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> Aufwachsen in homophober Umgebung
Geneviève
Beitrag 08.Jul.2008 - 23:28
Beitrag #41


Vorspeisenexpertin
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Hallo an alle Leserinnen,

ich weiß, dass die Einträge, auf die ich mich gleich beziehe, nicht mir galten, sondern Holly. Dennoch kann ich nicht verhindern, dass ich eine Weile darüber nachgedacht habe, weil ich Hollys Zögern und das Empfinden von Dingen wie düsteren Zukunftsprognosen, Scham und weitere Emotionen nachvollziehen kann.

Ich verstehe allerdings immer noch nicht, was so furchtbar schlimm daran sein soll, diese Gefühle zu fühlen, verstehen zu wollen, als solche zu benennen, darüber kommunizieren zu wollen und sie einfach mal als solche stehen lassen zu wollen – das ist nicht zwingend gleichbedeutend damit, sie für immer an Orten im Leben zu lassen, die bestimmend sind.
Diese sich hier zeigende, doch recht vehemente Abwehr von Äußerungen dieser Empfindungen (Scham, Hilfslosigkeit, Ausweglosigkeit, Einsamkeit, Abgetrenntheit von anderen u.v.m.) verstehe ich nicht, wirklich nicht.
Es gibt Gründe dafür und wenn man jahrelang in einem heteronormativen Umfeld bzw. homophoben Umfeld (was letztlich nichts wirklich substanziell Unterschiedliches ist, beides negiert homosexuelle Menschen und lässt sie nicht als sie selbst gelten) aufgewachsen ist bzw. darin nach wie vor lebt, dann hat das Nachwirkungen. Das sind elementare erste Welterfahrungen und elementare erste (im weiten Sinn, also nicht bloß als Partnerschaft gemeint) Beziehungs- und damit unmittelbar auch Selbsterfahrungen.
Wenn ich mich mit denen nicht auseinander setze, dann werden die immer die Plätze besetzen, die eigentlich für Schönes und Lebenswertes reserviert sind. Und dann funktioniert es – meiner Meinung nach – nicht, einfach als Befehl an sich selbst zu schicken: Nun mach mal, raus hier.
Das empfinde ich persönlich als Verleugnung von Emotionen, als ihr krampfhaftes Wegdrängen-Wollen, weil sie unerträglich scheinen. Und das wird für mich niemals den Weg frei machen zu einer Befreiung davon. Es würde nur negieren, was aufgrund verschiedener Gründe da ist. Negation ist alles andere als gleichzusetzen mit Überwindung, vielmehr ist Negation von Vorhandenem in meiner Weltsicht eine Zementierung dieses Vorhandenen, das man eben mit anderen Farben anmalt, das im Kern aber immer noch der gleiche quälende Mist ist.

So weit zu meinem persönlichen Verständnis bezüglich dieser Thematik.
Wenn mir jemand erläutern kann und will, was es bringen soll, sich einfach zu etwas zu zwingen, was man nicht fühlt, dann würde mich das echt freuen, ich verstehe es nämlich wirklich nicht.
Verinnerlichte Scham und ähnliche Gefühle sind für mich nichts, das auch nur annähernd rational ist. Und daher kann ich es auch nicht rational lösen, sondern nur emotional. Indem ich einfach so genau wie möglich emotional untersuche, woher das eigentlich kommt, wie das gewesen ist und was das mit mir macht – dabei sehe ich irgendwann, wenn ich tief genug drin bin, was ich stattdessen mal empfunden habe, bevor ich die Homophobie in meinem Umfeld bewusst wahrnahm und einordnen konnte, bevor all das an mir zu zehren begann. Was stattdessen meine eigenen (!) Gefühle sind, losgelöst von äußeren Verdrehungen und Beschmutzungen. Ich muss dann nicht mehr die Meinung der damaligen Mehrheit annehmen, weil ich mich selbst nicht mehr untergrabe.

Würde ich stattdessen einfach so tun, als gäbe es all die aus den damaligen Erfahrungen entstandenen Gefühle und Gedanken nicht, dann würde mich das keinen Schritt weiter bringen, eher zurückwerfen, weil ich dann zwangsläufig erleben würde, dass meine Hoffnung auf Änderung nicht aufgegangen ist, eben weil ich einfach noch nicht so weit war und jede andere Erfahrung zum Scheitern verurteilt wäre, weil das Fundament in mir dafür noch nicht stimmt.
Positive Erfahrungen zu lesen, ist immer schön, keine Frage. Aber sie hebeln die eigenen Erfahrungen niemals aus. Nichts ist so eindrücklich wie eigene Erfahrungen.


Und bevor das ein endlos-Beitrag wird, höre ich an dieser Stelle mal auf und frage einfach in die Runde, was diejenigen von euch, die den hier geäußerten vehementen Anregungen zur mehr oder weniger sofortigen Änderung zustimmen, genauer über die angesprochene Thematik denken.
Vielleicht habe ich irgendetwas missverstanden, vielleicht ist mir das einfach nur fremd, vielleicht haben wir vollkommen unterschiedliche Wege, um zum gleichen Ziel zu gelangen, ich weiß es nicht. Ich finde es nur interessant.


Viele Grüße,

Geneviève


edit: vergessenes Wort ergänzt

Der Beitrag wurde von Geneviève bearbeitet: 08.Jul.2008 - 23:34
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shark
Beitrag 09.Jul.2008 - 00:14
Beitrag #42


Strösenschusselhai
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QUOTE (Geneviève @ 09.Jul.2008 - 00:28)

Wenn mir jemand erläutern kann und will, was es bringen soll, sich einfach zu etwas zu zwingen, was man nicht fühlt, dann würde mich das echt freuen, ich verstehe es nämlich wirklich nicht.

Oh, ich meine nicht, dass sich auch nur Irgendeine zwingen sollte, zu fühlen, was sie nicht fühlt oder zu agieren, wie es ihr (noch nicht) nicht möglich ist.

Was ich aber wage zu erwarten, ist die ehrliche Beschäftigung mit den Ursachen für solch weitgehenden Mangel an Selbstbewusstsein und Eigenliebe, um letztlich destruktiven, behindernden Gedanken und Prognosen überhaupt etwas entgegensetzen zu können. Das darf dann auch gerne einmal eine Therapie sein - vor allem, wenn da, wie es den Anschein macht, eine Menge Leidensdruck ist, der sich aber anstatt in lebenstraumerfüllende Aktion nur in Selbstmitleid ergiesst.

Ich habe vollstes Verständnis für Aengste, aber nur ganz wenig für jahrelang unverändertes, rituelles Bejammern so gar nicht bejammernswerter Möglichkeiten.

Fast alle sind wir in heteronormativer Umgebung sozialisiert worden. Auch ich.
Und ich bin, wie Du, für eine Auseinandersetzung mit diesen Lebens- und Beziehungserfahrungen.
Wo es geht, kann rational gearbeitet werden, wo nicht, emotional.
Gerade WEIL nur so ein zufriedenes, selbst-bewusstes Leben möglich ist.

Aber unter Arbeit an Problemen mit dem Selbstbewusstsein verstehe ich etwas Anderes als das blosse Beklagen von fiktiv Unmöglichem unter Vorwegnahme der Unveränderbarkeit der eigenen Haltung.


Am Ende mündet alles in die Frage: "Will ich glücklich sein?"


shark



edit: Halben Satz eingefügt.

Der Beitrag wurde von shark bearbeitet: 09.Jul.2008 - 00:22
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Geneviève
Beitrag 09.Jul.2008 - 00:50
Beitrag #43


Vorspeisenexpertin
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Hallo shark,

danke für deine Erläuterungen.

Was genau verstehst du unter Selbstmitleid?
Für mich bedeutet Selbstmitleid immer ein echtes Gefühl, das grundsätzlich dazu benötigt wird, von außen auferlegte und übernommene quälende Gedanken und Gefühle auszuhebeln und durch etwas zu ersetzen, das tatsächlich etwas Eigenes ist, etwas Unverbogenes, Heiles, Gesundes, Lebendiges, Lebensfähiges und durchweg Lebenwollendes.
Ich kann da nur von mir persönlich ausgehen und bei mir sieht es so aus, dass ich, wenn ich eine Situation/einen Gedanken/ein Gefühl, das mir schadet und mich quält, noch nicht auflösen und noch nicht inaktivieren und stattdessen etwas Lebenswertes aktivieren kann, noch zu wenig Selbstmitleid habe.

Das, was du, wenn ich dich richtig verstehe, mit Selbstmitleid meinst, würde ich für mich unter „unechtes/gespieltes/manipulatives Selbstmitleid“ fallen und ist für mich das Gegenteil von dem, was ich unter Selbstmitleid verstehe.
Daher hat es auch nach längerem Nachdenken darüber und auch nach längerem Nachfühlen in mir nur Irritation und Verständnislosigkeit hervorgerufen, dass hier geschrieben wurde, dass es notwendig wäre, aus dem Selbstmitleid heraus zu kommen. Alles in mir sagte nämlich einstimmig nicht „weniger Selbstmitleid“, sondern „viel mehr Selbstmitleid“ (gemäß meiner eigenen Definition).


Aber wenn ich deine Erklärung lese, dann habe ich gerade das Gefühl, dass wir eigentlich etwas sehr Ähnliches meinen.


Viele Grüße,

Geneviève
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shark
Beitrag 09.Jul.2008 - 01:01
Beitrag #44


Strösenschusselhai
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Ich verstehe, was Du meinst, glaube ich; das, was Du als "mehr Selbstmitleid" beschreibst, wäre für mich "mehr Respekt für mich und meine Bedürfnisse, mehr Eigenliebe".
Spüre ich diese, so will ich für mich, die "geliebte, respektierte Person", auch mehr Frieden, mehr Glück, mehr Freude an mir selbst und für mich. Und weniger Traurigkeit, weniger Scham oder Angst oder Unfreiheit.

Und um diesen Zustand des "In die Welt-Gehörens" zu erreichen, muss ich für mich sorgen. Und schauen, was mich bisher davon abgehalten hat, glücklich zu werden.

Gruss,


shark
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H_Golightly
Beitrag 09.Jul.2008 - 01:37
Beitrag #45


Naschkatze
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Hallo ihr Lieben,

ich habe natürlich eure letzten Beiträge mitverfolgt und mir große Gedanken über das gemacht, was ihr geschrieben habt. Ich wusste, offen gestanden, zuerst nicht so recht, was ich euch zurückschreiben soll, außer ein Danke für die guten Ratschläge vielleicht, aber das bringt ja auch nicht viel. Aus diesem Grund zog ich es vor, weiter über eure Sätze nachzudenken. Und wahrlich, es bewegt sich etwas in mir. Wie sehr, das kann ich gar nicht in Worte fassen, weil ich es selbst noch nicht überblicke. Ich weiß nur, dass ich im Moment hin und hergerissen bin zwischen all dem Wirrwarr, den Gedanken und den Gefühlen, die hier zur Sprache kommen und ich kann nur sagen, dass fast nichts davon rational begreifbar wäre, jedenfalls im Moment noch nicht. Zur Zeit strömt alles auf mich ein und ich weiß nicht, wo ich anfangen soll (da sind wir wieder bei dem ominösen Kreis, aus dem ich nicht hinaus finde- oder ist es mittlerweile schon eine ganze Kugel?).


QUOTE ("Geneviève")
Es gibt Gründe dafür und wenn man jahrelang in einem heteronormativen Umfeld bzw. homophoben Umfeld (was letztlich nichts wirklich substanziell Unterschiedliches ist, beides negiert homosexuelle Menschen und lässt sie nicht als sie selbst gelten) aufgewachsen ist bzw. darin nach wie vor lebt, dann hat das Nachwirkungen. Das sind elementare erste Welterfahrungen und elementare erste (im weiten Sinn, also nicht bloß als Partnerschaft gemeint) Beziehungs- und damit unmittelbar auch Selbsterfahrungen.

Verinnerlichte Scham und ähnliche Gefühle sind für mich nichts, das auch nur annähernd rational ist. Und daher kann ich es auch nicht rational lösen, sondern nur emotional.

Ich sehe das auch so. Diese Schamgefühle sind einfach da und man kann sich nicht dagegen wehren. Und sie können auch aufkommen, ohne dass man mit einem homophoben Umfeld konfrontiert wurde, das kann ich ja aus eigener Erfahrung bestätigen.
Da es gerade so gut passt, hier ein Bespiel aus der Praxis: Da ist also diese eine Kollegin, in die ich schon seit über einem Jahr total unglücklich verliebt bin. Was auch immer ich tue, ich muss meine Gefühle ihr gegenüber unterdrücken (schließlich möchte man ja die Freundschaft nicht zerstören). Sehe ich sie, muss ich aufpassen, dass sie von all meinen Gefühlen nichts mitbekommt, ich muss aufpassen, wie ich mich verhalte, was ich sage usw. Dabei komme ich mir schon ziemlich erbärmlich vor. Doch die Gefühle ihr gegenüber zu unterdrücken ist ja nur das Eine. Hinzu kommt ja noch, dass ich meine gesamte sexuelle Orientierung unterdrücken muss, da ich ja auch nicht allgemein über das Thema spechen kann. Sie würde ja schließlich Verdacht schöpfen können. Glaubt mir, aus meiner Perspektive ist das kein glücklicher Zustand, in dem ich da verharre. Teilweise wirkt sich das sogar schon auf meine Gesundheit aus. Wenn ich doch nur eine Lösung parat hätte. :gruebel:
Ihr hattet geraten, die Gefühle doch als etwas Positives zu sehen. Wie gern würde ich das tun, wenn meine Gefühle denn auch positiv besetzt wären. Aber durch das unglückliche Verliebtsein sind die schönen Gefühle dahin.
Tja, so ist momentan der Stand der Dinge bei mir. Es dreht sich, we schon erwähnt, alles im Kreis. Aber es brodelt auch ganz heftig in mir- auf der Suche nach einer Lösung.


Liebe Grüße
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schneeland
Beitrag 09.Jul.2008 - 06:04
Beitrag #46


Gut durch
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Hallo Holly,

mal direkt auf Dein letztes Posting bezogen:
Wenn Du wirklich etwas ändern willst solltest Du es mit Hinterfragen der eigenen Einstellungen versuchen. Zunächst einmal sieht es für Dich so aus, als wären die Dinge genauso wie Du sie derzeit wahrnimmst. Ist ja zunächst mal logisch, richtig? ;)
Aber wenn die Einstellungen und Gedanken die man hat, dazu führen, dass es einem schlecht geht, sowohl seelisch als auch körperlich, dann empfehle ich, diese Gedanken mal zu hinterfragen, denn: sind sie zielführend (Ziel wäre vermutlich: Ich fühle mich wieder wohl, könnte aber auch was anderes sein)? Wenn nicht, wäre die nächste Frage, gibt es alternative Betrachtungsweisen der Situation? Und dann die Gedanken im einzelnen:
Kann ich es ihr wirklich niemandem sagen ich sei lesbisch weil dann die Kollegin automatisch merkt, dass ich sie toll finde?
Ist es eine bewiesene Tatsache, dass, sollte ich (worst case szenario) der Kollegin sagen, wie toll ich sie finde, die Freundschaft beendet ist?
Was würde im schlimmsten Falle passieren, wenn ich einer anderen Person erzähle, dass ich lesbisch bin? Wie geht es mir damit? Wie fühlt sich das an? Könnte ich dieses schlimmste aller schlimmen Szenarien überleben?
Das sind jetzt mal nur ein paar Denkanstöße in die Richtung, wie hinterfrage ich meine eigenen Gedanken und Einstellungen zu einem Thema. Ob sie dir was nützen weiß ich natürlich nicht, aber einen versuch ist es wert, denn man muss sich auch immer fragen: Was habe ich denn zu verlieren?
Als Buchempfehlung hätte ich ganz allgemein: "Im Gefühlsdschungel" Von Stavemann. Weiterhin viel Erfolg liebe Holly und ganz viel Kraft und Mut, denn meine Erfahrung zeigt: Man kann nur sich selbst ändern und nicht die anderen. Und die Situationen sind meist nur halb so bedrohlich wie man sie sich über Jahre im Kopf ausmalt :blumen2:
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Mausi
Beitrag 09.Jul.2008 - 06:45
Beitrag #47


Mama Maus
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Vielleicht sollte man einfach mal ergänzen, dass wir, die hier länger dabei sind, schon seit Jahren (Dich) Holly begleiten.
Und viele schon lange Zeit versucht haben, Hilfestellung zu geben oder eben echt Energie rein gesteckt haben, in unterstützende, beistehende Beiträge.
Wenn aber über Jahre (!) hinweg, sich nichts ändert und eben, wie Shark es schreibt, weiterhin jammernde, Selbstmitleidige Beiträge kommen, die noch dazu das lesbisch sein in schlechtes Licht rücken, weil sie/du selbst es nicht akzeptieren kann, so ist es was anderes.

Dann kommen nunmal irgendwann "energische" Postings, die dieses ewige "sich selbst bemitleiden" und eben dieses "Ach mir gehts so schlecht also brauch ich dutzi-dutzi" nicht mehr wirklich hören/lesen können.
Dann wird eben auf Weiterentwicklung gepocht, statt auf passives Verharren.


Schlicht und ergreifend, Holly, suchst Du die Umgebung und das Leben, was Du führen willst Dir aus.
In Deinem Falle würde ich eher von "nicht wollen" denn eher "nicht können" reden.
Irgendetwas muss es DIr ja geben, so versteckt und unterdrückt zu leben.
Aber dann hilft auch kein Beklagen.
Entweder du Willst Out oder DU willst es nicht!
Aber beides ist eine Entscheidung!
V.a. da Deine Eltern ja echt positiv reagiert haben und Dir keine Steine o.ä. in den Weg legen - ein absoluter +-Punkt ggü. ganz vielen anderen.

Von dem her - entweder DU entscheidest Dich für Dein lesbisches Leben oder dagegen, aber mach nicht Deine Umgebung dafür verantwortlich, für was Du dich entscheidest!
SO homophob kann diese nämlich nicht sein, wenn Deine Eltern so gut reagieren!

Mausi

Der Beitrag wurde von Mausi bearbeitet: 09.Jul.2008 - 07:28
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Geneviève
Beitrag 09.Jul.2008 - 15:18
Beitrag #48


Vorspeisenexpertin
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Hallo ihr alle,

nur ein paar spontane Gedanken, die mir beim Lesen eurer Beiträge durch den Kopf schwirren:

Ich kann mich noch ziemlich genau an meine ersten CO-“Gespräche“ erinnern. Ich war 17 und diesbezüglich vollkommen unsicher (ob der Reaktionen), habe intensiv mit mir darum gerungen und permanent das Gefühl gehabt, ich müsste platzen, wenn ich nicht irgendetwas mache. Das war so unerträglich, dass es mir irgendwann weniger schlimm schien, etwaige negative Reaktionen in Kauf zu nehmen, als weiterhin so zu tun, als wäre ich nicht ich. Trotzdem hatte ich Panik, habe um jedes einzelne Wort gerungen, konnte nicht schlafen im ganzen Gedanken- und Gefühlskarussell. Nichts, was ich noch mal erleben will.
Die Reaktionen waren größtenteils pseudo-tolerant (von denen, denen ich das persönlich vermittelt habe. Die, die es einfach so mitbekommen haben später, haben auch anders reagiert, aber das hatte ich ohnehin erwartet).
Diese Pseudo-Toleranz hat mir allerdings zu schaffen gemacht, im Grunde mehr als die mehr oder weniger offen diskriminierenden Reaktionen. Denen konnte ich etwas entgegen setzen, da konnte ich ganz und gar wütend sein.
Aber bei pseudo-toleranten Reaktionen war nichts Greifbares da, gegen das ich mich habe zur Wehr setzen können. Oberflächlich wirkte alles respektierend – aber das war es nicht.

Ein Beispiel dazu:
Mein Vater (ich habe meinen Eltern nie direkt von meiner Homosexualität erzählt, ich wollte nicht, dass sie mit meinem Leben zu tun haben) hat, als er irgendwann, ich war 19, selbst eingesehen hat, dass ich lesbisch bin, nebenbei zu mir gesagt, dass ich, wenn ich mit Männern nicht klar komme, mir eben eine Frau suchen sollte, wäre doch kein Problem.
Das klingt vielleicht erst einmal nicht so übel, aber das war es für mich trotzdem.
Homosexualität war für ihn etwas, das da ist, wenn man mit einem Menschen des anderen Geschlechts nicht zurecht kommt. Sozusagen als Folge einer Störung eines angeblich natürlichen Begehrens eines gegengeschlechtlichen Menschens. Die Wahl zweiter Klasse, das Symptom einer Störung.
„Sich eine Frau suchen“ ist außerdem so ein Ausdruck, bei dem ich brechen könnte, besonders in diesem Ton, den er hatte. Als würde ich in einen Baumarkt gehen und einen Eimer Wandfarbe kaufen, als wären Frauen etwas, das abwartend und willenlos im Regal steht und das man sich einfach nur nehmen muss, wenn man sie denn will, weil sie sowieso kein Eigenleben und keine eigenen Wünsche hätte (was im Übrigen auch deshalb verwirrend war, weil ich auch Frau bin, nach seiner Definition deshalb auch willenlos und gefügig im Regal zu stehen hätte, was dem von ihm empfohlenen aktiven Suchen widerspricht. Die in seinen Augen Unvereinbarkeit von Frau und Lesbe; Lesbe als Nicht-ganz-Frau).
Und entgegen seiner Behauptung war es für mich in meinem damaligen Umfeld sehr wohl ein Problem, lesbisch zu sein. Sein „Ist doch kein Problem“ war einfach nur Abwertung meines Gefühlslebens und der Leistung, die ich für mich erreicht hatte, als ich es endlich nicht mehr verschwieg, dass ich lesbisch bin.
Im Grunde sagte er damit „Mach bloß kein Problem daraus, lass mich damit in Ruhe, belaste mich nicht damit, ich will nichts damit zu tun haben, ich will bloß, dass alles klappt, weil ich mir dann keine Gedanken darüber machen muss.“
Und das ist – für mich – auch eine Form der Homophobie, verborgen hinter einer Pseudo-Toleranz, was direkte Gegenwehr und damit Integrität erschwert, weil das, gegen das man sich auflehnt, sich verkleidet hat und damit viel ungreifbarer und unbenennbarer wird.

Ich weiß jetzt nicht, wie das bei dir bzw. deinen Eltern bzw. deinem näheren Umfeld ist, Holly. Ob diese Menschen wirklich tolerant sind oder nur so tun. Wenn sie nämlich nur so tun, dann finde ich es absolut unangebracht, ihre Reaktionen als positiv zu bewerten. (Damit sage ich nicht, dass sie nicht wirklich respektvoll und untersützend sind, nur dass ich nicht weiß, ob sie es sind oder nur so tun. Das kannst nur du beurteilen, Holly.)
Ich musste nur daran denken, dass scheinbare Toleranz nicht immer tatsächlich Toleranz ist, von Respekt und Unterstützung ganz zu schweigen.

Und @shark, Selbstrespekt und Eigenliebe und ein Für-sich-selbst-einstehen sind bei mir wirklich immer die wesentlichsten Bestandteile von dem, was ich kurz Selbstmitleid nenne; sie sind die Essenz dieses Gefühls. Dann meinten wir wirklich das Gleiche, nur mit unterschiedlichen Begriffen.
Ich stelle also fest, dass ich unter dem Begriff "Selbstmitleid" offenbar etwas massiv anderes verstehe als du und einige andere hier. Ich werde das im Hinterkopf behalten und für mich mal nach Begriffen suchen, die unmissverständlicher sind.


Viele Grüße,

Geneviève
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Mausi
Beitrag 09.Jul.2008 - 15:53
Beitrag #49


Mama Maus
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Wenn Holly sagt, ihre Eltern haben gut reagiert, dann nehme ich es so hin. Andere Hinweise habe ich schließlich nicht!

Selbstmitleid - naja - wie gesagt, Jahrelang "jammern" und an der Situation nichts ändern hat etwas sehr passives - und - eben somit auch Gewinnbringendes.
Dass dann natürlich die eher "schräg" angeschaut werden, die dann eben mit Beiträgen wie "Komm in die Pötte" oder "Änder Deine Situation ob etwas Unveränderlichem" schräg angeschaut werden, ist mir auch klar, da dann ja dem "einfühlsamen" widersprochen wird, was bei solchen Verhaltensweisen eigentlich erwartet wird.
Weil - wenn jemand am Boden ist, darf man ja nichts sagen - Selbstreflektion und Handeln auch nicht voraussetzen. Anders, wenn jemand das am Boden liegen selbst gewählt hat, aufgrund dessen seit Jahren Angst vor einer Entscheidung zu haben.

Und durch dieses Gefühlschaos sind die Meisten hier durch - mit noch ganz anderen Hintergründen, als die, die hier bekannt sind.
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LadyGodiva
Beitrag 09.Jul.2008 - 16:04
Beitrag #50


Strøse
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Mein Elternhaus ist nicht homophob.
Es ist homanop. (Anopie=Nichtsehen)

So sehr, dass mein Vater wohl völlig ohne Hintergedanken scherzen konnte:
"Der Mann, den du später einmal heiratest, tut mir jetzt schon leid."
Da war ich sechs Jahre alt. Maximal. Und wusste aber schon, dass meinem Vater diesbezüglich wohl wenig Bedauernswertes ins Haus stehen würde - auch, wenn ich mir damals meine Zukunft ganz anders frauenorientiert vorgestellt habe.

Heute weiß er, dass es diesen armen Kerl wohl wirklich nie geben wird; aber er will nicht mehr wissen als eben das. Keinen Mann zu haben ist Halbfrausein.
Als Frau keinen Mann zu haben, bedeutet, niemals Beziehung zu haben, also, keine gültige, wirkliche.
Mir selbst war ab fünfzehn dann ziemlich klar, wofür mein Herz schlägt.
Dass es Lesben gibt und ich dann wohl auch so eine bin, habe ich wohl fast zeitgleich ausgemacht. Da ich im selben Maße frauenhungrig wie von der Tatsache überzeugt war, ein Leben lang alleine zu bleiben, habe ich mich lakonisch-pubertär mit einem recht immunen Herzen hingegeben.
Geredet habe ich eigentlich mit niemandem über mein Lesbischsein, es war einfach da. Vermutlich auch für meine Mitschüler, jedenfalls habe ich nach etlicher Mobberei, die natürlich in der Verleumdung einer Lehrerinnen-Schülerinnen-Freundschaft gipfelte, in einer höheren Klassenstufe die Schule sehr umständlich und konsequenzenreich gewechselt, um in ausreichend Ruhe und Distanz mein Abitur ablegen zu können.
Mit meiner Frauenliebe habe ich meine Eltern tatsächlich erst mit meiner ersten langjährigen Partnerin konfrontiert - davor schien's für meine Mutter ein recht vages Damoklesschwert gewesen zu sein... und für meinen Vater wohl die gleiche Unvorstellbarkeit wie jene nach der bloßen Information, welche gleichbedeutend rangiert mit der Aussage, dass sein Leben schwiegersohnlos bleiben wird. (Außer mein Bruder entdeckt eine verborgene schwule Veranlagung.)
Als die Beziehung zu meiner damaligen Partnerin zerbrochen ist, waren die ersten beiden "konstruktiven" Äußerungen meiner Mutter:
"Gut, dass ihr nicht verheiratet wart."und
"Es wird Zeit, dass du dich dann auf ein völlig autonomes Leben vorbereitest."(Damit war gemeint: meinen funktionierenden Alltag nicht mehr von einer Partnerschaft abhängig machen, die aus ihrer Substanz heraus nicht von Dauer sein kann.)
Von den Nachbarn darf niemand erfahren dass... und das und das und das von mir. Mein leichtestes Leben in meinem Heimatort habe ich als weiße, glatte Wand, auf die jehers die Vorstellungen und Wünsche der hiesigen Menschen projeziert werden können. Mir genügt das für ein paar Tage "Heimaturlaub", allerdings ist mir auch eines klar: es wird nie ein Zurück geben für mich. Dazu bin ich (inzwischen) zu echt, zu viel, viel zu ich.
Das Leben, das ich als Erwachsene führe, habe ich recht hart meinem Umfeld abgetrotzt. Gegen alle Widerstände und gegen einen recht reichen Schatz an Erfahrungen, die mir das Gegenteil beweisen sollten.
Daher denke ich, prinzipiell stehen jeder als Lohn der Anstrengung Autonomie und Abgrenzungsfähigkeit offen. Für ein eigenes Leben, nach dem eigenen Kopf und Herzen.



Holly, das wächst sich schon noch zurecht. :wink:
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Geneviève
Beitrag 09.Jul.2008 - 17:40
Beitrag #51


Vorspeisenexpertin
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Hallo Mausi,

nur um das noch mal klar zu stellen:
Ich bin mit Sicherheit keine Befürworterin von Passivität, Abwehr von Selbstreflexion und Abschiebung von Eigenverantwortlichkeit für das eigene Leben, weder auf mich selbst bezogen noch auf jeden beliebigen anderen Menschen bezogen.
Das war nicht das, was ich habe sagen wollen – im Gegenteil!
Jammern zum Zweck des Jammerns ist mit Sicherheit nichts, das ich mir selbst oder anderen empfehlen würde. Ich bin da ganz einer Meinung mit dir.
Passives Jammern ohne jede Form der Auseinandersetzung ist etwas grundlegend anderes als das, was ich mit Selbstmitleid meinte. Das habe ich nun häufiger erläutert, besser kann ich es nicht. Oder vielleicht doch, noch ein letzter Versuch:

Selbstmitleid ist für mich persönlich eine Variante von Mitgefühl mit sich selbst. Und Mitgefühl mit sich selbst zu haben, beinhaltet für mich eben nicht (!) Passivität und Vermeidung von Selbstreflexion und Vermeidung von Aktivität für sich selbst, sondern genau das Gegenteil.
Mitgefühl für sich selbst bedeutet für mich schlicht Selbstauseinandersetzung, Forschung im eigenen Sein, sich selbst so nahe kommen wie nur möglich, zu wissen, wer man ist, die eigenen Empfindungen/Wünsche/Schmerzen/Hoffnungen/Kräfte etc. zu fühlen, das eigene Leben in die eigenen Hände zu nehmen und Wege für sich selbst zu suchen und zu finden, die lebenswert sind. Sich selbst wahrnehmen und sich aktiv und eigenverantwortlich für sich einsetzen, in jeder Hinsicht.

Ich hoffe, das ist jetzt klarer geworden. Im Grunde scheint mir, dass wir nicht einmal unterschiedlicher Meinung sind.


Viele Grüße,

Geneviève



edit: vergessenes Wort hinzugefügt

Der Beitrag wurde von Geneviève bearbeitet: 09.Jul.2008 - 17:42
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Mausi
Beitrag 09.Jul.2008 - 18:02
Beitrag #52


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Hallo Geneviève,

nein, ich verstehe durchaus was Du meinst - und auch, was Du mir sagen willst.
Ich denke nur, dass Selbstmitleid oft auch in eine Richtung fangen kann und gefangen halten kann.
Natürlich kann man dabei Selbst reflektieren, aber oftmal sieht man dabei nur in eine Richtung - und zwar die Negative.
Alles positive wird ausgespart - und - es kann passieren, dass soviel Energie ins "negative Mitleid mit sich selbst" gepowert wird, dass Lösungsmöglichkeiten verschlossen bleiben.
Und irgendwann passiert es vielleicht, dass dieses Leid einem so gefällt, weil einfach noch andere Aspekte dabei sind - eben die der Passivität - man muss nichts tun, denn es ist so etwas unvorstellbar schlimmes, dass man es nichts ändern kann.

Und da fühle ich mich dann angegriffen - lesbisch sein ist nichts schlimmes, wenn man sich aus dem Kokon heraus begibt, der sich durch (Selbst-)Mitleid erstellt hat.

Hm - ich denke ich verzettele mich?

Homphobe Umgebung - ich denke ich sehe es eher so wie LG - meine Umgebung war -die meiste Zeit "homanop" (danke für die Übersetzung ;) ) - wobei durchaus negative Sprüche ggü. Schwulen gekommen sind, diese waren sichtbar.

Allerdings war mir das je egal - auch unabhängig davon, dass mir eben noch nicht bewusst war, dass ich Frauen liebe. Ich sprach dagegen, sagte "es ist nicht eklig" und hielt da allgemein dagegen.
Und so - ja - soviel wurde vom dem Thema nicht gesprochen - familiär negativ nur.
Allerdings hatte ich in meiner Jugend Freundinnnen, die dem Thema ggü. nicht abgeneigt waren "Ausprobieren könnte man ja" - aber auch da - ich machte weder mit noch sagte ich was dazu, hatte die "Gelegenheit" ergriff sie aber nicht.
Ich kam, von mir aus, niemals auf die Idee es schlecht zu finden, egal wie es mir ggü. transportiert worden ist. War dann auch recht fix recht offensiv, sagte einer Klassenkameradin, dass ich in sie verliebt bin (nicht ganz freiwillig gesagt - aber trotzdem) - aber eben Beziehung zu Mann hatte und eben aus der auch nicht raus wollte, mir auch klar war, dass sie nicht so empfand.

ich war da einfach anders - getreu dem Motto - entweder man mag mich, mit allen Facetten oder man lässt es sein. Alleine war ich oft und lange in meinem Leben, Außenseiter ebenfalls, und genau deswegen - verstellen bringt nicht viel - und wenn ich nur lange genug suche und ich selbst bleibe, dann gibt es auch Leute, die mich mögen (wie gesagt, mein Selbstbewusstsein war nicht sonderlich existent, meine "Selbsttreue" jedoch immer, gelitten habe ich trotzdem wie ein Hund, daher - ich kannte das Gefühl ja vorher und wusste, dass ich nicht "sterbe" wenn man mich deswegen ablehnen würde ;) ). Und was bringen mir denn Freundschaften und ein Leben, was auf einem nicht- annehmen meiner Selbst oder der Befürchtung dessen basiert? Wie sicher bin ich denn dann in meinem Leben? Ich will lieber Klarheit, und ebne so den Weg für Ehrlichkeit - und andere nach mir.

Keine Ahnung - so halt - bei mir gewesen. Egal, wie die Umgebung war.

Mausi

edit: um das kurz zusammen zu fassen: Ich begreife mich als Teil meiner Umgebung und kann sie daher aktiv mitgestalten. Heißt - ich kann, durch Reden, Outen, Aufklären Dinge verändern, Horizonte erweitetern, andere Sichtweisen rein bringen. Ich bin da von natur aus eher aktiv und versuche eben zu verändern, statt zu verharren. Ebenfalls eine Möglichkeit - von dem her nehme ich Umgebung nicht so "negativ" oder "homophob" wahr, weil sie, in meinen Augen und für mich, veränderlich ist.

Der Beitrag wurde von Mausi bearbeitet: 09.Jul.2008 - 18:08
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Geneviève
Beitrag 09.Jul.2008 - 20:08
Beitrag #53


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Hallo Mausi,

ich fand es wirklich interessant, deine Ausführungen zu lesen, danke dafür.
Mir ist dabei etwas aufgefallen, das mir vorher nicht konkret klar gewesen ist.

Du schriebst von der Gefahr, in einem negativen Selbstmitleid (ich bleibe der Einfachheit halber einfach bei diesem deinen Begriff) für immer gefangen bleiben zu können, weil einem diese Gefangenschaft gefallen könnte.
Das ist etwas, das mir völlig fremd ist. Passivität hat für mich persönlich niemals etwas Positives, im Gegenteil, die ist ungeheuer quälend. Genauso abstoßend und nicht etwa beruhigend oder gar wünschenswert ist für mich der Gedanke daran, (real oder eingebildet) etwas so Schlimmem gegenüber zu stehen, dass ich rein gar nichts dagegen tun kann. Ich empfinde bei den Gedanken daran kein: Hier ist es so bequem, hier bleib ich. Sondern ein: Nichts wie weg hier, ich will hier nicht sein.
Bequemlichkeit ist nichts, das ich Eigenständigkeit, Lebendigkeit, Selbst-Sein vorziehen würde, schon der Gedanke ist für mich absurd. Warum sollte ich in etwas verharren, das mir nicht gut tut? Weil es bequem ist – was ist denn daran bequem, wenn es überall drückt? Da bewege ich mich lieber und komme irgendwo an, wo es mir gefällt.

Ich habe nie beachtet, dass ein Verharren in Schwarzmalerei möglich ist. Weil es für mich persönlich beim Betrachten von und der Auseinandersetzung mit negativen Dingen/Erfahrungen/usw. immer und ausnahmslos darum geht, sie zu verlassen. Nicht etwa darum, da drin stecken zu bleiben.
Um sie zu verlassen, muss ich sie zwangsläufig betrachten (weil ich wissen muss, was genau ich nicht will und wovon genau ich weg will und wie ich da hinein gekommen bin und wie ich das zukünftig vermeide und wie ich wieder rauskomme). Aber der Anspruch der Betrachtung des Negativen zum Zwecke des Weggangs (!) vom Negativem ist grundsätzlich gegeben.
Alles andere ist keine Option für mich, nicht einmal gedankliche und ich kann mich auch nicht einfühlen in eine Betrachtung von Negativem zum Zwecke eines Sich-darin-fürs-Leben-häuslich-einrichten.
Das ist mir einfach nur fremd.

Ich bin bislang davon ausgegangen, dass das bei jedem Menschen so ist – zugegeben, das ist eine total begrenzte Weltsicht, die mir zudem, wie mir jetzt auffällt, ein paar Mal während meines bisherigen Lebens geschadet hat, weil ich Menschen unterstützte, die sich in ihrem Leiden häuslich eingerichtet hatten und auch nicht weg wollten, sondern nur jede Eigenverantwortung abschieben und bemuttert werden wollten. Ich habe das aber nie richtig sehen können, eben weil das für mich persönlich unvorstellbar ist.

Also ein herzliches Danke an alle an dieser Diskussion beteiligten Frauen hier. Mir zumindest hat das gerade eine Menge gebracht. :blumen2:


Viele Grüße,

Geneviève
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Rafaella
Beitrag 09.Jul.2008 - 20:13
Beitrag #54


Freies Vögelchen
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QUOTE (LadyGodiva @ 09.Jul.2008 - 17:04)

Das Leben, das ich als Erwachsene führe, habe ich recht hart meinem Umfeld abgetrotzt. Gegen alle Widerstände und gegen einen recht reichen Schatz an Erfahrungen, die mir das Gegenteil beweisen sollten.

Liebe LG, das ist mal ein Satz von dir mit dem ich mich voll und ganz identifizieren kann. Danke dafür - das ist der rote Faden meiner Biographie...


lg
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shark
Beitrag 09.Jul.2008 - 20:14
Beitrag #55


Strösenschusselhai
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Geneviève:

Und ich mag, wenn ich das mal sagen darf so zwischendurch, Deine ehrliche und freundliche Art zu schreiben.
Ganz abgesehen davon, dass wir beide offenbar - trotz unterschiedlicher Ausdrucksweise - lebensbejahenden, leidbeendenden Bemühungen und Massnahmen den Vorzug geben vor mehr oder weniger stillem Ausharren im Unglück.

Grüsse,


shark

Der Beitrag wurde von shark bearbeitet: 09.Jul.2008 - 20:15
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Mausi
Beitrag 09.Jul.2008 - 23:24
Beitrag #56


Mama Maus
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@Geneviève

Ja - das kann ich unterschreiben. Negative Aspekte - schauen was negativ ist um es dann zu ändern.
So kenne ich es von mir auch, außer in kurzen, heftigen Zeiten - aber auch diese sind überwunden.
Von dem her - ich bin da auch eher aktiv drin, dann eben zu ändern - schließlich soll es ja besser werden.

Aber andere sind eben nicht so - und so wirkt es, stellenweise, nunmal bei Holly - daher eben auch die Beiträge.

Aber ich freue mich, dass wir im Endeffekt das Selbe meinten bzw. den Umgang damit, aber die Begrifflichkeiten einfach unterschiedlich waren. Und es freut mich sehr, dass ich Dir erklären konnte, was ich meinte :)

Liebe Grüsse
Mausi
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Geneviève
Beitrag 10.Jul.2008 - 12:46
Beitrag #57


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Hallo ihr alle,

@shark, danke für das Kompliment. Ich lese auch gern, was du schreibst. :blumen2:

Und @Mausi, dann freuen wir uns jetzt beide, dass wir einander nun verstanden haben. Schön, Grund zur Freude ist immer gut. :)

@all:
Und was das Thema dieses Threads angeht, schreibe ich wohl in den nächsten Tagen noch irgendetwas, momentan habe ich zu viele Gedanken dazu im Kopf, muss das erst mal sortieren.
Ich habe mich in den vergangenen Tagen erstmals mit den möglichen Ursachen von Homophobie befasst (bin vorher nie auf den Gedanken gekommen, das zu tun), was auch bedeutet, Homophobie nicht mal mehr verborgen als etwas zu betrachten, das einige Menschen einfach haben, wie ihre Augenfarbe oder Schuhgröße, sondern als etwas, das im weiten und engen Sinn krank ist.

Das mag banal klingen, aber für mich ist das gerade wichtig, weil es meinen Blickwinkel endgültig umdreht. Ganz einfach deshalb, weil das bedeutet, mich nicht mal mehr hin und wieder durch die Augen einer früher erlebten homophob eingestellten menschlichen Umwelt zu betrachten, sondern diese aus meinen eigenen Augen heraus anzusehen und mit meinen eigenen Gedanken und meinen eigenen Gefühlen wahrzunehmen und zu bewerten. Und das wiederum bedeutet, mich nicht mehr so arg von diversen damaligen Äußerungen angegriffen und verletzt und in einem Rechtfertigungszwang gegen ohnehin unsinnige und unlogische Behauptungen zu fühlen, um meine durch sie angegriffene Integrität wieder herzustellen.
Wenn ich Homophobie als das betrachte, was sie ja auch tatsächlich ist (unlogisch, keineswegs normal, substanzlos in ihren Behauptungen, entweder – je nach Mensch – unzugänglich gegenüber jeder Diskussion oder veränderbar, u.v.m.), dann verliert sie den früheren Macht-Status. Was mich automatisch noch unabhängiger und freier macht. Und damit grundsätzlich mehr Platz für eine Art Selbstverständlichkeit meines eigenen Seins lässt.


Viele Grüße,

Geneviève
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Leah
Beitrag 10.Jul.2008 - 15:35
Beitrag #58


Meer sein
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Liebe Geneviève,

ich bemerke so was dieser Thread,dieser Austausch hier mit Dir macht und ich persönlich habe das Gefühl,dass es Dir richtig viel bringt! Auch wenn ich die letzte Zeit nur noch stille Mitleserin war,so finde ich dieses Thema und wie alle damit umgehen doch sehr wichtig und regt mich nach wie vor sehr zum Mit-Denken an... Die verschiedenen Denkensweisen und Ängste und auch das unterschiedliche Verständnis für dieses Thema finde ich so interessant...
Jeder hat seine ganz persönliche Geschichte und dennoch verbindet uns alle so viel....da jeder,mehr oder weniger,diese Fragen durch hat....eine Lösung für sich gefunden hat - oder noch dabei ist eine zu finden....

:blumen2:

Danke vor Allem an Dich für dieses Thema....dass man nie so ganz zu Ende denken kann..... :blumen2: und auch an alle anderen für ihre Gedanken,Ansichten....worüber man immer wieder aufs neue Nachdenken kann...

:)
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Geneviève
Beitrag 11.Jul.2008 - 03:58
Beitrag #59


Vorspeisenexpertin
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Hallo ihr alle,

etwas wirr vielleicht, ist schon spät (oder früh, je nachdem), aber das stört mich prinzipiell nicht. ;)


Hollys Satz „Für solche wie mich ist einfach kein Platz in dieser Welt“ ist einer von den Sätzen, die mir nicht mehr aus dem Kopf gegangen sind. Weil das etwas ist, das ich auch lange immer mal wieder genau so formuliert habe.

Ich musste heute daran denken, dass ich als Kind (ich war vier oder fünf) einen Ring hatte. Der war eigentlich gar nichts Besonderes, ich weiß nicht mal mehr, woher ich ihn hatte. Aber ich konnte buchstäblich Stunden damit verbringen, den anzusehen. Der hatte einen ganz einfachen, geschliffenen, durchsichtigen (Glas)Stein, nicht mal groß, nicht mal besonders hübsch – aber ich habe es geliebt, zuzusehen, wie im Licht Farben entstanden und wie sie sich veränderten, wenn ich den Stein oder die Lichtquelle drehte. Das Farbspiel hat mich angezogen. Es hat mich fasziniert, wie etwas, das im Dunkeln so langweilig und gewöhnlich und simpel und endlich und fassbar war, im Licht so bunt, so veränderbar, überraschend, komplex und mehr wurde als das, was es auf den ersten Blick schien.
Das Gleiche mit Weihnachtsbaumkugeln. Ich mochte Weihnachten hauptsächlich wegen des Lichtes. Wenn keine Lichter am Baum angeschaltet waren, fand ich es beinahe grotesk, einen Baum mit Kugeln und allerlei Firlefanz zu behängen. Die Kugeln waren einfach bloß runde Glasdinger, meist nicht mal besonders ansehnlich.
Aber ich habe auch da, wenn das Licht an war, das Farbspiel geliebt, die Spiegelungen, die Veränderungen in jedem Flackern, in jeder Bewegung.
Es hat mich gerührt, dass etwas so Einfaches etwas so Schönes hervorbringen und in sich bergen kann.

Warum ich das überhaupt erzähle, ganz abgesehen davon, dass es eine gedankliche Assoziation war:
Ich glaube, mit einem Platz für einen selbst ist es etwas sehr ähnliches wie mit geschliffenen Glassteinen und Weihnachtsbaumkugeln. Es kommt darauf an, welche Umgebung man für sie schafft.
Und einfach nur einen Platz einnehmen zu wollen, auf dem sowieso schon Millionen Andere stehen und der vorgegeben und festgetrampelt und totgetrampelt ist, ist so, als würde ich einen geschliffenen Glasstein in einen fenster- und lichtlosen Raum legen. Es wäre bloß ein Materialklumpen, langweilig, nichtssagend, exakt wie Tausend andere zurechtgesägt und bedeutungslos.
Das eigentlich Spannende ist doch, selbst einen Platz kreieren zu können, fern ab von Fertigbausätzen. Und dabei – und nur dabei – kann man dann das Wunder erleben, wie etwas vermeintlich ganz Einfaches und Alltägliches und Unbesonderes plötzlich eine solche Schönheit Preis gibt, das man gerührt daneben steht und gar nicht anders kann, als es zu lieben.

Ich glaube, ich hänge zu sehr an diesen Wundern, um einfach nur einen Platz einnehmen zu wollen, der vorgefertigt ist und zu dem ich einfach nicht gehöre, an dem ich nur eine deplatziert wirkende Kugel an einem überladenen Baum wäre.
Ich bin zu neugierig dafür, habe zu viel Lust am Erschaffen und zu viel Spaß an Kreativität und zu viel von etwas, für das ich keinen Begriff habe. Liebe zu diesem Entdecken vielleicht.

Shark meinte, dass es letztlich um die Frage ginge, ob man glücklich sein wolle oder nicht. Ich glaube, es geht um mehr als um Glück. Darum, ob man Materialklumpen sein will oder Wunder.


Eigentlich wollte ich bloß Danke sagen dafür, dass ihr mich an die Weihnachtsbaumkugeln und den Ring erinnert habt.


Viele Grüße,

Geneviève
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Glühwürmchen
Beitrag 11.Jul.2008 - 17:14
Beitrag #60


Gut durch
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QUOTE (Geneviève @ 11.Jul.2008 - 03:58)

Shark meinte, dass es letztlich um die Frage ginge, ob man glücklich sein wolle oder nicht. Ich glaube, es geht um mehr als um Glück. Darum, ob man Materialklumpen sein will oder Wunder.



und von mir vielen Dank für diesen wunderbar treffenden Satz (stellvertretend für den ganzen Beitrag)

:blumen:
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