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> Die Spießigkeit der Lebensmitte, Lebst Du noch oder putzt Du schon?
DerTagAmMeer
Beitrag 18.Jul.2008 - 10:30
Beitrag #1


Adiaphora
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Ich kann mich noch genau erinnern, wie unglaublich albern ich diese stressigen Putzorgien meiner Mutter fand, wenn Besuch anstand. NIE, niemals nie hätte ich für möglich gehalten, einmal selbst von diesem Virus der perfekten Haushaltsführung infiziert zu werden.
Und eigentlich weiß ich auch gar nicht recht, wie das angefangen hat. Vor 15 Jahren kannte ich mit Ausnahme einer einzigen putzfimmeligen Freundin keine einzige Wohnung und keine WG, in der nicht eine gewisse lebensbedingte Unordnung geherrscht hätte. Mit Büchern auf dem Küchentisch, Klamotten über den Stuhllehnen, Abwasch in der Spüle und Zahnpastasprenkeln auf dem Badspiegel. Mit den Jahren sind die Wohnungen dann ganz unbemerkt aufgeräumter und sauberer geworden, unangemeldete Besuche wurden immer unüblicher, "Gästezimmer", "Gäste-Betten" und "Gäste-Toiletten" wurden angeschafft. Einige Freunde gestanden, dass sie eine Haushaltshilfe beschäftigten, andere entwickelten übermenschliche Fähigkeiten in Sachen Hauswirtschaft, manche fühlten sich ebenso überfordert, machten aber trotzdem weiter mit und zeigten guten Willen.
Seit wir aufs Land gezogen sind, ist diese Entwicklung durch Nachbarschaft und "Laufkundschaft" nicht unwesentlich verstärkt worden.
Mit unverholener Bewunderung sehe ich vis a vie die jahreszeitliche Fensterdeko wechseln, blitzeblanke Bio- Restmüll- und Papiertonnen so pünktlich ein- und ausparken, dass man den Müllkalender nach ihnen stellen könnte, und suche vergeblich nach einem klitzekleinen Löwenzähnchen auf dem lupenreinen Gehwegstück gegenüber.
An das Arbeitspensum derer, die neben Haus und Hof auch noch Kinder, Kühe, Äcker und Hofläden bewirtschaften, mag ich ja gar nicht erst denken.
Und irgendwie gefällt mir diese Entwicklung an mir ganz und gar nicht. Ich habe eigentlich gern Menschen um mich und mag es Freunde zu umsorgen - diese streifenfreie Spülmaschinenperfektion verhagelt mir meine Lust an der Gastfreundschaft allerdings gewaltig. Kennt Ihr das auch oder genießt Ihr es endlich aus dem Chaoten-Alter raus zu sein?

Der Beitrag wurde von DerTagAmMeer bearbeitet: 19.Jul.2008 - 12:33
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Rettungsengel
Beitrag 18.Jul.2008 - 10:46
Beitrag #2


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QUOTE (DerTagAmMeer @ 18.Jul.2008 - 10:30)
Kennt Ihr das auch oder genießt Ihr es endlich aus dem Chaoten-Alter raus zu sein?

Ich kann dazu nur sagen ich bin mit der Zeit auch immer penibler geworden, aber eine kleine Chaotin bin ich heute immer noch....
Aber ganz ehrlich, ich würde mich auch in keiner Wohnung wohl fühlen die Klinisch rein ist...
Das finde ich dann ungemühtlich und ich hätte Angst irgendetwas dreckig zu machen..

LG
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Lucia Brown
Beitrag 18.Jul.2008 - 11:03
Beitrag #3


- keep it up you go girl -
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QUOTE (DerTagAmMeer @ 18.Jul.2008 - 11:30)
Kennt Ihr das auch oder genießt Ihr es endlich aus dem Chaoten-Alter raus zu sein?

Und wie ich diese Entwicklung kenne. Hier schlängelt sich wohl der Zeitgeist durch alle Haushalte. Ich hatte schon zu WG-Zeiten eine Frau, die für Ordnung und für Sauberkeit sorgte.

Meine jeweiligen Frauen waren es, die meine künstlerische Ordnung zur bürgerlichen Ordnung umwandelten. Seit ich nun meine Wohnung alleine bewohne ist die künstlerische Unordnung wieder eingekehrt und ich fühle mich sehr wohl damit. Es stört nun keine, dass ich eine Woche das Bügelbrett kreativ mitten im Wohnzimmer aufgestellt habe. Nennen wir es die Bügelwoche bei Lucia Brown. Andere haben einen Bügeltag, was soll’s, jede halt in ihrem Rhythmus.

Seit 4 Jahren besitze ich eine Einbauküche und eine Spülmaschine. Zwar genieße ich den Luxus sehr und könnte mir ein Leben ohne Spülmaschine nicht mehr vorstellen. Doch ich vermisse die gemütliche WG-Wohnküche mit selbstgebauten Küchenregal, Omas altem Küchenbüfett, selber abgebeizt und mit Wachs eingelassen und die alte Eckband mit einem riesigem Tisch um dem sich immer viele Freundinnen und Freunde platzierten. Dort wurde gelacht, gestritten, gegessen, gespielt und geschrieben und vieles mehr. Und das alles spontan.

Jetzt wird eingeladen zum: Grillen, Videoabend, Geburtstagen, Weihnachten, Silvester, Kaffeetrinken, Holzschlichten, Spiellabend, Urlaubsbilderanschauen ... usw. Und frau bringt auch selbstverständlich immer was mit: Blümchen oder ne Flasche Wein. Spontane Treffen finden schon noch statt, aber sehr selten.

Ich weiß nicht, warum sich das so geändert hat. Sollte mal eine Umfrage starten.

Der Beitrag wurde von Lucia Brown bearbeitet: 18.Jul.2008 - 11:07
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freedom
Beitrag 18.Jul.2008 - 11:12
Beitrag #4


giraffenhalsige Dancingqueen
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hallo dtam,

musste soeben herzlich über deinen beitrag lachen, da ich vor meinem inneren auge die putzaktionen, ja, -orgien meiner mutter sah.
schaute mich in meiner wohnung um und dachte: "hm. wie wirkt das wohl auf jemanden, der zum ersten mal hier reinkommt?"
ich lebe mit meiner fellnase, die sehr sehr haart, da sie den klimawechsel von afrika nach deutschland nicht verpackt hat, alleine.
man könnte mich hundehaar-resistent nennen.
doch jemand, der zum ersten mal die wohnung betritt, wird mit hund und haaren konfrontiert, auch wenn ich jeden tag mindestens einmal sauge.
staub gibt es hier en masse, da ich als raucherin ständig die fenster aufhabe und gerade im sommer der dreck von außen hereinkommt. pollen, staub, feiner sand, alles aufgewirbelt durch den bus, der hier vorbeifährt.
und ich bin - trotz meines mittelalters - nicht gewillt, jeden tag die putzmittelhersteller zu unterstützen und ehrlich gesagt auch zu faul, ständig mit irgendwelchen lappen staubhechelnd durch die wohnung zu wienern.
es liegt hundespielzeug in allen zimmern herum, denn sobald ich es in den dafür vorgesehenen korb getan habe, beginnt meine hündin, es weiträumig - so das denn innerhalb von 50 qm möglich sein sollte - zu verteilen.
so what?
besuch muss also damit leben - zumindest so lange, bis er wieder gen heimat fährt.

streifenfreie spülmaschinenperfektion, wie du es nennst, gibt es bei mir nicht.ich spüle mangels spülmaschine per hand, und das allerdings oft und ausgiebig. allerdings bin ich afrika-kakerlaken-geprägt: etwas ungespült herumstehen zu lassen, verursacht mir unwohlsein, angesichts der tatsache, dass diese netten käferchen dann eine invasion starten könnten. (eigentlich eher nicht, ich weiß)

müll: wird aus eben diesem grunde schnellstens hinausbefördert.

chaoten? mei, ich denke, je mehr man gesehen hat im leben, desto weniger verfrachtet man menschen in die chaoten-schublade. jede so, wie sie mag:-)
wirklichen, tatsächlich gesundheitsschädlichen "dreck" habe ich bisher nur in afrikanischen squattercamps gesehen.
der "deutsche" putzwahn hat schon etwas krankhaftes an sich...

ich lebe nicht im museum, meine wohnung spiegelt "mich". da ich kein ausstellungsstück bin, ist es mal aufgeräumt, mal weniger ;)

das wort zum freitag von freedom :D




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LadyGodiva
Beitrag 18.Jul.2008 - 11:24
Beitrag #5


Strøse
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Ich beobachte periodische Putzanfälle allenorten:
die einen nehmen Wienern als Mittel gegen PMS, die anderen räumen vor den ersten Zeilen ihrer Diplomarbeit erst viermal ihren Schreibtisch auf.

Es gefällt mir auch an anderen, wenn sie ein gewisses Gespür für Haushaltung offenbaren.

In Prüfungszeiten bin ich ein Superchaot, da ruht der Haushalt nicht nur, da herrscht gepflegtes Laissez-faire, ein äußeres Zeichen meiner inneren Sammlung - oder einfach nur: die Unmöglichkeit der Prioritätenverschiebung. :D

Kaum ist die Klausurzeit vorbei, werden die (Altbaudoppel)Fenster geputzt, das Parkett gepflegt, Schränke ausgewischt, Spiegel blitzeblank gemacht, Bücher abgestaubt, die Kaffeemaschine entkalkt, Bettzeug gewaschen,... in diesen zwei Tagen sieht meine Wohnung potenziert schlimmer aus als im Vorfeld, was mir nicht selten den mitleidigen Blick Andersputzender einbringt. Ich putze hinterm Herd (bloß keine Einbauküche!), wische unterm Bett, staube das Geschirr im Schrank ab. Bügeln entspannt.
Wichtig ist der Effekt! Noch wichtiger aber die Katharsis inmitten eines nach Seife duftenden, staubfreien Millieus.
Ich genieße dosierte Ordnung, noch mehr aber Sauberkeit. Das heißt: ich kann mit Bücherstapeln und Papierwust eher leben als mit dem feinflockigen Gefühl unter der Fußsohle, verursacht durch einen fünf Tage nicht geputzten Parkettboden.
Grundsätzlich ist samstags Haushaltstag. Und im normalen Tagesgeschäft ist die Putzerei auch schnell erledigt. Allderdings besitze ich auch eine Spülmaschine, zum Glück.

Irgendwie schaffe ich es auch immer, um mein Chaos herumzuputzen.

Im Lauf der Zeit hat sich eine Vorliebe für Ordnungssysteme (Boxen, Schulbladentrenner, Vorratsdosen,...) eingeschlichen, ein offener Kleiderschrank (:girl:) tut sein übriges.

Was die Methodik betrifft, bevorzuge ich mein extrem robustes Wischsystem, auf das ich diverse auskochbare (!) Feudelarten spannen kann und das eine umfangreiche Pflegemittelserie im wahrsten Sinne überflüssig macht.

Auch, wenn mir Haushaltsversorgung grundsätzlich Freude macht, werde ich, sobald es mir finanziell irgendwie möglich ist, mir eine Hilfe leisten - für die gröbsten und zeitraubendsten Dinge. Nicht für den "perfekten" Haushalt, der sich ohnehin nie erfolgreich gegen mich verteidigen könnte, sondern um meine später sicher spärlichere Freizeit nicht vorwiegend lappenschwingend zu verbringen und mich dennoch in meinen Wänden wohl zu fühlen.


Gardinen oder Gartenzwerge werde ich vermutlich auch bis auf weiteres nicht haben. B)

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MrsM
Beitrag 18.Jul.2008 - 11:47
Beitrag #6


der frühe Vogel kann mich mal......und nicht nur der .... :-)
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QUOTE (DerTagAmMeer @ 18.Jul.2008 - 10:30)
Kennt Ihr das auch oder genießt Ihr es endlich aus dem Chaoten-Alter raus zu sein?

Es gibt böse Zungen, die behaupten, ich käme da nie raus :P ..... und was soll ich sagen??! Das ist auch gut so...

Mittelerweile kann ich gut von mir selbst behaupten... ich bin ein Chaot, ja

Penible Putzaktionen?? Habe ich, glaube ich, das letzte Mal (von Mutern gezwungen) vor nicht ganz 20 Jahren hinter mich gebracht...
Ich lasse gerne etwas rum liegen, Bücher auf dem Tisch, am Bett, Wäsche auf der Stuhllehne, etc.
Bei mir ist es unordentlich, mal mehr, mal weniger.... wenn ich es selbst nicht mehr ertragen kann, räume ich es weg.... aber nicht für irgend jemanden...
Eine geschlossene Arbeitszimmertür tut ihr übriges :D ....
zumal die Hundedame in eben diesem Arbeitszimmer ihrem Hobby (Klorollen klauen und zerreissen) nachgeht...

Wenn ich also Besuch bekommen, muss er damit leben, wie ich lebe und da kann es mal passieren, das ich erst ein Stühlchen frei räumen muss. So what?!
Solange es nicht dreckig ist, kann ich mit Unordnung gut leben....

Für das Grobe leiste ich mir snobistischer Weise eine gute Fee, die meine Unordnung ertragen kann und einmal die Woche zu sieht, das es keine 'Überhand' nimmt und geduldig, das Hundespielzeug wieder in eine Ecke legt.... was zur Folge hat, das Tula in Erinnerung gerufen wird, was sie doe Woche über so verteilt hat und damit dann natürlich sofort wieder beginnt.... "oh schau mal Frauchen, mein kleines Seil... das leg' ich dir mal hier hin, ja? Ich geh' mal schauen, was da noch alles so auf dem Haufen liegt" :lol:

Also, ich bin wie ich bin und meine Wohnung auch....

Die mütterlich geprägten Putzattacken haben mich wohl in frühen Jahren, dagegen resistent gemacht, auch so zu werden :P
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sonnenstrahl
Beitrag 18.Jul.2008 - 12:11
Beitrag #7


verboden vrucht
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In meiner kleinen, bunten Wohnung wird gelebt, deswegen herrscht so gut wie immer ein für mich überschaubares Durcheinander. Zumal sie nur 35 qm misst. Ab einer gewissen Chaosgrenze allerdings meldet sich mein Sinn für Ästhetik und Wohlgefühl, und schreit nach einer - meist zeitlich begrenzten - Aufräum-Aktion. So kann z.B. der Wäscheständer im Wohnzimmer mich 3 Tage gar nicht stören. Wenn dann aber noch 4 "an"getragene Jacken, 1 abgeschnittene Jeans vom letzten heissen Tag, 2 T-Shirts und eine Packung Teelichter sich auf der Sofalehne türmen, nebst einem Stapel Fachzeitschriften und einer angefangenen Schnitzerei in ihren Holz-Löckchen auf der Werkbank, dann krieg ich ´nen Rappel. Der Dreh- und Angelpunkt meiner Wohnung ist die Wohnküche. Dort koche, esse, schreibe, klöne, telefoniere ... ich. Entsprechend entstehen Biotope auf meinem Ess- und Wirk-Tisch, die ab und zu gelichtet, sortiert und aufgeräumt werden wollen. An manchen Tagen ist in der Mitte eine Schneise für den oder die Teller, Besteck, und/oder Tassen etc., und rechts und links davon ein Stapel mit Sachen (Papier, Stifte, Kerzen ...) An anderen Tagen wird stilvoll getafelt, und der ganze Plunder wird vorher anderweitig untergebracht.
Edles Geschirr hab ich noch immer nicht. Es ist komplett zusammen gewürfelt, ebenso mein Besteck. Manches vom Trödler, manches vom Flohmarkt, manches neu gekauft. Dazwischen sind einige Lieblingsstücke, z.T. teuer und handgetöpfert oder -geschmiedet.
Viele meiner Möbel sind noch immer die von "damals", als es in Hamburg noch Sperrmüll gab.

Was das Putzen angeht: Ich lasse seit vielen Jahren regelmäßig, über meinen Tauschring, einen Mann bei mir grundreinigen, der das sehr umsichtig und zu meiner Zufriedenheit macht (wenngleich auf seine ganz eigene, komplizierte Art, die mich wahnsinnig machen würde, müsste ich ihm dabei zukucken. Muss ich ja aber nicht :D ) Die Fenster müssen bei mir geputzt sein - ich hasse es, wenn die Sonne nicht mehr richtig durch kommt. Die eine oder andere Staubfluse kann ich zeitweilig gut ertragen, ein anderes Mal wisch ich die Ecken und Ränder meines Holz-Fussbodens durch, bevor mein Putzmann das nächste Mal kommt.

Was immer Beachtung findet, sind meine Pflanzen. Sie sind das erste, um was ich mich kümmere, wenn ich morgens aufsteh. "Braucht ihr was zu trinken? Wollt ihr besprüht werden? Soll ich eure Töpfe etwas drehen?"

Auf der allgemeinen Vergleichsskala würde ich mich hausfraulich als angefreakt-unbürgerlich-gemütlich-genussvolles Mittelmaß einstufen.

Besuch ist mir - sofern ich keinen eremitischen (Rest-)Tag habe, was gerne mal vorkommt - , unabhängig vom Aufgeräumtheits-Grad meiner Wohnung willkommen. Wahrscheinlich weil mein Aufräum- und Sauberkeits-Kriterium ist, dass mein Zuhause mir selbst noch behaglich erscheinen muss. Mit diesem Gefühl in mir, kann ich gut jeden darin empfangen, auch Leute, von denen ich weiss, dass sie viel pingeliger sind, als ich.

Es gibt Wohnungen, die ich höchst ungern betrete, und so schnell es geht, fluchtartig wieder verlasse, weil sie mir zu müllig, zu unstrukturiert, zu einfach-nur-funktionell-und-das-hässlich eingerichtet sind. Und bei leeren Tetrapaks, Colaflaschen, Chipstüten und - am allerallerallerschlimmsten - vollen Aschenbechern, die zwischen muffiger Schmutzwäsche überall rumstehen, ist bei mir endgültig Schluss: Da will ich nicht sein.

:)

Der Beitrag wurde von sonnenstrahl bearbeitet: 18.Jul.2008 - 12:35
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Polly
Beitrag 18.Jul.2008 - 12:36
Beitrag #8


Ego, Alter!
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Glücklich die Menschen, die es schaffen, in ihrer Wohnung Ordnung zu halten, Übersprungshandlung hin oder her. Ich bin weit entfernt davon und kann mir daher nicht den Luxus gönnen, mich für spießig zu halten. Ich weiß nur, dass das Chaos, das sichtbar Besitz von meinem Leben ergriffen hat, die Vermüllung meiner Wohnung mich langsam zermürben. Wann ich das letzte Mal systematisch aufgeräumt oder auch geputzt habe? Vor vier Jahren etwa.

Seid glücklich mit eurer Putzlust! Es gibt weiß Gott Schlimmeres.

(Im Ernst, ich glaube schon, dass die Lebensräume, in denen man sich bewegt, sehr viel über den inneren Zustand aussagen. Und da ist mir eine dezente, unpenetrante Ordnung und Sauberkeit allemal lieber als überbordender Orientierungsverlust.)
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DerTagAmMeer
Beitrag 18.Jul.2008 - 12:53
Beitrag #9


Adiaphora
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QUOTE (Lucia Brown @ 18.Jul.2008 - 12:03)
Nennen wir es die Bügelwoche bei Lucia Brown.

So eine Bügelwoche am Meer stell ich mir schön vor. :)

Bisher gehöre ich ja noch zur "Bügel-to-Go-Fraktion" - vielleicht sollte ich mal an einem Zusammenleg-Workshop beim Bund teilnehmen, damit sich so eine Vorratsbügelung auch für mich lohnt.

Darum hängt übrigens auch unsere Fusselbürste direkt neben der Tür. Ich hab keine Ahnung, was für Turboflusensiebe Leute besitzen, die mit Hunden und Katzen zusammen leben und ihren Kleiderschrank dennoch als dauerhaft haarfreie Zone etablieren konnten - bei mir klappt das nicht.

Die Spülerei mag ich ja eigentlich recht gern - sonst hätte ich mich wohl auch nicht jahrelang erfolgreich gegen einen Automaten gewehrt. Und da ich dieses Hobby mit unserem Kater teile (der unverzüglich den Abwasch übernimmt, sobald er einen dreckigen Teller unbeaufsichtigt findet) bleibt zwar nix ungespült stehen, wartet aber zuweilen vergeblich auf fröhliche Abtrockner. Und so kann das wohl einfach nix werden mit der Streifenfreiheit.

QUOTE (Lucia Brown)
Jetzt wird eingeladen zum: Grillen, Videoabend, Geburtstagen, Weihnachten, Silvester, Kaffeetrinken, Holzschlichten, Spiellabend, Urlaubsbilderanschauen ... usw. Und frau bringt auch selbstverständlich immer was mit: Blümchen oder ne Flasche Wein.


Ja!!!!! Und ich habe die dunkle Ahnung, dass da ein Zusammenhang besteht, diese Mottoabende quasi der Wirt waren, der mir dieses Übel eingeschleppt hat. Ein Trojanisches Pferd. Verschwörung!

Der Beitrag wurde von DerTagAmMeer bearbeitet: 18.Jul.2008 - 13:13
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sonnenstrahl
Beitrag 18.Jul.2008 - 12:53
Beitrag #10


verboden vrucht
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QUOTE (Polly @ 18.Jul.2008 - 13:36)
Ich weiß nur, dass das Chaos, das sichtbar Besitz von meinem Leben ergriffen hat, die Vermüllung meiner Wohnung mich langsam zermürben.

Schon mal über ein Anti-Messie-Training bzw. eine Messie-Therapie nachgedacht?
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freedom
Beitrag 18.Jul.2008 - 13:17
Beitrag #11


giraffenhalsige Dancingqueen
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@sonnenstrahl (sorry, habe das zitieren immer noch nicht gelernt, daher auf diesem wege...)
QUOTE
Es gibt Wohnungen, die ich höchst ungern betrete, und so schnell es geht, fluchtartig wieder verlasse, weil sie mir zu müllig, zu unstrukturiert, zu einfach-nur-funktionell-und-das-hässlich eingerichtet sind. Und bei leeren Tetrapaks, Colaflaschen, Chipstüten und - am allerallerallerschlimmsten - vollen Aschenbechern, die zwischen muffiger Schmutzwäsche überall rumstehen, ist bei mir endgültig Schluss: Da will ich nicht sein.


ja, jede entscheidet selbst, wo sie sein möchte und wo sie sich wohl fühlt:-)

stelle mir gerade die frage, wann ich in den letzten jahren fluchtartig den raum, saal, die hütte verlassen habe oder verlassen wollte.
das letzte mal war vor einem jahr, als ich in einem squattercamp mit begleitschutz zu besuch war und ein kleines baby sah. voller fliegen, elendiglich vor sich hinwimmernd, weil die mutter arbeiten war und auch keine kraft mehr hatte, sich um ihr kleines zu kümmern. das baby war schwarz, die fliegen um es herum auch. wolken von fliegen.

will heißen: wir haben es hier wirklich und wahrhaftig richtig gut. volle aschenbecher, schmutzwäsche...kannste knicken. es ist NICHT wichtig.

sicherlich weiß ich, dass wir hier in der ersten welt leben und die standards höher sind.
ich möchte auch kein persönliches "fass" aufmachen @ sonnenstrahl.
diese dinge gehen mir einfach nur durch den kopf.
dieses pingelige typisch deutsche, sauber, sauber, sauber. dieses ekelgefühl, vollen aschenbechern zb gegenüber.
(habe ich auch, bin raucherin und leere diese teile regelmäßigST)
die klischees, denen wir tagtäglich aufsitzen...

somit bin ich beim thema toleranz angelangt: wieviel toleranz habe ich eigentlich meinem gegenüber? was ist schmutzig? dreckig? widerlich?

meine deutschen mitbewohner (4-parteien-haus, also 3 andere parteien, 6 ältere leute) empfinden schon ein paar hundehaare als widerlich, die im hausflur liegen. sie sind rentner, ich bin die einzige "mittelalte" im haus. mein hund ist bisher der einzige hund, der mal ein paar haar läßt. was würden sie tun, wenn ich 2 kinder hätte, die jeden tag mit lehmschuhen durch den flur stapften? und schreien, spielen, kreischen würden?

wie würden SIE sich wohl fühlen, dürften sie mal in die dritte welt schauen?

ups. merke gerade, dass ich DTAMs thread zerkloppe. das möchte ich nicht!!!
es ging ja um sauberkeit und spießertum.
philister findet man überall *lächel*

trotzdem: oberlehrerinnenhaft winke ich mal mit dem staubwedel ;)
jaaaa, ich mag es auch sauber und gemütlich.

und bei muttern fühle ich mich besonders wohl - denn sie hat wöchentlich ihre "olga" aus polen, die reinemacht und immer sagt: "hund von freedom sääääähr lieb, aber viel dreckig."

freedom








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Lucia Brown
Beitrag 18.Jul.2008 - 13:21
Beitrag #12


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QUOTE (DerTagAmMeer @ 18.Jul.2008 - 13:53)

So eine Bügelwoche am Meer stell ich mir schön vor. :)


Könntest du dies für mich etwas detaillierter ausführen? ;)

Ich gehe auch davon aus, dass ein Zusammengang zur "Einbauküchen-Ordnung" und "Themenabenden mit Einladung" besteht. Doch woher kommt das?

Eine These habe ich, die da wäre. So kurz nachdem ich den elterlichen Ordnungswahnsinn entschlüpft war... dort wurde z. B. das Badezimmer mit Sakrotan geputzt... setzte zunächst eine extreme Anti-Haltung auf breiter Ebene ein. Spontanbesuche zu jeder Tages- und Nachtzeit, Bücherregale aus Obstkisten und Secondhand Möbel und Klamotten. Letzteres finde ich heute auch noch schön und erwerbe sie auch noch aus ökologischen Gründen.

Der Freundeskreis wandelte sich: so wurde mit der Frau zusammengezogen, geheiratet, Kinder bekommen, Studium beendet, Ausbildung abgeschlossen, Eltern (weil alt) gepflegt...

... daraus resultieren neue Themenschwerpunkte und Zeiten mit Freunden werden strukturierter. Und nun muß ja auch nicht mehr rebelliert werden.

Der Beitrag wurde von Lucia Brown bearbeitet: 18.Jul.2008 - 15:14
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krewati
Beitrag 18.Jul.2008 - 13:53
Beitrag #13


Salatfee
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Sehr interessantes Thema,
mit Arbeitskollegen habe ich letztens auch darüber gesprochen. Da sagte ich:
Bei mir kannst du ohne Bedenken vom Boden essen, wenn du schneller als mein Hund bist.

Ich denke das sagt alles :rolleyes:

Saugen bei Bedarf täglich, putzen 1-2mal in der Woche, benutztes Geschirr wird sofort in die Spülmaschine gepackt.
Hundespielsachen/Kuscheltiere,Zettel Stifte stören mich nicht ,auch müssen die Sofa Kissen nicht "perfekt" liegen.

Gardinen habe ich noch nicht, konnte mich nicht für die "Richtigen"entscheiden :wacko:

So fühle ich mich wohl,ich mag es halt sauber.Solange es im Alter nicht schlimmer wird :D

Allerdings artet das ganze etwas aus, sobald Freunde angemeldet sind oder ich eine Party gebe...

Bestes Beispiel meine Einweihungsparty:

Das Essen soll natürlich so sein wie ich es haben will, also macht Frau das kalt -warme Büffet selbst. Möbel müssen gegen Bierzelttische und Bänke getauscht werden, die Helfer verspäten sich,ok schiebe ich es eben passend.

Gegen 19 Uhr kommen meine Geschwister, mittlerweile drehe ich etwas am Rad, weil noch nicht geputzt ist und Geduscht hat Frau auch noch nicht...
Geschwister schimpfen erstmal mit mir und drängen mich ins Bad, mit den Worten:geputzt wird morgen.
Ganz glücklich war ich dann zwar nicht, und der Stress-Herpes kam natürlich pünktlich mit den ersten Gästen :(


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DerTagAmMeer
Beitrag 18.Jul.2008 - 13:56
Beitrag #14


Adiaphora
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QUOTE (Polly @ 18.Jul.2008 - 13:36)
Glücklich die Menschen, die es schaffen, in ihrer Wohnung Ordnung zu halten, Übersprungshandlung hin oder her. Ich bin weit entfernt davon und kann mir daher nicht den Luxus gönnen, mich für spießig zu halten.

Es gibt einfach Lebensphasen - drinnen wie draußen - da braucht es einen objektiven, unvoreingenommenen Blick von außen, um die Altlasten zu entsorgen und neu anzufangen.

Genauso wie sich Gedanken destruktiv im Kreis drehen können, gibt es nun mal Papierstapel, die man selbst immer nur umgeschichtet und nie abgelegt, geschweige denn weggeworfen bekommt. Und genauso wie verdrängte Gefühle den ruhigen Schlaf verhindern, führt Unrat, der ein Eigenleben bekommt, zu Angst und Ohnmachtsgefühlen.

Das hat für mich so gar nichts mit Spießigkeit oder kreativem Chaos zu tun - es sind einfach Depressionen, aus denen sich niemand am eigenen Schopf herausziehen kann. Da braucht es Unterstützung von außen - die muss gar nicht mal "professionell" sein. Das können und sollten Freunde füreinander tun, die nicht nur ein offenes Ohr, sondern auch einen offenen Müllsack zu bieten haben und auch mal bereit sind, sich die Finger dreckig zu machen ohne die Nase zu rümpfen.

Erst danach kann man anfangen, sich ein "Funktionsgerüst" anzutrainieren, Regelmäßigkeiten, Routinen und Absprachen, die manischen und depressiven Phasen trotzen können. Und das klappt. Hand drauf.

Und ich glaube gerade WEIL auch meine Psyche einen so ausgeprägten Draht zur Materie um mich herum hat, die sich sich nur schwer von Stimmungen und Befindlichkeiten lösen lässt und mir tatsächlich als Spiegel der Seele dient, ärgert mich der Einzug dieser "Was-sollen-die-Leute-von-mir-denken-Ansprüche".

Mein Problem ist vielleicht einfach, dass Freundschaften zunehmend durch Bekanntschaften ersetzt werden - und denen offenbare ich ungern mein Innerstes.
:was:

Der Beitrag wurde von DerTagAmMeer bearbeitet: 18.Jul.2008 - 14:09
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DerTagAmMeer
Beitrag 18.Jul.2008 - 14:07
Beitrag #15


Adiaphora
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QUOTE (Lucia Brown @ 18.Jul.2008 - 14:21)
QUOTE (DerTagAmMeer @ 18.Jul.2008 - 13:53)

So eine Bügelwoche am Meer stell ich mir schön vor. :)

Könntest du dies für mich etwas detaillierter ausführen? ;)

Klar :D
"Bügeln und Wäschemachen" gehörte so zu den wenigen Beschäftigungen, bei denen zwischen meiner Mutter und mir stets absolute Harmonie und Eintracht herrschte, anspruchsfreie Schnulzen in der Glotze liefen und die Gespräche freundlich und zwanglos dahinplätscherten.
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LadyGodiva
Beitrag 18.Jul.2008 - 14:37
Beitrag #16


Strøse
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Ich glaube, die menschliche Chaosbegabung ist per se nicht etwas, das unbedingt therapiert werden muss, oder gar kuriert werden kann. Äußere Zeichen deuten und den Wechelbezug zum eigenen Zustand durch recht einfache Analogien herzustellen, wie dtam es dargestellt hat, scheint mir vielversprechender.
Ich habe von einer Freundin meiner ehemaligen Partnerin den Beinamen "Putzi" erhalten, weil es für mich anfangs in meiner Berliner Zeit eine ungeheuerliche Vorstellung war, dass Wohnungsinhaberinnen ihre Fenster maximal einmal im Jahr putzen - und ich beständig alle vier Wochen mit Eimer, Leiter und Abzieher durch die Wohnung turnte.
Inzwischen hat sich die Frequenz auch deutlich verringert, aber die Grundzüge sind noch vorhanden; also die aufrichtige Freude angesichts streifenfreien Glanzes in der kleinen Hütte.
Für meine Mutter bin und bleibe ich dennoch eine - O-Ton - "Schl*mpe".
Früher hat mich das gekränkt, heute sehe ich einfach die unterschiedlichen Maßstäbe.

Ein recht abschreckendes Beispiel habe ich am eigenen Elternhaus - so miste ich regelmäßig meinen Papierwust aus. Rechnungen, die nach zwei Jahren keine Bedeutung mehr haben, werden so beispielsweise von mir radikal aussortiert. Glücklicherweise habe ich nicht die Veranlagung, meine Erinnerungsvermögen vorrangig auf Gegentständliches stützen zu müssen - oder nichtoffizielle Lebensdokumente (Eintrittskarten, Kinderbilder,...) als etwas Sakrosanktes zu betrachten.

Ich habe gerne Gäste. Und bin auch leidenschaftlich eine Seltsam-Hausfrau, die gerne ihren unschlagbaren :rosie: Käsekuchen serviert (und dabei geflissentlich unter den Tisch fallen lässt, dass der Zitronenkuchen letzte Woche die Katastrophe war) und bei der Papierservietten ganz selbstverständlich neben zehntausend Dekosteinchen und -lichtern auf dem Esstisch zu finden sind. :lol:
Einzig Schürzchen trage ich zu besonderen Anlässen.

Der Beitrag wurde von LadyGodiva bearbeitet: 18.Jul.2008 - 15:06
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Polly
Beitrag 18.Jul.2008 - 14:38
Beitrag #17


Ego, Alter!
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QUOTE (DerTagAmMeer @ 18.Jul.2008 - 13:56)
Es gibt einfach Lebensphasen - drinnen wie draußen - da braucht es einen objektiven, unvoreingenommenen Blick von außen, um die Altlasten zu entsorgen und neu anzufangen.

Genauso wie sich Gedanken destruktiv im Kreis drehen können, gibt es nun mal Papierstapel, die man selbst immer nur umgeschichtet und nie abgelegt, geschweige denn weggeworfen bekommt. Und genauso wie verdrängte Gefühle den ruhigen Schlaf verhindern, führt Unrat, der ein Eigenleben bekommt, zu Angst und Ohnmachtsgefühlen.

Das hat für mich so gar nichts mit Spießigkeit oder kreativem Chaos zu tun - es sind einfach Depressionen, aus denen sich niemand am eigenen Schopf herausziehen kann. Da braucht es Unterstützung von außen - die muss gar nicht mal "professionell" sein. Das können und sollten Freunde füreinander tun, die nicht nur ein offenes Ohr, sondern auch einen offenen Müllsack zu bieten haben und auch mal bereit sind, sich die Finger dreckig zu machen ohne die Nase zu rümpfen.

Erst danach kann man anfangen, sich ein "Funktionsgerüst" anzutrainieren, Regelmäßigkeiten, Routinen und Absprachen, die manischen und depressiven Phasen trotzen können. Und das klappt. Hand drauf.

Und ich glaube gerade WEIL auch meine Psyche einen so ausgeprägten Draht zur Materie um mich herum hat, die sich sich nur schwer von Stimmungen und Befindlichkeiten lösen lässt und mir tatsächlich als Spiegel der Seele dient, ärgert mich der Einzug dieser "Was-sollen-die-Leute-von-mir-denken-Ansprüche".

Mein Problem ist vielleicht einfach, dass Freundschaften zunehmend durch Bekanntschaften ersetzt werden - und denen offenbare ich ungern mein Innerstes.
:was:

Ich muss jetzt mal deinen ganzen Beitrag zitieren, weil ich am liebsten auf alles antworten möchte.

Du hast völlig Recht, auch wenn in diesem Fall die Ferndiagnose Depression nicht zutrifft. In Wirklichkeit ist es so, dass ich mich seit vier Jahren so mit Arbeit zuschaufele, dass ich schlichtweg nicht dazu komme, irgendetwas aufzuräumen, oder auch zu anderen lebensnotwendigen Dingen. Warum das so ist, steht auf einem ganz anderen Blatt. Um in die unschönen Details zu gehen: Selbst Essen, Schlafen, Bewegung und Körperhygiene habe ich auf ein ungesundes Minimum reduziert.

Ich träume davon, mal eine Woche Zeit zu haben, um alles Mögliche wegzuwerfen. Aber wenn es sich um die Bank- und Versicherungsunterlagen der letzten Jahre handelt, ist es vielleicht nicht überaus klug, sie in den Müll zu befördern.

Was will ich eigentlich sagen, außer mich selbst zu bemitleiden? Nun, das Äußere ist ein Spiegel des Selbstes, und wenn es verwahrlost, ist das genauso bedenklich, wie wenn es zwanghaft erstarrt. Die rigide Ordnung vieler Wohnverhältnisse und der Sauberkeitswahn, der manche Leute befällt, ist meines Erachtens ein Symptom innerer Leere und Unfreiheit, ja vielleicht sogar existenzieller Ängste.

Der Verlust von echten Bindungen, all die oberflächlichen Bekanntschaften, die sich zumeist aus den Lebensumständen ergeben - man trifft eben nur noch die Leute, die man sowieso trifft (Arbeit, Kindergarten, Wohnviertel, Sport etc.) -, das ist etwas, was ich auch sehr gut kenne und bedauere. Ich denke auch, es ist ein ähnliches Phänomen wie der Konformismus des Wohnens: eine innerliche Erstarrung. Der Kerker, den man sich in 40 Jahren erfolgreich selbst gebaut hat. Und die Angst, ihn wieder verlassen zu müssen, wenn der Sensenmann anklopft.
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DerTagAmMeer
Beitrag 18.Jul.2008 - 15:00
Beitrag #18


Adiaphora
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QUOTE (Polly @ 18.Jul.2008 - 15:38)
Du hast völlig Recht, auch wenn in diesem Fall die Ferndiagnose Depression nicht zutrifft.

Oh, da hab ich mich ungeschickt ausgedrückt - ich hab nicht diagnostizieren wollen (schon gar nicht aus der Ferne), sondern meinte wirklich Zeiten in meinem eigenen Leben, in denen ich aus dem überdrehten Chaos hyperaktiver Wochen unmittelbar in einem finsteren Ausgleichsloch gelandet bin, ohne zwischendurch Gelegenheit zum Aufräumen und Papierkramerledigen zu haben. Beide Extreme sind der Ordnung um mich herum nicht sehr zuträglich - krank finde ich das nicht, eher logisch und sinnvoll.

QUOTE (Polly)
In Wirklichkeit ist es so, dass ich mich seit vier Jahren so mit Arbeit zuschaufele, dass ich schlichtweg nicht dazu komme, irgendetwas aufzuräumen, oder auch zu anderen lebensnotwendigen Dingen.


Dumme Frage: Gibt es denn einen zwingenden Grund für Deine Überarbeitung? Nach Deiner Beschreibung dürfte doch jeder Feld-Wald-und-Wiesen-Doktor die körperlichen Folgen Deiner Dauerüberlastung erkennen und Dir mit einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ein wenig Luft verschaffen können - oder denke ich da zu einfach?
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PikSieben
Beitrag 18.Jul.2008 - 15:21
Beitrag #19


ausgewilderte Großstadtpflanze
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QUOTE (DerTagAmMeer @ 18.Jul.2008 - 14:56)

Mein Problem ist vielleicht einfach, dass Freundschaften zunehmend durch Bekanntschaften ersetzt werden - und denen offenbare ich ungern mein Innerstes.
:was:

Das empfinde ich auch so.
Es gibt nur wenige Menschen, die ich zu jeder Tages- und Nachtzeit in meine Wohnung lassen würde, ungeachtet dessen, wie es dort aussieht. Und auch ich betrachte es als Ehre, wenn jemand mich ohne hektisches Rumgeräume in seine/ihre Wohnung lässt. Allerdings bin ich auch dann froh, wenn ich bestimmte Dinge nicht sehen oder riechen muss.

Ich selbst lebe derzeit auch nur in einer kleinen paarunddreißig-Quadratmeter-Klitsche und die sieht schnell vollgemüllt aus. Ich habe viel mit allerhand Zetteln zu tun, die über einen gewissen Zeitraum als "aktuell" einzustufen sind und die ich daher nicht wegräumen mag. Ergebnis: Sämtliche Tischflächen sind mit Büchern, Heften, Papierstapeln und Stiften bedeckt, kurz: mit Arbeit. Und ab und zu verschwindet dazwischen auch mal persönliches Zeugs. Post, ein Buch oder persönliche Gegenstände.
Solange all dieser Papierkram nicht weggeräumt ist, habe ich nie das Gefühl, wirklich "frei" zu haben. Daher genieße ich es sehr, wenn ich mal Zeit habe, alles abzuschließen, einzuheften, WEGzuräumen. Und dann erst wandelt sich mein Arbeitszimmer in ein WOHNzimmer. :)
Und obwohl das alles so irgendwie fast begründbar ist (es liegt ja auch nichts Fettiges, Angeknabbertes, Aufgerauchtes :wacko:, Lebendiges oder so dazwischen rum, höchstens mal was "An-getragenes" :roetel: (sonnenstrahl :zustimm: gutes Wort), mag ich in dieses Chaos keine Arbeitskolleginnen, Noch-nicht-ganz-so-gute-Freundinnen, Eltern oder andere Bekannte-und-Verwandte einlassen. Das hat schon etwas mit dTaMs Aussage zu tun: Ich möchte denen nicht so viel von mir preisgeben.
Und wenn ich aus lauter Zeitmangel mal nicht zum Bad-Putzen gekommen bin, ist mir das eigentlich vor ALLEN Menschen peinlich. Das wiederum hat aber viel mit Projektion zu tun: Ich selbst halte mich auch gern von anderer Menschen Hinterlassenschaften des Hygienisierungsprozesses fern. Und dann möchte ich das auch anderen nicht umgekehrt zumuten müssen. Das hat für mich weniger mit Spießigkeit als viel mehr mit Respekt zu tun. Und weil ich selbst mit zunehmendem Alter empfindlicher geworden bin, hat sich da in den letzten 13 (?) Jahren auch viel verändert.

Pik7

edit: "an-" nicht "halb"getragen

Der Beitrag wurde von PikSieben bearbeitet: 18.Jul.2008 - 15:26
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MrsM
Beitrag 18.Jul.2008 - 15:24
Beitrag #20


der frühe Vogel kann mich mal......und nicht nur der .... :-)
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QUOTE (sonnenstrahl @ 18.Jul.2008 - 12:11)

Es gibt Wohnungen, die ich höchst ungern betrete, und so schnell es geht, fluchtartig wieder verlasse, weil sie mir zu müllig, zu unstrukturiert, zu einfach-nur-funktionell-und-das-hässlich eingerichtet sind. Und bei leeren Tetrapaks, Colaflaschen, Chipstüten und - am allerallerallerschlimmsten - vollen Aschenbechern, die zwischen muffiger Schmutzwäsche überall rumstehen, ist bei mir endgültig Schluss: Da will ich nicht sein.

:)

Ich mache einen großen Unterschied, zwischen chaotisch und 'unsauber'....

ok, ich würde, aufgrund meiner 4beinigen Mitwohnerin, nicht vom Boden essen, getragene Socken und sonstige Kleidung findet frau bei mir auch nur, wenn Hund sie irgendwo rausgezogen hat und als neue Beute rum schleppt.... so ist es mit Hund halt...

Ansonsten kann frau sich bei mir (behaupte ich jetzt mal) überall hin setzen und auch sicher durchatmen wenn sie meine Wohnung betritt, auch wenn mal noch eine Kaffeetasse vom Morgen auf dem Tisch steht...

Chaos ist nicht gleich dreckig
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