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> Die Kategorisierung der Flüchtlinge, Unterscheidung zwischen Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlingen
Lucia Brown
Beitrag 14.Sep.2015 - 22:36
Beitrag #21


- keep it up you go girl -
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Als ich heute Abend von der Arbeit nach Hause ging, mein Weg führte mich dabei quer durch die Innenstadt, hörte ich kaum Deutsch. Mir kam der Gedanke, dass ich nicht weiß, wie die Dialekte, Sprachen der Menschen aus Syrien, Kosovo, Albanien, Irak usw. überhaupt klingen. Wie soll ich dann überhaupt noch unterscheiden, warum die Menschen hierher geflüchtet sind.

Ich kann gar nicht alle Sprachen lernen. Doch ich kann Musik.

Die Musik ist eine Sprache, die Menschen und Welten miteinander verbinden. Zu meinen Musikangeboten kommen Flüchtlinge und wir können voneinander lernen, indem wir unsere kulturellen musikalischen Wurzeln austauschen.


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Schräubchen
Beitrag 02.Nov.2015 - 19:35
Beitrag #22


Dreht manchmal durch...
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Irgendwie wird mir mein Kommilitone immer suspekter. Bis Anfang letzter Woche veröffentlichte er täglich mehrere Artikel diverser Onlinezeitungen, die sich allesamt gegen die Asylpolitik richteten, bzw. in denen Menschen einer bestimmten Partei zu Wort kamen, die alles andere als fremdenfreundlich sind. Einmal habe ich auf einen seiner Post geantwortet. Er hatte dort geschrieben, dass es Zeit würde "geeignete Mittel" einzusetzen. Das hatte mich irritiert, weshalb ich nachgefragt habe, was er denn damit meine. Seine Antwort hat mich noch mehr aus dem Konzept gebracht. Er meinte, dass "dies (also die öffentliche Seite von FB) nicht der geeignete Raum sei um über diese Mittel zu referiern".
Letzte Wochen haben die Dozenten unserer Fakultät eine eigene FB-Seite aufgemacht und uns als gute Studenten (IMG:style_emoticons/default/biggrin.gif) gefällt das natürlich. Direkt danach hat der Kommilitone einige seiner Post von seiner Seite entfernt, u.a. auch den, zu dem ich die Frage gestellt hatte. Ein Schelm, der böses dabei denkt!?
Gestern habe ich dann einen Bericht der Tageschau geteilt. Anstelle direkt unter meinem Post zu antworten, hat er mich persönlich angeschrieben. Dabei hat er mir einen Link geschickt, dass einer dieser oben genannten Partei zu Waffengewalt rät, wenn die Situation an den Grenzen nicht besser wird. Dazu schrieb mir der Kommilitone, dass er genau dies "prophezeit" habe und dass es früher oder später zu Neuwahlen komme und dies somit nur eine Frage der Zeit wäre. Er sagte, "es ist demokratischer, wenn unsere Polizei das macht, als dass Merkel das an Erdogan und die Türkei delegiert".
Ehrlich gesagt, bin ich grad fassungslos. Ich hab ihm nur geantwortet, dass ich mit ihm nicht über dieses Thema weiter diskutieren möchte, weil wir da eh nicht auf einen grünen Zweig kommen und jetzt schreibt er mich pausenlos an. Kommt mir mit Statistik, die er aber nicht belegt (und das obwohl er immer alles belegt). Meint, dass es egal wäre, wenn es sich bei den Flüchtlingen um Österreicher oder Holländer handelte, aber dass es doch nicht geht, dass die alle aus einer so fremden Kultur kommen.

Was mich am meisten schockiert, ist, dass dieser Kommilitone auch Theologie studiert und mit mir im selbigen Gremium ist. Das heißt, wir vertreten die Studierenden unserer Fakultät und darunter sind eben nicht nur Deutsche, Österreicher oder Holländer. Ehrlich gesagt, weiß ich grad nicht, wie ich mit der Situation umgehen soll. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum ich euch damit belästige und mir das hier von der Seele schreibe. Verzeiht.
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Cassia
Beitrag 03.Nov.2015 - 00:19
Beitrag #23


Naschkatze
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Ich glaube, dass bei vielen Menschen hinter der Fremdenfeindlichkeit eher die Kompensation eigener Probleme steckt. Die wenigsten,
die mit sich und ihrer Situation im Großen und Ganzen zufrieden sind, neigen zu verbaler oder tatsächlicher Gewalt.
Von daher würde es gar nichts bringen, wenn Du mit ihm diskutierst. Entweder wird er auf jedes Argument mit einem Gegenbeispiel
antworten oder, wenn ihm kein passendes einfällt, mir irgendwelchen Phrasen daherkommen.

Einerseits halte ich es für falsch, solche Leute komplett zu ignorieren, aber auf der anderen Seite, weiß ich auch nicht so recht, wie man
mit ihnen umgehen soll.
Sie als dumme Rassisten zu bezeichnen würde sie vermutlich nur ermuntern, jetzt erst recht loszulegen. Mit ihnen zu reden ist wahrscheinlich
auch nicht besonders ergiebig (siehe oben) ...

Dass er Theologie studiert, sagt doch eigentlich gar nichts. Ein kluger Mensch hat mal gesagt "man wird ja auch kein Auto, nur weil man in
eine Garage geht". So gesehen sagt das Studium, die Ausbildung, der Beruf oder was auch immer, nichts über den Charakter oder das Weltbild
eines Menschen aus.

Mein Vorschlag auf Deine Frage wäre folgender: Es ist wohl das beste, sich überhaupt nicht mehr groß mit diesem Studenten auszutauschen.
Vielmehr würde es Sinn machen, die aktuelle Situation neutral und vor allem von allen Seiten zu beleuchten, und dabei auch auf die Ängste der
Leute einzugehen.
Ich glaube, dass viele im Grunde gar keine allzu negativen Tendenzen gegenüber Ausländern/Asylsuchenden etc. haben, sich aber unverstanden
fühlen und bei jeder Äußerung gleich in die rechte Ecke geschoben sehen. Das führt dann oft zu der sogenannten self-fulfilling prophecy und "Peng"
sind neue Anhänger gewisser Parteien geboren.
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-Agnetha-
Beitrag 03.Nov.2015 - 23:42
Beitrag #24


ungerader Parallel-Freigeist
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Mich machen die vielen Kommentare gegen Flüchtlinge in den sozialen Netzwerken traurig. Wenn ich kann, schreibe ich auch meistens etwas dazu.

Leider hetzt in Österreich die FPÖ gegen Flüchtlinge und verbreitet viele Unwahrheiten, die leider auch geglaubt werden.

Mir kommt es so vor als würden sich zwei Lager bilden, aber beide schießen über das Ziel hinaus.

Viele, die eigentlich grundsätzlich meine Einstellung haben (Flüchtlinge sind willkommen, sie hatten gute Gründe her zu kommen), bezeichnen Menschen die sich negativ über Flüchtlinge äußern gleich als Nazis.
Das finde ich persönlich auch nicht richtig und vor allem nicht sinnvoll.

Wenn ein Mensch die Meinung hat, dass wir in Österreich/Deutschland keinen Platz für Flüchtlinge haben und sie wo anders hin gehen sollen, dann ist man alleine durch diese Aussage für mich kein Nazi.
Die Aussage ist zwar nicht sehr warmherzig, sagt für mich aber eigentlich (noch) nicht aus, dass Menschen anderer Herkunft weniger wert sein sollen.

Ein Beispiel:

Person A: Ich finde wir haben jetzt genug Flüchtlinge. Mehr können wir nicht aufnehmen! Wo soll das enden?
Person B: Schon wieder so ein Nazi, halt die Klappe.

Person A wird durch die Antwort von Person B ihre Meinung sicherlich nicht ändern. Sie ärgert sich nur.

Leider gibt es natürlich schon auch Kommentare die deutlich in eine antisemitische Richtung gehen, das steht außer Frage.

Aber wenn man von diesen absieht, frage ich mich eben ob es sinnvoll ist den "besorgten Bürgern" auf der "Keine Nazis"-Schiene entgegen zu kommen.
Til Schweiger setzt sich ja zB sehr ein, was ich auch toll finde. Aber ob das unbedingt die richtige Methode ist, weiß ich nicht.
Eher halte ich es für sinnvoll immer wieder aufzuklären, Fakten zu nennen, Hetz-Artikeln mit den richtigen Fakten den Wind aus den Segeln zu nehmen.....

Was meint ihr?




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Cassia
Beitrag 04.Nov.2015 - 00:06
Beitrag #25


Naschkatze
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ZITAT(-Agnetha- @ 03.Nov.2015 - 23:42) *
Eher halte ich es für sinnvoll immer wieder aufzuklären, Fakten zu nennen, Hetz-Artikeln mit den richtigen Fakten den Wind aus den Segeln zu nehmen.....


Ich stimme Dir voll und ganz zu und würde jeden Satz unterschreiben.

Dennoch finde ich es wichtig, sich langfristig Gedanken zu machen - und dies schließt auf jeden Fall die Herkunftsländer sowie die
dortige Situation mit ein. Wie geht es dort weiter, wie lässt sich die Infrastruktur wieder aufbauen (wenn jemals die Gelegenheit
dazu kommt), wie kann man die Menschen vor Ort langfristig dazu bringen, in ihrem Land zu bleiben und dort eine Perspektive zu
sehen?

Mir wird hierzulande von Politikerseite viel zu sehr von Zäunen, Grenzüberwachung u. Ä. gesprochen. Konkrete Aktionen in den
Herkunftsländern, wie man die Lage dort stabilisieren kann usw. werden dagegen überhaupt nicht diskutiert.
Besonders schlimm finde ich es, dass diverse Organisationen schon vor Jahren die Zustände in den Flüchtlingslagern z. B. im Irak
oder im Libanon angeprangert haben. Hätten wir damals reagiert, dann würden sich heute nicht so viele Menschen genötigt
sehen, tausende von Kilometern bis nach Europa zurückzulegen - so spaßig ist das nämlich auch nicht.

Der Beitrag wurde von Cassia bearbeitet: 04.Nov.2015 - 00:07
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So What
Beitrag 04.Nov.2015 - 01:06
Beitrag #26


Suppenköchin
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Ich fände es sehr schön und nicht ganz so verletzend, wenn man aufhören würde, von Menschen, die zufälligerweise nicht hier geboren sind, als willen- und rechtslosen Objekten oder Marionetten zu reden. Vor allem, anstatt mit ihnen selbst zu reden, als wären sie keine Menschen.
Wie wäre es, wenn ich den selbsternannten "echten" Deutschen jetzt verbieten würde, ihre Staatsgrenzen zu verlassen?
Es ist absolut richtig, an die Situation in anderen Ländern zu denken und zu versuchen, sie zu verbessern. Aber niemand, aber auch wirklich NIEMAND hat das Recht, andere Menschen dazu zu "bringen", gefälligst in ihrem "Herkunftsland" zu bleiben. Wo soll das bitte denn sein? Migration ist NORMAL. Jeder Mensch hat einen so genannten "Migrationshintergrund", wenn man nur lange zurück schaut. Was heute passiert, ist nichts Besonderes, und auch die Debatten und die Panikmacherei gab es vor Jahrzehnten schon, und zwar in erschreckend ähnlicher Form.
Diese Debatten sind willkürlich und zutiefst rassistisch. Menschen werden wie Bäume behandelt, die Wurzeln haben und schön in ihrem Biotop bleiben sollen. Man sagt "Migration" und meint selbstverständlich transnationale Migration. Das, was heute Deutschland heißt, bestand früher aus mehreren kleinen Staaten, machen wir doch am besten gleich die Grenze zwischen Preußen und Sachsen wieder zu! Wir sind alle Migranten, auch solche, die sich anmaßen, keine zu sein. Ein Umzug von Hamburg nach München ist auch Migration. Dass das nicht so gesehen wird, ist ein Ergebnis von gewaltvollen, oft tödlichen Machtverhältnissen.
Es sollte ein Recht jeder Person sein, selbst zu entscheiden, wo sie hingehört, und nicht nach ihrer Geburt beurteilt zu werden. Alles Andere ist Ausgrenzung und Chauvinismus. Und wer ein ganzes Territorium mit seinem Schlafzimmer verwechselt und so tut, als würde ihm hier alles gehören, leidet an massivem Realitätsverlust und völkischem Wahn.


@Schräubchen: Diese besagte Partei, die zu Waffengewalt aufrief, hat daraufhin mehrere Hundert Strafanzeigen kassiert, was mich sehr beruhigt. Ich weiß leider keinen Rat, da mein Pazifismus bei solchen Aussagen wie denen deines Kommilitonen einfach an seine Grenzen stößt. Ich würde ihm Kontaktaufnahme verbieten, alles dokumentieren, auf die Möglichkeit einer Strafanzeige hinweisen und bei Zuwiderhandlung das auch umsetzen. Ich habe nur den Eindruck, dass das nicht der richtige Weg für dich wäre. Es tut mir unheimlich leid, dass du dich mit solchen Menschen und Aussagen herumschlagen musst.

Der Beitrag wurde von So What bearbeitet: 04.Nov.2015 - 01:07
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Cassia
Beitrag 04.Nov.2015 - 01:50
Beitrag #27


Naschkatze
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Mit "wie kann man die Menschen vor Ort langfristig dazu bringen, in ihrem Land zu bleiben und dort eine Perspektive zu sehen?"
meinte ich nicht, den Leuten zu verbieten ihr Land zu verlassen.
Vielmehr ging es mir um Folgendes: Warum verlassen so viele Menschen in diesen Tagen ihre Heimat? Nicht, weil sie das Reisefieber
gepackt hat, sondern weil sie in ihrem Land beruflich keine Perspektive sehen oder weil die Zustände z. B. wegen Bürgerkrieg/Terrorismus
so schlimm geworden sind, dass sie um ihre Leben fürchten müssen. Diese Menschen reisen nicht freiwillig um die halbe Welt.

Und darauf wollte ich hinaus. Denjenigen, die eigentlich gerne in ihrem Land bleiben würden, soll die Chance gegeben werden, dies auch
gefahrlos tun zu können. Die meisten mit denen ich gesprochen habe, würden nur allzu gerne sofort wieder in ihr Heimatland zurück-
kehren. Vielen ist es in Deutschland zum Beispiel viel zu kalt. Doch das geht erst dann, wenn sich die Lage in ihren jeweiligen Ländern
stabilisiert hat - und das wird kaum von selbst passieren.

Der Beitrag wurde von Cassia bearbeitet: 04.Nov.2015 - 01:58
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So What
Beitrag 04.Nov.2015 - 02:19
Beitrag #28


Suppenköchin
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Ok, wenn du nur diejenigen meintest, die eine erzwungene Migration hinter sich haben und eigentlich zurück gehen wollen, finde ich das völlig richtig. Ach, Frieden ist doch was Tolles (IMG:style_emoticons/default/biggrin.gif)

Es ist so schwer, das zu unterscheiden. Menschen sind eben sehr komplex, migrierende Menschen erst recht. Bei vielen gibt es so viele Faktoren und Motive, manche selbstbestimmt und freiwillig, manche nicht, bei den meisten scheint es eine Mischung zu sein. Ich habe vor Kurzem eben mit einigen gesprochen, die geflohen sind hier arbeiten oder studieren wollen, aber nicht dürfen, und das macht mich echt fertig. Die wollen eine Perspektive, und zwar hier und jetzt. Und andere wollen dann lieber zurück. Und wieder manche (wie meine Wenigkeit) sind seit Jahren hier, haben sich ein Leben aufgebaut oder sind sogar hier geboren und haben einfach keinen Bock mehr, bewertet, inspiziert und verdächtigt zu werden für ihre bloße Existenz, die eigentlich selbstverständlich sein soll.
Kulturen sind fließend und wandelbar. Staatsgrenzen sind nichts Dauerhaftes, wir alle sehen alle paar Jahre mal, wie sie sich verändern. Es ist nichts, wofür mensch sterben oder sterben lassen sollte.
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Sägefisch
Beitrag 04.Nov.2015 - 02:26
Beitrag #29


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Deutsche Hybris. Selten gut gegangen.
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Cassia
Beitrag 04.Nov.2015 - 02:43
Beitrag #30


Naschkatze
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ZITAT(So What @ 04.Nov.2015 - 02:19) *
Ok, wenn du nur diejenigen meintest, die eine erzwungene Migration hinter sich haben und eigentlich zurück gehen wollen, finde ich das völlig richtig. Ach, Frieden ist doch was Tolles (IMG:style_emoticons/default/biggrin.gif)


Genauso habe ich es gemeint und ja, ich stimme Dir zu, Frieden ist wirklich etwas Tolles. (IMG:style_emoticons/default/flowers.gif)

ZITAT(So What @ 04.Nov.2015 - 02:19) *
Es ist so schwer, das zu unterscheiden. Menschen sind eben sehr komplex, migrierende Menschen erst recht. Bei vielen gibt es so viele Faktoren und Motive, manche selbstbestimmt und freiwillig, manche nicht, bei den meisten scheint es eine Mischung zu sein. Ich habe vor Kurzem eben mit einigen gesprochen, die geflohen sind hier arbeiten oder studieren wollen, aber nicht dürfen, und das macht mich echt fertig. Die wollen eine Perspektive, und zwar hier und jetzt. Und andere wollen dann lieber zurück. Und wieder manche (wie meine Wenigkeit) sind seit Jahren hier, haben sich ein Leben aufgebaut oder sind sogar hier geboren und haben einfach keinen Bock mehr, bewertet, inspiziert und verdächtigt zu werden für ihre bloße Existenz, die eigentlich selbstverständlich sein soll.
Kulturen sind fließend und wandelbar. Staatsgrenzen sind nichts Dauerhaftes, wir alle sehen alle paar Jahre mal, wie sie sich verändern. Es ist nichts, wofür mensch sterben oder sterben lassen sollte.


Im Idealfall sollte jeder die Möglichkeit haben selbst zu entscheiden, wo und wie er leben möchte. Vermutlich wäre in der Tat einiges
leichter, wenn nicht ständig Vorurteile, Nationalismus, Extremismus usw. vielen Menschen ein selbstbestimmtes Leben unmöglich
machen würden.
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McLeod
Beitrag 04.Nov.2015 - 09:44
Beitrag #31


mensch.
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Vor 10 Jahren hat mein Vater kapituliert vor den Sozialsystemen, den Arbeitsagenturen, aufgezwungenen Bewerbungstrainings, wirtschaftspolitischer Hilfslosigkeit in einem ehemals agrargeprägten Flächenland das nur noch vom Tourismus 7 Monate im Jahr zu leben versucht und vielen Absurditäten der Agenda 2010, vor allem der Tatsache, dass seine Arbeitgeber fürs Einstellen Geld bekamen, nicht fürs Angestellt-halten. Es hat ihn entwürdigt. Ein kluger Kopf, der aber nicht gut in so sonderbare Regelwerke passt und der in seienr Unangepasstheit lange auch immer wieder ein gutes Berufsleben und ein gutes Leben hatte. Und dann hat er frustriert, fahrig und perspektivlos auf einen Teil seiner Rente verzichtet und ist früher in selbige gegangen. Ich bin sehr froh, dass er als Generation68 dieser Anti-Naziväter-Haltung treu geblieben ist. Seine Paranoia und Wut lebt er im Bereich Patientenverfügung und Entrechtung dementer Menschen aus, die verschwörungstheoretisch von irgendwelchen umherziehenden, vorträge-haltenden Professoren und Dr. Dr. irgendwas genährt wird.

Und auch wenn es wirklich Unsympathen sind, von denen viel zu viele kriminell werden und un-glaub-lich menschenfeindlich agieren, keifen, sprechen... Ich glaube es wäre ganz gut, wenn wir zusätzlich zu den Stabilisierungs-Maßnahmen in den Herkunftsregionen der Menschen die hierher kommen auch über die Gründe nachdenken, warum es Menschen hierzulande so geht, dass sie so saumäßig wütend werden und sich an den vermeintlich noch Schwächeren abreagieren. Und mal ehrlich: mir geht es ja ganz gut, wirtschaftlich. Und trotzdem fühlt sich das aktuelle Wirtschaftssystem für mich so an, dass es nicht sonderlich fair zugeht. Und das Sozialsystem als eins, in das ich lieber nicht geraten möchte. Ein Labyrinth aus Teufelskreisen. Nur von außen betrachtet. Wenn wir denken, wir könnten in der Fremde für eine Stabilität sorgen, dann müssten wir das hierzulande doch auch können. Es würde das Land befrieden.

Behaupte ich. Was denkt Ihr? Herzlich
McLeod

Der Beitrag wurde von McLeod bearbeitet: 04.Nov.2015 - 09:44
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Cassia
Beitrag 04.Nov.2015 - 12:40
Beitrag #32


Naschkatze
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ZITAT(McLeod @ 04.Nov.2015 - 09:44) *
Und auch wenn es wirklich Unsympathen sind, von denen viel zu viele kriminell werden und un-glaub-lich menschenfeindlich agieren, keifen, sprechen... Ich glaube es wäre ganz gut, wenn wir zusätzlich zu den Stabilisierungs-Maßnahmen in den Herkunftsregionen der Menschen die hierher kommen auch über die Gründe nachdenken, warum es Menschen hierzulande so geht, dass sie so saumäßig wütend werden und sich an den vermeintlich noch Schwächeren abreagieren. Und mal ehrlich: mir geht es ja ganz gut, wirtschaftlich. Und trotzdem fühlt sich das aktuelle Wirtschaftssystem für mich so an, dass es nicht sonderlich fair zugeht. Und das Sozialsystem als eins, in das ich lieber nicht geraten möchte. Ein Labyrinth aus Teufelskreisen. Nur von außen betrachtet. Wenn wir denken, wir könnten in der Fremde für eine Stabilität sorgen, dann müssten wir das hierzulande doch auch können. Es würde das Land befrieden.


Das sehe ich ähnlich. Vor Jahren habe ich mal ein junges Pärchen in der Trambahn belauscht. Damals war gerade das Thema
Fair-Trade wieder groß im Gespräch - da meinte die Frau, dass es sicher wichtig sei, Bauern in sog. Dritte-Welt-Ländern zu
unterstützen, aber wieso denkt z. B. niemand an die heimischen Bauern, denen die Konzerne mit ihrem Niedrigpreis für Milch
das Wasser abdrehen?

Oder: Mir hat vor kurzem ein Mann einen Räumungsbescheid des Wohnungsamtes vorgelegt. Er muss seine Wohnung, in der
er mehr als dreißig Jahre gelebt hat, verlassen und in eine billigere 1 1/2-Zimmer-Wohnung ziehen. Der "Witz" bei der Sache
ist, dass seine Wohnung das Wohnungsamt ca. 650 Euro gekostet hätte, die neue Wohnung dagegen über 850 Euro.
Dem Amt war seine alte Wohnung aber zu groß und da es nach Quadratmetern geht, musste er raus ...

Meistens bekommt man zu hören, dass es uns - trotz allem - doch gar nicht so schlecht geht und wenn wir uns mit denjenigen
vergleichen, die aus wirklich armen Ländern kommen, dann sollten wir uns für unser "Gejammer auf hohem Niveau" gefälligst
in die nächste Ecke stellen und schämen.

Ich glaube, dass es falsch ist, Probleme miteinander zu vergleichen, um dann die größeren ernst zu nehmen und die im Kontext
weniger wichtig erscheinenden unter den Teppich zu kehren.
Dem Obdachlosen hier geht es auch nicht besser wenn man ihm sagt, dass es seinem Pendant in Afghanistan viel schlechter geht
und er doch froh sein muss, zumindest nicht um sein Leben fürchten zu müssen.
Es sind einfach zwei verschiedene Dinge, die hier auf's Tablett kommen, die beide gleichwertig und aktuell in ihrer Brisanz sind.

Es wäre wichtig, Zweigleisig zu fahren - d. h., auf der einen Seite die Dinge in Angriff zu nehmen, von denen ich oben gesprochen
habe, damit zumindest einige von denjenigen, die in ihr Land, zu ihren Familien zurückkehren wollen, dies irgendwann auch können.
Auf der anderen Seite muss aber auch hier vor Ort einiges getan werden, damit das, was wir Sozialstaat nennen, nicht bald
Geschichte sein wird - und das meine ich jetzt NICHT im Kontext mit der Flüchtlings-Debatte. Das Sozialsystem war vorher schon
am abkacken und ich schiebe hier NICHTS auf Asylsuchende, Migranten oder sonstwen.
Nur für's Protokoll. (IMG:style_emoticons/default/wink.gif)

Und - auch wenn es evtl. nicht gut ankommt - ich denke auch, dass man die Befürchtungen und Ängste der Leute ernst nehmen muss,
selbst wenn sie einem auf den ersten Blick blödsinnig, vorurteilsbehaftet und fremdenfeindlich vorkommen.
Beispielsweise wurde ein älterer Mann indirekt als Nazi und Rassist bezeichnet, weil er seiner Sorge Ausdruck gegeben hat, ob
die Kosten für die Flüchtlinge evtl. irgendwann Einfluss auf seine Rente hätten.
Ich glaube, dass - wie ich oben schon sagte - solche Reaktionen kontraproduktiv sind und eher dazu führen, diese Leute erst recht
in die Arme gewisser Parteien zu treiben.
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regenbogen
Beitrag 09.Nov.2015 - 19:28
Beitrag #33


a.D.
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ZITAT(So What @ 04.Nov.2015 - 01:06) *
Migration ist NORMAL. Jeder Mensch hat einen so genannten "Migrationshintergrund", wenn man nur lange zurück schaut. Was heute passiert, ist nichts Besonderes, und auch die Debatten und die Panikmacherei gab es vor Jahrzehnten schon, und zwar in erschreckend ähnlicher Form.

Ich stieß gerade auf ein interessantes Interview mit einem Historiker zu der Frage, ob da gerade eine "Völkerwanderung" stattfindet, und zum Vergleich mit früheren "Völkerwanderungen":
"Völker sind niemals gewandert". Der Tenor: Ja, ähnliche Bewegungen gab es früher auch schon. Dabei sind wir heute wesentlich besser aufgestellt, sie zu bewältigen. Wir müssen aber aufpassen, keine Parallelgesellschaften entstehen zu lassen.
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pfefferkorn
Beitrag 10.Nov.2015 - 17:02
Beitrag #34


Gut durch
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was ich unerträglich finde, ist das wort "wirtschaftsflüchtling" - weil es imho suggeriert , dass mensch nur kommt, weil sie nichts zu essen mehr hat ... und das ist dann nicht ok.... weil nicht schlimm genug...

das finde ich zynisch - ich finde, wenn leute keine möglichkeit haben in ihrem land eine perspektive aufzubauen, ist es völlig legitim dahin zu gehen, wo das geht - und wo ... das ist wiederum meine moral bei der sache, die leute wohnen, deren wohlstand sich darauf gründet - oder ist es nicht der französische uranabbau, der den leuten im niger land und ressourcen nimmt? sind es nicht die deutschen waffen, die heckler und koch gerade wieder in den nahen osten liefern, von denen menschen hier leben?

mir wäre es lieb, die menschen hier möglichst schnell was arbeiten oder was lernen zu lassen, statt sie hier mit almosen ruhigzustellen - wer da ist, soll möglichst schnell deutsch lernen können und dann versuchen arbeit zu finden - ... ich war letzte woche im flüchtlingsheim, ich würde es nüchtern dort keine woche aushalten - und bewundere jede, die da noch energie hat, sich für sich einzusetzen -

die lage ist ziemlich kompliziert, meine vorbehalte ängste und befürchtungen bei aller politischen korrektness für mich zu sortieren hat auch gedauert, ich habe lange anlauf gebraucht , um zu wissen, wo ich denn überhaupt mal hingehen kann, um zu gucken, was ich tun kann - so easy ist das für mich nicht - ich fahr da "nicht eben mal vorbei" ... aber ich habe sehr viele erkenntnisse gesammelt -

ich bin kein fan von ihrer schreibe in dem buch, aber ich finde, sie trifft den richtigen ton

https://www.perlentaucher.de/buch/jenny-erp...g-gegangen.html

und ich habe da vieles von mir wiedererkannt - wie ich mich in dieser situation fühle, wie privilegiert, hilflos, ängstlich, be-fremdet - und wie ich mir selbst dabei peinlich bin :-)









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dandelion
Beitrag 10.Nov.2015 - 19:32
Beitrag #35


don't care
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ZITAT(pfefferkorn @ 10.Nov.2015 - 17:02) *
was ich unerträglich finde, ist das wort "wirtschaftsflüchtling" - weil es imho suggeriert , dass mensch nur kommt, weil sie nichts zu essen mehr hat ... und das ist dann nicht ok.... weil nicht schlimm genug...

das finde ich zynisch - ich finde, wenn leute keine möglichkeit haben in ihrem land eine perspektive aufzubauen, ist es völlig legitim dahin zu gehen, wo das geht

(IMG:style_emoticons/default/thumbsup.gif) Der Begriff an sich trifft auch für mein Empfinden ein völlig legitimes Anliegen der Neuankömmlinge. Diese Menschen fliehen vor dem, was die Kriegstreiberei, die wirtschaftliche Schieflage, ausbeuterische Kredit- und Handelssysteme und Waffenlieferungen an den Meistbietenden aus ihrem Zuhause gemacht haben.
[an dieser Stelle habe ich mich ursprünglich ganz schön in Rage geschrieben (IMG:style_emoticons/default/flaming.gif) ]
Perfiderweise wird dann von uns als den "einfach besseren" gesprochen, die von Neidern überrannt werden.

so leicht kann man einen treffenden Begriff zu einer Wertung in die Gegenrichtung machen.

So wie bei "Gutmensch". Seit wann ist es schlimm, etwas Gutes zu wollen?
Oder "nett". Der Duden sagt "hübsch und ansprechend", "freundlich und liebenswert". Der Volksmund sagt "kleine Schwester von... Verdauungsendprodukten".



Danke für den Buchtipp (IMG:style_emoticons/default/smile.gif)

Der Beitrag wurde von dandelion bearbeitet: 10.Nov.2015 - 19:33
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McLeod
Beitrag 10.Nov.2015 - 22:27
Beitrag #36


mensch.
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Ich habe letzte Woche spontan zwei Afghanen vom Bahnhof der nächsten Stadt zum Hbf hier und von dort mit dem Bus bis ins Aufnahmelager geholfen. Handschrift auf dem Zettel, Großbuchstaben an der Zuganzeige, dazu eine Uhrzeit an der der Bus nicht fuhr. Wie soll das jemand ohne Englischkenntnisse und eventuell aus einer andern Schrift-"Welt" stammend hinbekommen? Ab der Bushaltestelle vergrößerte sich die Gruppe um eine Familie mit zwei Kindern, so um die 3-4 Jahre alt. Der Vater konnte Englisch. Dazu: Zwei Afrikaner, mit denen lief es gut auf Französisch. Im Bus dann auch jede Menge Asylbewerber und solche die es noch werden möchten, die schon länger da sein dürften. Es entwickelten sich rege Gespräche. Ein Südosteuropäer versuchte es auch mit Zeichensprache. Studis und Einwohner stiegen ein und aus, am Ende ruckelte der Bus am Stadtrand durch ein Waldstück. An der ehemaligen Kaserne(?) machte ich den beiden Afghanen ein Zeichen. Sie hatten sich einfach weiter an mir orientiert, nicht an den anderen. Erleichtert, vom ersten Augenblick an, da ich veruschte per Geste zu zeigen: ich helfe Euch, ich kenne den Weg.

Als sich die Bustüren schlossen, blieb ich allein im Bus. Wir fuhren noch viele hundert Meter entlang an erleuchteten Fenstern, in denen es weiße Wände und Doppelstockbetten gab. Manchmal hing ein Tuch im Fenster, als provisorischer Vorhang. Eine Halle, offen einsehbar, mit Feldbetten über Feldbetten. Dann tauchten wir ab ins Dunkel des Industriegebiets. Hinter der Autobahn plötzlich die Forschungseinrichtungen, ebenfalls Lichter hinter Glas: ein leerer Hörsaal, dessen stylische Bestuhlung geschickt beleuchtet in Szene gesetzt war. Am Flughafen die Autos der Konzernmanager, die von hier losfliegen zu ihren Weltkonzern-Meetings. Polierte Limousinen. An der Endhaltestelle unterhielt ich mich kurz mit dem Busfahrer, dann fuhren wir zurück. Als wir wieder entlang des Aufnahmelagers fuhren, war alles, wie zuvor. Menschen in kargen Räumen, alle möglichen Hautfarben. Die Afghanen hatten nicht mal Gepäck dabei gehabt, die Familie zwei große blaue Ikea-Tüten auf denen die Kinder im Sitzen Kopf vornübergefallen eingeschlafen waren, am Hbf. Hinter dem Tor war es nun menschenleer. Doch schon eine Ecke weiter kamen zwanzig, vielleicht dreißig Menschen zu Fuß. Die andere Buslinie biegt vor dem Waldstück ab. Vermutlich auch darunter wieder welche, für die es das erste Mal auf dieser Strecke war.

Die Menschen helfen sich gegenseitig. Monate stehen ihnen bevor mit Bürokratie, Warten, vielleicht in ein Flüchtlingsheim, dann ins nächste.

Unsere Verwaltungen arbeiten nicht mal so zusammen, dass es einen strukturierten Weg gibt. Die Bundespolizei hatte am Bahnhof der nächsten Stadt ein Ticket ausgestellt und einen handschriftlichen Zettel mitgegeben, auf dem das Wichtigste fehlte: was hier in der Stadt auf den Wegweisern und am Bus in großen Buchstaben steht, um weiterzuhelfen. Ab Hauptbahnhof hier findet sich das erste Schild im(!) halbdunklen Pavillon der Verkehrsbetriebe. Ich war nicht der einzige Mensch, der bei der Orientierung half. Die Familie war von einem Mann begleitet, man erkennt das an dem unsicheren Blick immer zurück: "seid Ihr noch da, trete ich Euch nicht zu nah mit meiner unverlangten Hilfe, was denkt Ihr von uns?" Die beiden Afrikaner waren von einem zugewanderten Schwarzwälder mit Bierfahne zum Busbahnhof gebracht worden. Beide Männer gaben erleichtert an mich weiter. Ich hatte halt Zeit für eine Ehrenrunde im Bus raus an den Stadtrand.

Niemand am Bahnhof fühlte sich verantwortlich dafür, dass die Menschen am Abend gut weiterfinden. Es gibt keine Ketten, keine einheitlichen Symbole, die BuPo hatte es gut gemeint, die Verkehrs-AG, der Busfahrer winkte alle durch auf meine Frage, ob es noch Ticket bräuchte weil nicht alle ein Länderticket der Bahn hatten, das auch in der Stadt gilt.

Ehrenamtlerin für ne Stunde. Es war irgendwie einfach, aber auch sehr sonderbar. Hatte ich anfangs nur bis zum Busbahnhof helfen wollen, erschien es am einfachsten, noch mitzufahren. Was ich erlebte und sah, war nur ein klitzekleiner Ausschnitt. Zu keinem Moment habe ich mich unwohl gefühlt. Vielleicht bis auf die surreale Alleinfahrt durch die spätabendliche Glitzerwelt hinter dem Lager. Es ist dreifach überbelegt. Die Polizei ist bei den Supermärkten mit Infoständen präsent, damit sich die Einwohner des Stadtteils besser fühlen. Auf FB kann ich dann lesen, dass sie Präsenz als Indiz dafür nehmen, dass es krimineller wird, bei ihnen. Dabei ist die Ladendiebstahlrate nicht mal im gleichen Maß mitgewachsen wie die Zahl der Menschen, die aktuell dort im Stadtteil die Tage und Nächte verbringen. Einbrüche gibt es sogar gar keine. Geschweige denn Vergewaltigungen.

Aber in der Innenstadt, da pöbeln Freitags und Samstags Abends die guten, betrunkenen Deutschen, dass es nur so kracht. Der PEG*DA-Ableger besteht hier aus 30-40 Menschen, die jeden Montag Hundertschaften und berittene Polizei für ihre Meinungsfreiheit bemühen. Dann fahren oft auch keine Busse durchs Zentrum. Zum Glück liegt die Route Hbf-Aufnahmelager außerhalb der City. Gewaltbereit aus einer Gruppe heraus ist hier in der Stadt nach meinem Empfinden am stärksten die antifaschistische Jugend. Mit Polizei und Pegidingsens haben sie gleich zwei Gruppen, die sie bekämpfen wollen. Und die alltäglichen Streitereien, Prügeleien und Eskalationen, auch in seltenen Fällen mit Todesfolge, die rund um etwas heruntergekommene Kneipen wohl in jeder Stadt die regionale Zeitung für ein, zwei Wochen beschäftigen. Mord im Familienumfeld oder in verkrachten Beziehungen. Ehrenmorde übrigens bislang Null.

Mein Alltag ist durch die "Flut" bis auf jenen Abend unberührt. Keine "Welle" brach bislang auf meinen Wegen über die Menschen herein. Im Zug sehe ich jetzt etwas aufmerksamer hin und entdecke einige, die quer durchs Land geschickt werden und sich dort wieder durchfragen und -suchen müssen. Manchmal ertappe ich mich dabei, dass ich ja gar nicht weiß, ob das nicht die zweite Generation mit Pass von hier oder einfach ein indischer Software-Spezialist bei seinem Wochenend-Outdoor-Trip ist mit dem Rucksack...

Je weniger ich vor dem Rechner oder Fernseher sitze, um mir ein Bild zu verschaffen, umso ruhiger werde ich in Sachen "Menschen die zu uns kommen, weil sie woanders keine Lebensperspektive haben".

McLeod, einfach mal so.

Der Beitrag wurde von McLeod bearbeitet: 10.Nov.2015 - 22:32
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So What
Beitrag 11.Nov.2015 - 01:33
Beitrag #37


Suppenköchin
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Ich habe vor einigen Wochen mit den Menschen gesprochen, die diese Mini-Dokumentation gemacht haben (Betroffene und deutsche Unterstützende)
http://yalla-connect.de/video/
und finde sie ziemlich gut. Wenn jemand also 18 Minuten Zeit hat und sich ein Bild von einer Erstaufnahestelle machen möchte... Das Schlimmste ist, der Film ist im Frühjahr, also vor der sogenannten "Krise" entstanden.

Ich sehe es ähnlich wie pfefferkorn: Es ist wichtig, Menschen, die hier ankommen, möglichst schnell die Möglichkeit zu geben, Deutsch zu lernen (außer sie können es schon). Nicht nur weil sie dann was arbeiten oder lernen können (was auch richtig ist), sondern vor allem, weil sie dann für sich selbst sprechen können. Wenn man über andere Menschen dauerhaft in der dritten Person redet, anstatt mit ihnen zu reden, schließt man sie symbolisch aus dem Kreis von Personen aus und macht sie zu Objekten. Sie wissen selbst am besten, was sie brauchen. Die Helfer_innen bei uns in der Gegend berichten, dass Geflüchtete weniger nach Essen und Kleidung fragen (die reichen mittlerweile), dafür aber massenweise nach Deutsch-Lehrbüchern.

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regenbogen
Beitrag 11.Nov.2015 - 13:00
Beitrag #38


a.D.
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ZITAT(So What @ 11.Nov.2015 - 01:33) *
dafür aber massenweise nach Deutsch-Lehrbüchern.

Oh - bei der Gelegenheit weise ich sehr gerne mal auf ein ehrenamtliches Projekt hin, an dem viele Bekannte von mir mitgearbeitet haben: ein Anfänger-Selbstlern-Deutschkurs mit Musik, den sich Geflüchtete runterladen können, mit Übersetzungen in sehr vielen relevanten Sprachen:
Welcomegrooves (IMG:style_emoticons/default/flowers.gif)
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So What
Beitrag 11.Nov.2015 - 14:37
Beitrag #39


Suppenköchin
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ZITAT(regenbogen @ 11.Nov.2015 - 13:00) *
ZITAT(So What @ 11.Nov.2015 - 01:33) *
dafür aber massenweise nach Deutsch-Lehrbüchern.

Oh - bei der Gelegenheit weise ich sehr gerne mal auf ein ehrenamtliches Projekt hin, an dem viele Bekannte von mir mitgearbeitet haben: ein Anfänger-Selbstlern-Deutschkurs mit Musik, den sich Geflüchtete runterladen können, mit Übersetzungen in sehr vielen relevanten Sprachen:
Welcomegrooves (IMG:style_emoticons/default/flowers.gif)

Ist das cool (IMG:style_emoticons/default/biggrin.gif) Danke! Ich treffe häufiger welche, die geflüchtet sind und/oder versuchen zu helfen, daher kann ich so was bestimmt gut weitergeben. Ich kenne sonst noch das Refugee Phrasebook, mit dem die Leute auch and der Osteuropa-Route arbeiten, aber es hat keine Audios, und allein durch Raten kann mensch sich die deutsche Aussprache und Leseregeln nicht erschließen.
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pfefferkorn
Beitrag 13.Nov.2015 - 09:45
Beitrag #40


Gut durch
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danke regenbogen für den wertvollen link -

hier probieren gerade meine kollegen apps aus, die vielleicht helfen können - in den heimen ist ja leider oft kein wlan - wobei es bei uns in der stadt freies wlan an einigen stellen gibt - wußte ich vorher auch nicht :-)

hier noch zwei links.... das "spiel" für die kinder kommt wohl supergut an.... auch bei erwachsenen...

https://www.planet-schule.de/index.php?id=13609

https://www.planet-schule.de/wissenspool/de...che/inhalt.html

ich freu mich, dass der thread helfen kann, infos weiterzugeben!


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