwischen wohl anerkannt, dass die geringe Repräsentanz von Frauen in wirtschaftlichen und politischen Führungspositionen nicht nur daran liegt, dass die meisten dort sitzenden Männer ein weiteres Fußfassen von Frauen nach Möglichkeit verhindern wollen, sondern auch daran, dass Frauen tendenziell in anderen Wertesystemen, insbesondere mehr in sozialen Bezügen, denken und sich daher in den Führungsetagen, in die sie diese Wertvorstellungen nicht mitnehmen können, so unwohl fühlen, dass viele auf eine Karriere über einen bestimmten Punkt hinaus verzichten.


Deine Sichtweise kann ich vollkommen teilen!! smile.gif

...soweit es um die Analyse geht - aber soll die Lösung aus einem Rückzug in eher private Nischen bestehen?

Welche Zunkunft können dann z.B. jüngere Menschen erwarten? Wo bleibt die Glaubwürdigkeit derer, die sich eine Nische schaffen konnten und wie sehr müssten sie auf Dauer ihre Augen verschließen von dem, was um sie herum vor sich geht?
Ich teile deine Analyse, doch die Schlussfolgerung... nein, so verlockerd sie auch sein mag.

QUOTE (L.G.)
Darf ich deinen Gedankeneinwurf als eine Art Bilanz einer skurrilen Gleichstellungspolitik auffassen, die fast schon stolz darauf ist, dass Frauen wenigstens der flache Weg in die Arbeitstätigkeit (haha, schön wär's) geebnet ist?

Es ist bisweilen schlimmer, es sind die 'erfolgreichen' Frauen selber, die das so sehen.


Geschrieben von: Artemis am 06.Sep.2004 - 16:45

QUOTE (Laura @ 06.Sep.2004 - 13:18)
Deine Sichtweise kann ich vollkommen teilen!! smile.gif

...soweit es um die Analyse geht - aber soll die Lösung aus einem Rückzug in eher private Nischen bestehen?

Nein, das meinte ich nicht. Ich sagte nur, es ist der nahe liegende Weg. Jeder andere kostet ungeheuer viel Kraft und Zeit und auch wenn du mit großen Hoffnungen antrittst, um die Gesellschaft zu verändern, so ist es doch ein mühsames Geschäft, in dem frau schnell ausbrennt.

Die Alternative ist sicher nicht, die Augen zu verschließen, aber sich vielleicht eine Nische mit mehr Erfolgserlebnissen zu schaffen als ausgerechnet das Aufweichen von Megastrukturen wie der Arbeitsmarktpolitik oder der europäischen Verfassung.

Ich nehme an, du hast andere "Lösungen" als die privaten Nischen im Sinn - vielleicht eher Lösungswege als fertige Lösungen? Würde mich interessieren.


Geschrieben von: Sägefisch am 06.Sep.2004 - 19:10

QUOTE (Artemis @ 06.Sep.2004 - 17:45)

Die Alternative ist sicher nicht, die Augen zu verschließen, aber sich vielleicht eine Nische mit mehr Erfolgserlebnissen zu schaffen als ausgerechnet das Aufweichen von Megastrukturen wie der Arbeitsmarktpolitik oder der europäischen Verfassung.

thumbsup.gif

Das muß auch gar keinen Rückzug bedeuten. Gerade für die einzelne kann es einen deutlichen emanzipatorischen Fortschritt bedeuten, sich ganz selbstverständlich zunächst um die eigenen Belange zu kümmern - speist sich doch so manches Aufgehen (und das meist dazugehörige sich-aufreiben) im großen gemeinsamen Ganzen im Grunde aus der alten Idee, daß frau ihre Zeit und Kraft gefälligst vornehmlich für das Wohl anderer einzusetzen und sich für selbiges verantwortlich zu fühlen hat.

Hier dann eben nicht für Mann und Kinder sondern für allgemeinere gesellschaftliche Gruppen, die Dritte Welt oder sonstwen.


Geschrieben von: Gilgamesch.Minerva-ath am 06.Sep.2004 - 22:02

Gut, über mögliche Ursachen und daraus folgende Entwicklungstendenzen eines Konsensverlustes wurde gesprochen- aber wie wäre es denn möglich, da schließe ich mich Artemis Frage an, eine Zusammenführung oder zumindest eine Annäherung des Konsens zu bewirken?

Was verbindet Menschen wirklich- welche Ziele bleiben- egal wie verschieden Menschen sein können, was haben sie gemeinsam? Eine wohl ins philosophische abgleitende Frage. Und wenn die Politiker weiterhin in diesem Fach so drastisch kürzen, werden wohl kaum weitere Antwortmöglichkeiten folgen... aber das nur of the road.
Abseits einer Grundversorgung sind es Persönlichkeitsrechte- und Grundrechte wie die Freiheit der persönlichen Entfatung (solange niemand dabei zu Schaden kommt). Dazu gehört für viele eben auch freie Wahl des Aufgaben- bzw. Betätigungsfeldes, Bewahrung von Privatssphäre und Eigentum, etc.. Also eine spannungsfreie Situation zwischen Sicherheit und Freiheit. Wenn ich die momentane Entwicklung mir so ansehe, kommt mir der Verdacht, dass eben auch jene Persönlichkeitsrechte beschnitten werden. Frage bleibt nicht nur, weshalb die geschieht- mit fällt es schwer hier nur rein wirtschaftliche Probleme anzusiedeln- sondern auch inwieweit die eigentlichen Interessen in den Hintergrund geraten sind? Wurde vergessen, dass diese Rechte eben nicht selbstverständlich sind?
Welche Entwickllung hat stattgefunden, dass man wehement auf Einzelinteressen (oder zumindest hat man diese Entwicklung "anscheinend" jetzt erst "bemerkt") achtet, ohne auf den Erhalt einer Grundbasis zu achten- die eben auch notwendig für eben jene Einzelinteressen ist?

Jemand- ich glaube Laura (bin mir grad nicht ganz sicher, sorry)- hatte bemerkt, dass Politiker doch auch Menschen- eben gewählte Vertreter aus dem Volke wären. Hm- da fiel mir ein, dass unsere liebreizende Frau Grünenvorsitzende Karin Göring-Eckhardt die Nachbarin einer ehemaligen Freundin (in einem kleinen verschlafenen Dorf) war. Nun- da frage ich mich, wie eine Frau mit einem monatlichen Gehalt von schärtungsweise knapp 20.000 Euro von Haushaltsproblemen und Bürgernähe reden kann, wenn gleich um die Ecke eine alleinerziehende Mutter dreier Kinder wieder zu den Eltern ziehen musste, weil sie ihre Wohnung nicht halten konnte, nachdem sie ihre Anstellung verloren hatte... Aber das nur mal wieder am Rande. ph34r.gif
Die hohen Gehälter der Politiker wurden in damaliger Zeit gerechtfertigt, umso die Versuchung von Bestechung (und den Sinn- schließlich ist dies ja eine Überversorgung) zu verringern- schaue ich mir dann die letzten "Spenden" an, frage ich mich wirklich, inwieweit über dieses Verfahren nicht doch einmal neu nachgedacht werden sollte.

Frage-
Wie sollte sich ein Konsens ausbilden können?

Zur Emanzipation

QUOTE
Es ist bisweilen schlimmer, es sind die 'erfolgreichen' Frauen selber, die das so sehen.

Da fällt mir unsere ehemalige Frauenbeauftragte der damaligen DDR ein, die nun ganz groß rauskommen will und nebenbei die ernsthafte Einsetzung einer BundespräsidentIN verhindert hat...
Die größten Gegner der Emazipation können in der Tat Frauen sein.
(Da gab es ja auch mal den Spruch- mir fällt leider gerade nicht ein, von wem- Die größten Feinde der Freiheit sind glückliche Sklaven.) Wobei ich persönlich bei diesem Spruch unter "glücklich" das Gleiche wie Kant unter "unmündig"- nicht wirklich selbst nachdenkend- versteht.

Geschrieben von: Gilgamesch.Minerva-ath am 12.Sep.2004 - 18:46

@Lady Godiva und Laura
wir hatten doch über Grüne und PDS gesprochen und inwieweit sie als Protestparteien fungieren (zumindest bei mir) und ihre Basis verlassen. Habe da einen interessanten Artikel zu PDS gelesen- in Verbindung mit Hartz IV

QUOTE
Montags demonstriert die PDS in Berlin gegen Hartz IV. Den Rest der Woche kümmern sich zwei Senatoren der Partei eifrig darum, das Gesetz möglichst gut umzusetzen.

http://www.fr-aktuell.de/ressorts/nachrichten_und_politik/deutschland/?cnt=502500
Da kommt die Frage auf inwieweit eine Idee in einem System umgesetzt werden kann und dabei Gefahr läuft sich zu verlieren- oder anders- wie weit kann man sich strecken, ohne sich dabei sein Rückrad zu brechen? Ist das Interessensverlagerung und Diplomatie oder ganz einfach Verrat? huh.gif

Geschrieben von: Laura am 13.Sep.2004 - 22:30

QUOTE (minerva)
Da kommt die Frage auf inwieweit eine Idee in einem System umgesetzt werden kann und dabei Gefahr läuft sich zu verlieren- oder anders- wie weit kann man sich strecken, ohne sich dabei sein Rückrad zu brechen? Ist das Interessensverlagerung und Diplomatie oder ganz einfach Verrat? huh.gif

Was die PDS angeht... das kann ich nicht abschätzen, diese Partei ist mir faktisch unbekannt. Es mag vielleicht hinsichtlich ihrer Zukunftsfähigkeit in der für sie neuen BRD eine Rolle spielen, dass ihre Führungskräfte sich zunächst einmal als regierungsfähig erweisen wollen; aber dies ist reine Spekulation.

Aber etwas ganz anderes... worüber ich in 'nem Artikel der sz stolperte (darauf hätten wir auch selber kommen können).
Wir haben doch über die schwindende Wahlbeteiligung gesprochen, was man aus ihr ableiten und weswegen sie entstanden sein könnte. Die Frage, wie die Wahlbeteiligung wieder zunehmen könnte, reduzierte sich dabei auf die mögliche Selbstaktivierung der Bürger.
Aber wie wär's, wenn die Parlamentssitze nicht prozentual nach den abgegebenen Wahlstimmen verteilt werden würden, sondern entsprechend ('ner Regelung) der wahlberechtigten Bevölkerung - nicht nur im Saarland blieben dann z.B. sehr viele der Sitze einfach leer und ein solch plakatives Bild bliebe nicht ohne Folgen. (http://www.sueddeutsche.de/deutschland/artikel/32/38993/)
Ich könnte fast wetten, dass sich dann die Parteien mächtig in's Zeug legen würden, um wieder die Menschen an die Wahlurnen zurückzuholen (und die reinen Protestwahlstimmen würden zudem an Bedeutung verlieren).

Übrigens fand ich die im selben Artikel genannte Bezeichnung der sogenannten Agenda-Menschen einen guten, pointierten Gedanken, um die Ausrichtung sozialpolitischer Entscheidungen zu beschreiben.
QUOTE
Friedhelm Hengsbach, Jesuit und Professor für Wirtschaftsethik in Frankfurt am Main, bezeichnet damit diejenigen Menschen, die sich den Spielregeln des Marktes unterwerfen, Marktrisiken abschätzen können, mit ihren Einkommen und dem ihres Partners einen durchschnittlichen Lebensstandard pflegen, die geltenden Steuern und Abgaben als unzulässige Eingriffe des Staates in ihre Eigentumsrechte empfinden – und denen zuzumuten ist, familiäre und heimatliche Bindungen abzustreifen, wenn sie den Arbeitseinsatz behindern.

Tja, wenn die meisten Menschen so leben möchten (und/oder könnten), sähe die Wahlbeteiligung wahrscheinlich anders aus.

Nachtrag:
Um ein solches modifiziertes Verhältniswahlrecht zu ermöglichen, könnte ich mich auch für einen Volksentscheid begeistern.

Geschrieben von: Gilgamesch.Minerva-ath am 15.Sep.2004 - 16:13

@Laura-
klasse Artikel. Das die Politiker von sich aus nicht so eine Idee in Angriff nehmen ist klar- immerhin müssten sich ja dann einige von ihnen wieder einen Job suchen. Eigentlich ist doch der Bundestag das beste Beispiel für eine innovative Idee hinsichtlich des Absinkens der Arbeitslosenquote und als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. ph34r.gif

QUOTE
Die großen Parteien verhalten sich zu dieser Malaise wie der Autofahrer, der erklärt, ihm seien steigende Benzinpreise egal – er tanke ohnehin immer nur für dreißig Euro.


lach.gif *räusper* sleep.gif

Geschrieben von: Gilgamesch.Minerva-ath am 14.Oct.2004 - 09:44

Ein sehr interessanter Artikel- besonders in Verbindung zum Kampf der Kulturen-Thema. Die Forderung nach Plebisziten-
http://www.zeit.de/2004/43/01______Leiter_1

Geschrieben von: Gilgamesch.Minerva-ath am 15.Oct.2004 - 10:54

Okay- Merkel ruft Idee zur Unterschriftenaktion zurück- nach dem sie auf außerparteilichen und eben auch sehr starken innerparteilichen Widerstand gestoßen ist. Merkel begründet ihre Entscheidung durch den möglichen http://portale.web.de/Schlagzeilen/Parteien/ einer Umfrage.
Die Frage ist- von welcher Seite aus fürchtet sie einen Mißbrauch- oder anders, welches Ziel wollte sie denn mit der Aktion erreichen. Bestimmt nicht die Förderung des demoratischen Ausdrucks der Bürger, sondern nur die öffentliche Meinung als Widerlegung zu Schröders aktueller Politik. Reines Machtpoker- ich frage mich langsam wirklich, wann mal ein Sturm auf die Paläste stattfindet. ph34r.gif

Geschrieben von: blue_moon am 15.Oct.2004 - 14:17

ein sturm auf die paläste der oppostion? wär ja mal was neues. biggrin.gif

Geschrieben von: Gilgamesch.Minerva-ath am 17.Oct.2004 - 14:54

http://www.taz.de/pt/2004/10/16/a0156.nf/text
Ein neues Grundsatzprogramm muß her- doch wohin soll die Reise gehen?

QUOTE
Auch die SPD-Linke verabschiedet sich vom Glauben an ein garantiertes Wachstumsplus, das bloß umverteilt werden muss: "Das ist alte Bundesrepublik. Jetzt geht es um Chancen", sagt Thierse. Zugang, Teilhabe, Chancen: das ist es, was die SPD jetzt verteilen will. Dahinter steckt der Hartz-IV-Gedanke "Fördern und fordern".

Und was bleibt vom Sozialdemokratische Charakter übrig- wie weit will sich die SPD noch prostituieren- und kann sie wirklich nicht anders?

Geschrieben von: Bilana am 19.Oct.2004 - 16:25

Hat denn schon jemand den Abgesang auf die Sozialdemokratie angestimmt? Und was heißt noch prostituieren?
Und was hat das ganze mit dem Artikel, speziell mit dem von dir zitierten Absatz zu tun?
Soll die SPD auf der Stelle treten? ZZ macht die Gesellschaft in Dland und international tiefgreifende Veränderungen durch. Ich wäre entrüstet, wenn die SPD darauf nicht reagieren würde.
Sollte sie anders können wie anders?



Geschrieben von: Gilgamesch.Minerva-ath am 19.Oct.2004 - 16:48

Du nennst also die aktuelle Reformpolitik sozialdemokratisch? blink.gif
Neulich meinte jemand- er geht Protestwählen. Auf meine Frage, was das bedeutet, meinte derjenige CDU. Protest grotesk.
Es ist nicht die Frage nach Veränderung- das "Wohin" sie geht ist und bleibt dabei entscheidend. Und da rede ich wirklich von Prostitution.

Geschrieben von: Bilana am 20.Oct.2004 - 07:42

Verzeih mir meinen rauhen Ton. Aber ich kann solche Aussagen nicht ernst nehmen, wenn es nicht einmal im Ansatz Gegenvorschläge gibt. Nur weil das soziale Netz ausgedünnt wird, heißt das noch lange nicht, das wir keine Sozialdemokratie mehr haben.
Und die die sagen, es müsse ja nur umverteilt werden, die bitte ich mir (und Hans Eichel wacko.gif ) zu zeigen wo das Geld herzunehmen ist. (Und bitte jetzt nicht so etwas plattes sagen, wie von den Reichen. )
Ich meine wirklich woher nehmen wenn nicht stehlen? (Im Rahmen unserer Gesetzgebung, unserer demographischen Entwicklung und unsere Finanz- und Steuersystems)

Geschrieben von: blue_moon am 20.Oct.2004 - 07:48

QUOTE (Bilana @ 20.Oct.2004 - 08:42)
Und die die sagen, es müsse ja nur umverteilt werden, die bitte ich mir (und Hans Eichel wacko.gif ) zu zeigen wo das Geld herzunehmen ist. (Und bitte jetzt nicht so etwas plattes sagen, wie von den Reichen. )

einen vorschlag hätt ich da schon: die ganzen subventionsnehmer (müller, infineon), die die hände schön weit aufhalten können, aber wenn's ums bezahlen geht, keinerlei verbundenheit mit diesem unseren staat fühlen, sollten die erhaltenen gelder zurückzahlen müssen.

Geschrieben von: Bilana am 20.Oct.2004 - 07:50

Das würden die das doch nur auf den Endverbraucher umlenken. Ob dann die Leute zufrieden sind? unsure.gif
Und wenn du die Steuersätze für Besserverdiener saftig anhebst, dann wandern sie halt hab und unterm Strich kommt noch weniger raus. Siehe die Anhebung der Tabaksteuer, die völlig nach hinten losgegangen ist.

Geschrieben von: blue_moon am 20.Oct.2004 - 07:57

sie können's doch nur auf die preise umlegen, wenn der markt da mitspielt. wichtig wär mir, dass solche firmen sich darüber im klaren sein müssen, dass sie eine verpflichtung eingehen, wenn sie öffentliche gelder beanspruchen. appelle an's verantwortungsgefühl helfen da jedenfalls nicht mehr, das ist definitiv nicht vorhanden. zumindest nicht dem staat gegenüber...

Geschrieben von: Bilana am 20.Oct.2004 - 08:07

Wenn Firmen den Markt zu großen Teilen dominieren, dann wird der Markt mitspielen. Siehe Bahn.
Ich verstehe was du meinst. Natürlich ist es mies. Abgesehen davon, dass es durchaus Firmen mit Verantwortungsbewusstsein gibt, ist das auch nicht der Grund, warum die Lage der Nation ist, wie sie ist.
Ich sehe vor allem demographische Ursachen.
Und in kaum einem anderen Land werden Arbeitslose finanziell so sehr unterstützt, aber nicht motiviert.

Geschrieben von: Sägefisch am 20.Oct.2004 - 18:36

Sicher spielt die Demographie eine Rolle, aber es sind auch gravierende Fehler gemacht worden. Wo sind zB die Vermögenswerte und die Erlöse bei der Abwicklung der DDR geblieben?

Das hätte in die westdeutschen Sozialsysteme gehört, weil diese auf einmal +14 Mio Leistungsberechtigte hatten, die nie eingezahlt haben.

Statt dessen privatwirtschaftliche Bereicherung via Treuhand.

Und wo ist das Motivationsmoment bei der Agenda 2010? Ich stimme ja zu, daß es ohne Einschnitte nicht gehen wird, aber Druck ist was anderes als Motivation. Der Knackpunkt liegt idR nicht erst beim Gang zum Arbeitsamt, sondern früher, in der Bildungsbiographie, Mentalitäten, usw. Da wird aber nicht dran gerührt. Statt Menschen wirkliche Umorientierung zu ermöglichen (und die gibts nun mal nur über Qualifizierung und somit nicht zum Nulltarif) wird versucht in den perspektivarmen Niedriglohnsektor abzuschieben. Dabei würde sich Qualifikation wirklich lohnen, in anderen Ländern kriegt man damit schon länger die Leute wirklich nachhaltig von der Strasse und sieht das entsprechend als wirksame Investition.

Bei uns wird bloß rumlaboriert um die Statistik zu beschönigen, und ich glaube daß sich das langfristig rächen wird. Man kann nicht einen so großen Teil der Bevölkerung auf Hilfsjobs verweisen ohne daß sich eine Unterschicht herausbildet, die dann wieder kostet, vom sozialen Frieden ganz zu schweigen.

Die Agenda umgeht wohlweislich bestimmte Pfründe alter bundesrepublikanischer Interessengruppen und überkommener Industrien. Für sowas ist das Geld dann auf einmal da, aber versuch mal heutzutage eine Umschulung zu kriegen.

Hartz IV ist nicht der Weltuntergang, aber auch nicht besonders gelungen. Der ganze Denkansatz ist, den einzelnen Betroffenen auf Biegen und Brechen in irgendeinen (Billig-?) Job zu zwängen, damit er aus der Statistik ist. 1-Euro-Jobs sind im Grunde nichts anderes als staatlich subventionierter Billiglohnsektor.

Eine Lösung ist das nicht, weil auf strukturelle Probleme überhaupt nicht eingegangen wird.

Es scheint Geld da zu sein um jemanden jahrelang als 1-Euro-Jobber staatlich durchzufüttern, aber eine einjährige reguläre Fortbildung oder Qualifizierung wird als zu teuer abgelehnt...

Bei dem ganzen Kram stimmen die Gewichtungen nicht. Man setzt eben NICHT auf Motivation, denn daß würde bedeuten daß man den einzelnen mit seinen Interessen und Neigungen ernst nimmt und einen Handlungsplan mit ihm aufstellt der dann auch unterstützt wird. Man gibt lieber das gleiche Geld bzw sogar mehr für kurzfristig gedachte und oft frustrierende Flickschustereien aus.

Warum?

Ich glaube schon daß bei uns einfach eine gewisse menschenfreundliche Basis fehlt, wie ich sie zB in Skandinavien kennengelernt habe. Dementsprechend fallen auch die Entscheidungen aus. Lieber tröpfchenweise miese Verhältnisse zementieren als einmal wirklich einen Weg freimachen.




Geschrieben von: blue_moon am 21.Oct.2004 - 14:27

grundsätzlich gehört zu einer aktion, die 'den weg freimachen' würde, ja eine vision. alle planungen in der politik aber laufen auf einen vierjahres-rhythmus (höchstens) hin. visionen brauchen länger.

vielleicht wäre eine kompetent aus fachleuten und querdenkern besetzte regierung, die ganz klar von vornherein sagt, dass sie nur eine legislaturperiode regieren will, ein schritt aus dem dilemma. diese könnten eben ohne rücksichten auf umfragergebnisse einen weg öffnen. grundlegend dafür wäre allerdings eine politische konstellation, in der politiker bereit wären, sich selbst zurückzunehmen und ausgewiesene fachleute ranzulassen. aber das ist wohl eher keine vision, sondern utopie...

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