Humankapital, unwort des jahres 2004 |
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Humankapital, unwort des jahres 2004 |
19.Jan.2005 - 15:01
Beitrag
#1
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strösen macht blau! Gruppe: Admin Beiträge: 12.621 Userin seit: 24.08.2004 Userinnen-Nr.: 12 |
entgegen vieler vermutungen, dass sich die begriffe 'hartz 4' oder 'ein-euro-job' bei der wahl zum unwort des jahres durchsetzen würden, sind die nur auf den rängen gelandet. das rennen zum umwort des jahres, das immer ein "besonders krasses Missverhältnis von Wort und bezeichneter Sache", darstellen soll, hat der begriff 'humankaptital' gemacht. auf den plätzen landeten die begriffe "begrüssungszentrum" und "luftverschmutzungsrechte". besonders widerlich, und damit einer meiner favoriten, ist allerdings auch das konstrukt "bestandsausländer"!
zum weiterlesen: hier |
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19.Jan.2005 - 15:19
Beitrag
#2
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Capparis spinosa Gruppe: Members Beiträge: 3.143 Userin seit: 25.08.2004 Userinnen-Nr.: 97 |
Damit wird dem Wort unrecht getan, in vielerlei Hinsicht. ich kann die Entscheidung überhaupt nicht nachvollziehen. Humankapital ist ein Wort, das nicht nur von Wirtschaftswisenschaftlern verwendet wird. Es ist ein neutrales Wort, es wertet nicht.
Hier übrigens mal die Definition derer sich die Bundeszentrale für politosche Bildung bedient: (engl.: human capital). Das durch allgemeine Bildungs- und andere Qualifizierungsmaßnahmen entstandene Leistungspotenzial (Arbeitsvermögen) eines Individuums, eines Unternehmens oder einer Volkswirtschaft. Es stellt eine der Grundlagen wirtschaftlichen Wohlstands dar. Quelle: Schubert/Klein, Das Politiklexikon, Bonn 2001: Verlag J.H.W. Dietz Das Wort Humankapital ist ja symbol für die angeblich kalten Fusion von Wirtschaft und Menschlichkeit Aber warum soll das unmenschlich, kalt sein? Unsere Gesellschaft basiert auf wirtschaftlichen handlen, es ist die Grundlage des Überlebens und in unserem Teil der Welt leben wir verdammt gut davon und dadurch. Wirtschaft ist eine der stärksten menschlichen Triebkräfte. ich würde sogar sagen, stärker als die Liebe. Und wo der Artikel schon auf Marx eingeht: In der Entwicklung der Produktion steht humankapitalintensive Produktion ganz oben. Es stellt individuelle Fähigkeiten von Menschen in dem Mittelpunkt, nicht Maschinen (kapitalinteniv) und auch nicht ungelernte massenhafte (Knochen)arbeit (arbeitsintensiv). Kopfschüttelnde Grüße Bilana |
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19.Jan.2005 - 15:42
Beitrag
#3
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strösen macht blau! Gruppe: Admin Beiträge: 12.621 Userin seit: 24.08.2004 Userinnen-Nr.: 12 |
also ich hab schon ein problem damit, mich als 'humankapital' zu begreifen. für meinen geschmack drückt der begriff genau das aus, was mir mal ein indischer taxifahrer (in deutschland) gesagt hat: 'eine volkswirtschaft schätzt die dinge, die am leichtesten verfügbar sind, immer am geringsten.' - wir sind in einer wirtschaftlichen entwicklung, die den faktor 'mitarbeiterIn' gerade immer weiter herabwürdigt (s. auch rekordgewinne der dax-unternehmen mit gleichzeitiger grosszügiger freisetzung von 'humankapital'). für meinen geschmack ist ein solcher begriff gut geeignet sich gedanklich davon zu lösen, dass es sich hier um menschen handelt. - und wenn solch ein begriff dann noch - wie im artikel erwähnt, fachfremd - für die aufzucht :wacko: von kindern benutzt wird, ist das mass des abgeschmackten endgültig erreicht. zumindest bei mir.
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19.Jan.2005 - 15:59
Beitrag
#4
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Gut durch Gruppe: Members Beiträge: 1.084 Userin seit: 21.10.2004 Userinnen-Nr.: 633 |
Sicher, die Wirtschaft ist eine starke Triebkraft, von Menschen gemacht; aber der Markt an sich ist menschenverachtend, sein Ziel ist ganz allein der Gewinn.
Der Begriff Humankapital (ich finde die "Begrüßungszentren" übrigens viel schräger) reduziert den Menschen zunächst zu einer Art Bilanzposten. Das ist eine Art Graubereich, denn "Kapital" steht ja durchaus noch für einen Wert. Aber ich glaube, sobald dieses bereits leicht neutralisierte "Menschenbild" in geistloser Weise in andere Zusammenhänge weitergetragen wird (s. die "Aufzucht" von Kindern) – spätestens hier kippt das Ganze. , |
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19.Jan.2005 - 16:05
Beitrag
#5
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Capparis spinosa Gruppe: Members Beiträge: 3.143 Userin seit: 25.08.2004 Userinnen-Nr.: 97 |
Du bist kein Humankapital, sondern eine Arbeitskraft. Du trägst mit deinen Fähigkeiten, Erfahrungen und Wissen aber zum Humankapital unserer Volkswirtschaft bei. Die selbe Volkswirtschaft, die es uns ermöglicht ein wirtschaftlich so angenehmes Leben zu führen.
Und der Tatbestand das du eine Arbeitskraft bist und zum Humankapital beiträgst verneint in keiner Weise, dass du ein individueller Menschen mit Bedürfnissen, Liebe, Sorgen, Nöten, Freuden bist. Nun gut, ich gebe zu, das die Wirtschaftswissenschaften das nicht gerade herausstreichen, aber es gibt auch andere Wissenschaften, die sich mit dem Thema Ökonomie und damit Arbeit, Kapital usw. beschäftigen, die das bewusst betonen. Der Erkennen, das hinter einer Arbeitskraft ein Mensch mit sozialen Bedürfnissen steht. Mir jedenfalls leuchtet es nicht ein, das Menschen sich durch diesen Begriff auf den Schlips getreten fühlen. Beispiel: Jemand kriegt den Befund: "Abgeflachte HWS-Lordose, ansonsten altersgerechte Darstellung." Repräsentiert diese lapidare Feststellung das Leid, die Schmerzen, die dieser Mensch durchmacht? Würde sich jemand über solche klinischen Beschreibungen seiner Krankheit beschweren? Wohl eher nicht, weil jeder weiß, das es nötig ist, damit die behandelnden Ärzte sich verstehen und es nicht zu folgeschweren Fehlern kommt. Abgesehen von den begrifflichkeiten ansich geht es halt doch um die Anprangerung der Verknüpfung von Menschlichkeit und Wirtschaft. Das impliziert, das Wirtschaft unmenschlich ist. Manchmal ist sie es, aber das haben auch nur Menschen verursacht. Ach ich wiederhole mich. |
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19.Jan.2005 - 16:48
Beitrag
#6
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Gut durch Gruppe: Members Beiträge: 1.071 Userin seit: 25.08.2004 Userinnen-Nr.: 84 |
Was mir beim Lesen des Threads durch den Kopf ging:
Bei mir stellen sich bei dem Begriff "Humankapital" ebenfalls die Haare - aber wohl aus meinen Erfahrungen mit Unternehmen und sozialverträglichem Personalabbau. Und wenn dann Unternehmensberatungen von "Redimensionierung" sprechen und dass MitarbeiterInnen "freigesetzt" werden :angry: Ja, da wird dann Sprache missbraucht um eine unangenehme Tatsache sprachlich angenehmer zu machen ... nur die ArbeitnehmerInnen, die dadurch ihren Job verlieren, fühlen sich als Objekt missbraucht und ziemlich ver..... Und ich kann sie verstehen: das Wort Humankapital an sich ist per definitionem in Ordnung, nur sein Ge- und Missbrauch in der Wirtschaft ist meiner Meinung nach mehr als problematisch und Entscheidungs- und damit Verantwortungsträger (ich schreibe bewußt die männliche Form) können sich allein durch Sprache schon distanzieren! |
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19.Jan.2005 - 18:28
Beitrag
#7
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a.D. Gruppe: Members Beiträge: 8.380 Userin seit: 24.08.2004 Userinnen-Nr.: 5 |
Ich kann beide Argumentationen verstehen, näher ist mir aber die von Bilana. Vielleicht deshalb, weil ich vorbelastet bin - ich sehe beruflich viel volkswirtschaftliche Sprache, und zu meinem Job gehört es auch, "Humankapital zu verwalten". (Bitte die Anführungszeichen beachten und/oder weiterlesen!!)
Aber zum Verwalten von Kapital gehört es eben auch, auf dieses Kapital aufzupassen, damit es ihm gut geht. Im höchst wirtschaftlichen Interesse. Und da ist es durchaus hilfreich, bei Entscheidungen den "Faktor Humankapital" zu berücksichtigen und als gleichberechtigt beispielsweise zum "Faktor Finanzkapital" zu betrachten - das führt auch dazu, dass er ernst genommen wird. Im Gegensatz zu "wir müssen menschenfreundlich sein und etwas für die Mitarbeiter/-innen tun" oder "wir können nicht auf jeden Furz der Mitarbeiter/-innen Rücksicht nehmen". So weiss ich: das Finanzkapital mag noch so stimmen - wenn das Humankapital nicht ebenfalls gepflegt wird, funktioniert das Geschäft nicht. Und dieses Pflegen des Humankapitals, das bedeutet dann - völlig volkswirtschaftlich gefordert und legitimiert -, dass für die Mitarbeiter/-innen etwas getan wird, ihre Belange in Entscheidungen einbezogen werden etc. Nun ist allerdings nicht jedem durchschnittlichen Zeitungleser diese Bedeutung und Verwendung des Wortes immer bewusst und geläufig, darum kann ich schon verstehen, weshalb das Wort auf Befremden stösst - ich finde das allerdings schade. |
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19.Jan.2005 - 18:58
Beitrag
#8
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blau ist gesund Gruppe: Members Beiträge: 6.276 Userin seit: 24.08.2004 Userinnen-Nr.: 40 |
Hmm, finde Humankapital nicht wirklich schlimm. Vielleicht weil ich VWL-Kenntnisse habe. Wie sonst will jemand die vielen Kosten miteinander in Relation setzen?
"Einreisezentrum" und "Luftverschmutzungsrechte" finde ich schlimmer. Insbesondere das Letzt genannte. Wie kann jemand gg Geld freiwillig seine Land verschmutzen? Sinnvoller wäre es, wenn viele die Treibhausgase reduziert. Okay, bei den Kühen haben wir ein Problem :wink: |
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19.Jan.2005 - 21:54
Beitrag
#9
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I lof tarof! Gruppe: Members Beiträge: 15.384 Userin seit: 30.08.2004 Userinnen-Nr.: 198 |
am allerschlimmsten finde ich 'begrüßungszentrum' :angry:
das wort ist so unglaublich 'euphemistisch', dass es mir echt übel wird, ich erwarte nur noch die 'duschen'!!! Für die 'endlösung'. |
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20.Jan.2005 - 13:28
Beitrag
#10
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Strösenschusselhai Gruppe: Admin Beiträge: 21.898 Userin seit: 10.11.2004 Userinnen-Nr.: 741 |
@robin:
Yoo, genau meine Assoziation zu diesem Wort! |
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20.Jan.2005 - 18:51
Beitrag
#11
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Reisefreudige Nacht-zum-Tag-Macherin Gruppe: Members Beiträge: 2.215 Userin seit: 04.12.2004 Userinnen-Nr.: 869 |
Ähnlich wie Bilana finde ich die Wahl dieses Begriffs auch nach der Lektüre der Pressemeldung wenig nachvollziehbar. "Outplacement", "Freisetzung" oder ähnlich beschönigende Termini für de facto negative Ereignisse hätte ich nachvollziehen können.
Für mich steht der Begriff "Humankapital" positiv für den Wert der spezifischen Fähigkeiten und Erfahrungen von arbeitenden Menschen, die sich für die Organisation und die Volkswirtschaft auszahlen können. Im Kontext von Massenentlassungen zur kurzfristigen Gewinnsteigerung werden Menschen aber nicht als Potential, sondern als Kostenfaktor gesehen. Insofern würde ich unterschreiben, daß Humankapital oft zu wenig wertgeschätzt wird, aber das macht den Begriff für mich nicht zum Unwort. |
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20.Jan.2005 - 19:26
Beitrag
#12
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Salzstreuerin Gruppe: Members Beiträge: 98 Userin seit: 30.09.2004 Userinnen-Nr.: 503 |
Auch ohne Wirtschaftswissenschaftlerin zu sein, hat mich diese Wahl doch etwas ratlos zurück gelassen. Hatte es gestern Abend zufällig bei Maischberger aufgeschnappt. Es hat mich wenig berührt. Begrüßungszentrum oder Freisetzung und andere bereits genannte Worte lösen bei mir mehr Ekel aus - im Sinne von schöne Worte für schreckliche, unangenehme oder wie auch immer Dinge zu finden. Für meinen Geschmack ist diese Wahl aber sowieso sehr zweifelhaft: Ich-AG hätte ich auch nicht zum Unwort gemacht und den Begriff Menschenkapital zum Unwort des Jahrhunderts zu wählen (lt. Spiegel), finde ich ziemlich heftig. Da es sich hier ja nur um das 20. Jhd. handeln kann, wären doch einige Begriffe aus dem Nazi-Sprachgebrauch angebrachter gewesen.
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Vereinfachte Darstellung | Aktuelles Datum: 08.11.2024 - 10:55 |