Ab 1. Oktober 2008 lesen wir gemeinsam mit der Autorin Tereza Vanek ihren Roman "Schwarze Seide". In diesem Thread könnt ihr eure Kommentare und Fragen zum ersten Teil (S. 5-102) posten.
Wenn ihr vorgreifen wollt, weil ihr schon weitergelesen habt als Seite 102, dann "spoilert" euren Text bitte (= schreibt ihn in weiß und damit "unsichtbar"), damit den anderen der Lesespaß nicht verdorben wird.
Das sieht so aus:
Na, dann fang ich mal an.
Ich habe das Buch in weiser Voraussicht schon im Sommer gelesen, weil ich wusste, dass ich um diese Zeit wahrscheinlich den Kopf dafür nicht wirklich frei haben würde. Ich habe mir aber ausführliche Notizen gemacht, und wenn ich mir die jetzt so angucke, würde ich das Buch wirklich gern gleich nochmal lesen.
Zum Anfang: Die Tagebuchform liest sich gut. Die Frage ist, wie plausibel sie gerade hier ist? Natalja schreibt ausführlich, z.B. über ihr Missgeschick mit der Tinte, während sie noch im Gasthaus sitzt. In einem Reisetagebuch würde ich eher schreiben “Ich habe mir das Kleid schmutzig gemacht, weil…”, und dann würde es vielleicht hinterher in die jetzige Erzählform gebracht. Aber dann würde man eben nicht mehr “Ich sitze” schreiben.
Die Sprache insgesamt gefällt mir. Sie ist zwar modern, hat aber einen gewissen wiegenden Rhythmus, der für eine Verlangsamung sorgt, das passt zu der Zeit, die erzählt wird.
S. 5 - Schön, dass Natalja Malerin ist! Da entstehen im Kopf gleich viele bunte Bilder. Außerdem wird eine andere Welt/Gesellschaftsschicht beschrieben als bei Jane Austen oder Georgette Heyer. Auch mal schön.
Auf S. 11 bei den "Arien des Herrn Mozart" hab ich neugierigerweise mal nachgeforscht: Als Natalja noch in Prag ist, lebte Mozart dort noch gar nicht. Das hat mich zuerst ein bisschen geärgert - bis ich im Nachwort darauf stieß, dass Tereza gewisse Verschiebungen der Chronologie vorgenommen hat, damit es passt. Dann finde ich's wieder legitim.
Auf S. 11 erfahren wir außerdem, wer die Erzählerin ist: die “Tochter des Grafen Serbinskij”. Überhaupt werden bisher viele Andeutungen gemacht: die Mutter der Erzählerin, Jelena, Jelenas Sohn… das macht mich neugierig.
Soweit mal meine ersten Eindrücke... ich bin auf eure gespannt.
QUOTE (regenbogen @ 01.Oct.2008 - 12:21) |
Zum Anfang: Die Tagebuchform liest sich gut. Die Frage ist, wie plausibel sie gerade hier ist? Natalja schreibt ausführlich, z.B. über ihr Missgeschick mit der Tinte, während sie noch im Gasthaus sitzt. In einem Reisetagebuch würde ich eher schreiben “Ich habe mir das Kleid schmutzig gemacht, weil…”, und dann würde es vielleicht hinterher in die jetzige Erzählform gebracht. Aber dann würde man eben nicht mehr “Ich sitze” schreiben. Auf S. 11 bei den "Arien des Herrn Mozart" hab ich neugierigerweise mal nachgeforscht: Als Natalja noch in Prag ist, lebte Mozart dort noch gar nicht. Das hat mich zuerst ein bisschen geärgert - bis ich im Nachwort darauf stieß, dass Tereza gewisse Verschiebungen der Chronologie vorgenommen hat, damit es passt. Dann finde ich's wieder legitim. |
QUOTE (Tereza @ 01.Oct.2008 - 17:27) |
Allerdings hat sich mal eine Leserin beschwert, sie fände den häufigen Wechsel zwischen Präsens und Imperfekt am Anfang störend |
QUOTE (kawa @ 01.Oct.2008 - 18:29) |
Sprachlich ist es angenehm zu lesen, da gebe ich regenbogen recht, auch wenn ich über so manchem grammatikalischen Schnitzer zusammengezuckt bin. Z.Bsp. ist der Plural zu (Schiffs-)Mast nicht "Mäste" (S.98), sondern "Masten" oder "Maste", und die Vergleichspartiekl ist "als" und nicht "denn". (Achtet die Lektorin auf so was nicht? ) |
QUOTE (kawa @ 01.Oct.2008 - 19:29) |
Die Erzählform des Tagebuchs zu wählen, fand ich spannend, weil man doch das Gefühl hat, viel näher am Geschehen zu sein. Allerdings stolperte ich über den Perspektivenwechsel auf Noas Sicht. Damit tat ich mich anfangs sehr schwer, und ich habe ziemlich lange gebraucht, um einzusehen, dass Noa Zugang zu Informationen hat, die Natalja fehlen, für den Verlauf der Handlung aber wichtig sind. Und natürlich ist es auch spannend, die Sicht der Sklaven zu erleben. |
QUOTE (kawa @ 01.Oct.2008 - 18:29) |
Das mit Mozart ist mir natürlich nicht aufgefallen. Ich bin da nicht so bewandert und gehe davon aus, dass ein Roman, der historisch daherkommt, auch sorgfältig recherchiert ist. Deswegen war ich recht dankbar, dass Tereza im Nachwort die kleinen Zeitbeben benannt und erklärt hat. |
QUOTE (Pumba @ 01.Oct.2008 - 19:42) |
Mir ist aufgefallen, dass die Marie Luise der Natalja zu Marylouise bei Noa wird. Hat dies eine tiefere Bedeutung? Es hat mich leicht irritiert, da ich den Grund für die unterschiedlichen Schreibweisen nicht erkennen kann. |
QUOTE (Tereza @ 01.Oct.2008 - 20:41) |
"Denn" ist nach meinem Sprachgefühl ein eher veralteter, aber nicht völlig falscher Vergleichspartikel. |
QUOTE (Tereza @ 01.Oct.2008 - 20:53) |
Ähem, bei historischen Romanen ist da schon ein bisschen Vorsicht angebracht. Sie sind keine Fachbücher, sondern Fiktion. |
Hallo miteinander!
Huch, ich dachte, wir fangen heute zu lesen an. Okay, heute ist gleich vorbei und ich bin auf der ersten Seite.... ich besser mich, versprochen!
Ich freu mich jedenfalls über das Thema und die Zeit und bin gespannt.
Grundsätzlich kann ich sagen, dass Romane deutscher Autoren teilweise schwieriger zu lesen sind als Übersetzungen, was ich aber auf die Übersetzer zurück führe. Ist ja ein bisschen wie die Synchronisation beim Film....
Also, ich leg dann mal los!
Ich suche das Fachwort für die Verschiebungen der Chronologien. Sie sind doch auch im Film ein sehr beliebtes, will mal sagen, künstlerisches Mittel.
Auch ich hatte mit dem häufigen Wechsel zwischen Präsens und Imperfekt am Anfang Probleme. Wird wohl noch eine Weile dauern. Vor allem, weil ich nach einer langen Zeit Lesepause, endlich mal wieder lese. Und wie es den Anschein hat, sind hier Leseprofies am Werk.
In Natalja habe ich mich sofort verliebt. Jedenfalls ist es spannend und erweckt Neugier in mir. So soll es sein.
Das mit dem häufigen Wechsel zwischen Präsens und Imperfekt ist mir überhaupt nicht aufgefallen.
"denn" beim Vergleich mag ich sehr gerne. Es klingt ein bisschen antiquiert, aber ich mag das. In der modernen Sprache (und selbst da ist es vermutlich nicht ganz "üblich") kenne ich es eigentlich nur, um ein doppeltes "als" zu vermeiden - "sie war als Sängerin erfolgreicher denn als Schauspielerin".
Ich mach mal ein bisschen mit meinen Notizen weiter...
Es gefällt mir, dass die Perspektive wechselt, und ich rätsle erst einmal ein bisschen, wer das jetzt ist, der da erzählt. Eigentlich gefällt es mir nicht so, wenn ein Autor den Leser bewusst im Dunkeln lässt, aber hier finde ich es ganz schön, nach weiteren Andeutungen zu suchen. Auf S. 19 sagt Noa z.B. "habe Gefallen am Schreiben gefunden" - da frage ich mich schon mal, wer dieser Erzähler ist, dass er a. überhaupt schreiben und b. sich so gewählt ausdrücken kann.
@Tereza, waren die beiden Perspektiven von Anfang an so geplant, oder hat sich das erst im Laufe des Schreibens ergeben? War es klar, dass es diese beiden Perspektiven sein mussten, oder hast du auch überlegt, aus Sadies Sicht zu schreiben (vielleicht dann nicht als Tagebuch, sondern als Erzählung oder wie auch immer)?
Das hier ist ja wohl nur noch toll (S. 21):
"Ich habe allmählich begriffen, dass es sich weitaus besser lebt, wenn man anderen Menschen die Gelegenheit gibt, manchmal nett zu einem zu sein."
Hätte Noa das hier im Forum geschrieben, wäre er bestimmt für die http://www.lesbenforen.de/iv/index.php?showtopic=7058 nominiert worden!
Auf S. 22 wüsste ich gerne, von welchen Büchern Noa es hat, vor allem das über das arme Mädchen, "das sich weigert, die Geliebte eines reichen Mannes zu werden, und schließlich von diesem geheiratet wird" @Tereza, das gibt's doch sicher wirklich?
Der "gewisse Milton" ist jedenfalls "Paradise lost"...
auf Deutsch: "Das verlorene Paradies" von John Milton
Und auf S. 23 fand ich den letzten Satz klasse - schönes Bild, wie beim Schreiben die Gedanken aus allen Richtungen herbeikommen wie die Leute auf den Marktplatz, wenn neue Ware eingetroffen ist.
Also. Spannend geht das los!
Das ominöse "denn" hat mich übrigens entzückt ob seines Auftauchens.
Ich mag solche Wörter, die ein bisschen aus dem heutigen Wortsalat herausragen.
Was ich dagegen nicht so gerne mochte, war das Hin und Her mit den Zeiten. Ich bin gespannt, ob ich mich noch daran gewöhnen werde.
Und wenn ich schon beim Maulen bin: Ganz glücklich bin ich auch nicht, dass sich das Bier mit der Tinte "zu fein geschwungenen Mustern" vermischt. Ich spüre, dass mir da etwas beschrieben werden soll, aber ich sehe diese Muster eben nicht. Vielleicht, weil ich bei "Muster" an Druck- oder Webmuster denke, also an etwas Zweidimensionales. Weder die Bewegung noch die Dreidimensionalität der Matscherei ist mir da eingefangen. Schön hingegen finde ich, dass die Malerin dann auch sofort die neue Farbe wahrnimmt - warum beschreibt sie das eigentlich nicht? Das gelbbraune Bier, in dem die Tinte dunkle Schlieren (aha! die Muster) bildet, das wäre auch etwas, oder die dunkle Tinte, die sich am Rand des Biers allmählich aufhellt? Dass sich das so schnell nicht zu einer einzigen Flüssigkeit mengt, liegt doch wohl an unterschiedlicher Viskosität. Aber das wird nun eindeutig zu technisch. Dass ich mich beim Lesen damit beschäftige, statt die Geschichte zu verfolgen, liegt meiner Meinung nach an diesen "Mustern". Wenn das Wort nicht "sitzt", bleibt ein Spalt in der Geschichte offen, durch den ich entwischen kann. Und das ist ja nicht der Sinn der Sache.
Zum Glück geht es ja spannend weiter. Ich will wissen, was bei Marieluise passiert, warum ihr Mann so komisch ist, was sie so verändert hat - dabei sind das Nebenfiguren. Das finde ich klasse, dass die nicht einfach nur Staffage sind. Über das Marylouise bin ich auch zunächst gestolpert, aber es war mir dann sehr schnell klar, dass in diesem Haushalt Marieluise so wenig respektiert wird, dass das allererste was sie verliert, die vertraute Aussprache ihres Namens ist. Als Detail finde ich das hinreißend. Und sehr genau beobachtet. Kompliment!
Und heute Abend lese ich weiter.
Ganz bin ich durch den ersten Teil noch nicht durch
Einige Dinge sind mir aber schon aufgefallen.
Im Gegensatz zu einigen anderen, machte mir die Tagebuchform aus verschiedenen Perspektiven Mühe.
Vielleicht liegt es daran, dass die erzählende Figur im 2. Kapitel erst so spät einen Namen erhielt.
Manche Bilder, da erging es mir wie blaustrumpf, lassen zu viele Lücken oder empfinde ich als nicht so treffend (Bsp. S.25 "Ziegelsteinturm")
Etwas verwirrt hat mich S. 52, Noa berichtet von den Kleidern. Er hat den Namen eines "seltsamen Dings" vergessen. In meinen Gehirnwindungen stöberte ich nach dem Begriff, kam auf die Krinoline.
Die war aber, außer in Spanien, seit dem 17. Jahrhundert außer Mode.
S. 60 erinnert sich Noa entweder wieder an den Begriff, nämlich "Korsett", das verbreitert aber die Hüften nicht
( jedenfalls nicht das Korsett, das die feinen Damen des 17./18. Jahrhunderts trugen )
Gestolpert bin ich auch über die Stelle, als Natalja die Bilder davon flogen und ich mir überlegte, ob sie wohl ihren halben Hausstand von London zu den Cavendars geschleppt haben mag.
Ach ja und noch eine Frage, Tereza: Eine berufstätige, selbstständige Frau 1787? Gab es das wirklich? Erstaunte mich sehr.
Jetzt muß ich schon noch mal nachfragen. Oben steht, dass wir ab 1. Oktober anfangen und dann bis S. 102 lesen. Also ich bin gerade mal auf Seite 25 und konnte daher nur wenige Eindrücke sammeln, die ich hier noch gar nicht besprechen könnte.
Bis wann sollten denn die 102 gelesen sein?
Hallo, Lucia,
das Forum hat ja ein langes Gedächtnis ...
Lies halt in Deinem Tempo und schreib dann - und falls Dir Fragen kommen sollten, sind die zu dem Zeitpunkt auch vielleicht noch nicht alle bereits beantwortet. Du müsstest allerdings, wenn Du nicht vorher wissen willst, wie es weitergeht oder gar endet, vermeiden, in die weiterführenden Threads zu schauen.
Klick doch einfach mal in das Leserunde-http://www.lesbenforen.de/iv/index.php?showforum=50 zu Sandra Wöhes "Giraffe im Nadelöhr", da gab es auch schnellere und nicht ganz so schnelle Leserinnen.
QUOTE (Lucia Brown @ 02.Oct.2008 - 15:02) |
(...) Bis wann sollten denn die 102 gelesen sein? |
@ blaustrumpf
Danke für deine Tipps.
Wer der jeweilige Erzähler ist, sollte eigentlich klar sein, denn sie wechseln sich immer gegenseitig ab. Bei Natalja steht immer ein Datum am Anfang. Noas Text kommt im Anschluß, sobald ein neuer Abschnitt auf einer neuen Seite beginnt. Es müsste sich auch aus dem Inhalt ziemlich schnell ergeben, wer da gerade erzählt.
Die Frage, ob es glaubwürdig ist, dass Noa sich so gewählt ausdrückt, kam schon öfter. Ich habe auch schon eine PN erhalten, die in diese Richtung geht.
Grundsätzlich ist die Sprache in historischen Romanen immer ein bisschen ein Problem, denn es soll ja einigermaßen authentisch, aber für moderne Leute noch lesbar sein. Bei Natalja war es einfach. Sie sollte kultiviert und geistreich klingen.
Bei dem jamaikanischen Sschwarzen hatte ich ein größeres Problem und habe lange herumgerätselt, wie ich das anstelle. Es gab damals schon das Patois, einen Art Slang in Jamaika. Den hätte ein Sklave, der dort geboren und aufgewachsen war, gesprochen. Auf englisch könnte man das mit einschlägiger Hilfe wiedergeben, aber auf deutsch? Sollte er wie ein Ausländer klingen, holprig und mit Grammatikfehlern? Wie Erkan und Stefan? (dies bitte nicht bierernst nehmen )
Eine einfache, mit Fehlern behaftete Sprache wäre wohl glaubwürdig gewesen, aber der Schwarze sollte die Hälfte der Geschichte erzählen, und das gebrochen und fehlerhaft? Ich denke, es hätte bei der Lektüre viele Leute gestört.
Also machte ich aus meinem Sklaven einen hochbegabten, intellektuell ambitionierten Jungen, der bewusst versucht, wie ein weißer Herr reden und schreiben zu können. Als Hausdiener sitzt er ja an der Quelle, er kann heimlich Bücher lesen und lauschen, wie vornehme Herrschaften miteinander plaudern.
Er sollte nicht ganz so gewählt klingen wie Natalja, und ich habe mich bemüht, seine völlig andere Perspektive und seinen Hintergrund mit einfließen zu lassen.
Sadie konnte nicht selbst erzählen, weil das ein Briefroman ist und sie nicht schreiben kann. Sie ist das Gegenstück zu Noa, hat keinerlei Interesse an der Kultur der Weißen. Bei ihr wäre es auch schwerer gewesen, auf Dauer ein angemessene Sprache zu finden. Zwar ist auch sie Hausdienerin und daher mit dem Englisch der Weißen vertraut, aber sie hätte nicht so gewandt formulieren können wie Noa.
Das Buch über den Aufstieg des tugendhaften Mädchens stammt von Samuel Richardson und heißt: "Pamela or Virtue Rewarded". Es gab eine Satire darauf von Fielding: "Shamela". Da ist die tugendhafte Maid ein berechnendes Luder.
Viele Grüße
Tereza
QUOTE (blaustrumpf @ 02.Oct.2008 - 09:20) |
Das gelbbraune Bier, in dem die Tinte dunkle Schlieren (aha! die Muster) bildet, |
QUOTE (Tereza @ 02.Oct.2008 - 16:55) | ||
Lieber Blaustrumpf, genau das meinte ich mit Mustern. Tut mit leid, dass dieses Bild dich nicht überzeugt hat. Viele Grüße Tereza |
QUOTE (Oldie @ 02.Oct.2008 - 14:23) |
Etwas verwirrt hat mich S. 52, Noa berichtet von den Kleidern. Er hat den Namen eines "seltsamen Dings" vergessen. In meinen Gehirnwindungen stöberte ich nach dem Begriff, kam auf die Krinoline. Die war aber, außer in Spanien, seit dem 17. Jahrhundert außer Mode. S. 60 erinnert sich Noa entweder wieder an den Begriff, nämlich "Korsett", das verbreitert aber die Hüften nicht ( jedenfalls nicht das Korsett, das die feinen Damen des 17./18. Jahrhunderts trugen ) Gestolpert bin ich auch über die Stelle, als Natalja die Bilder davon flogen und ich mir überlegte, ob sie wohl ihren halben Hausstand von London zu den Cavendars geschleppt haben mag. Ach ja und noch eine Frage, Tereza: Eine berufstätige, selbstständige Frau 1787? Gab es das wirklich? Erstaunte mich sehr. |
QUOTE (Tereza @ 02.Oct.2008 - 17:48) |
Wer der jeweilige Erzähler ist, sollte eigentlich klar sein, denn sie wechseln sich immer gegenseitig ab. Bei Natalja steht immer ein Datum am Anfang. Noas Text kommt im Anschluß, sobald ein neuer Abschnitt auf einer neuen Seite beginnt. Es müsste sich auch aus dem Inhalt ziemlich schnell ergeben, wer da gerade erzählt. |
QUOTE |
Eine einfache, mit Fehlern behaftete Sprache wäre wohl glaubwürdig gewesen, aber der Schwarze sollte die Hälfte der Geschichte erzählen, und das gebrochen und fehlerhaft? Ich denke, es hätte bei der Lektüre viele Leute gestört. |
Ich blättere in meinen Notizen weiter...
Ich habe gelesen, dass manche Leser/-innen dem Buch Rassismus vorwerfen, weil (so nehme ich an) der Diener Noa als (stereotyp?) primitiv, aber gewitzt dargestellt wird. Mal abgesehen davon, dass ein Autor noch lange nicht rassistisch ist, wenn seine Figuren so agieren oder die Erzählperspektive so gestaltet ist, finde ich aber, dass Noa als Weißer seine Herrschaft auf genau die gleiche Weise beobachten könnte. Allenfalls ist es Standesdünkel, was da zum Ausdruck kommt: Der Diener, auf den herabgeschaut wird - egal, welche Hautfarbe er hat.
Außerdem machen Natalja und die Autorin uns immer bewusst, dass ihrer nur der europäische Blick ist. S. 33: Natalja gibt zu, sie hat “keine Ahnung, was die Männer in Jamaika reizvoll finden”
Was meint ihr, ist Rassismus bei diesem Buch ein Thema?
Auf S. 34 begegnen sich Natalja und Sadie zum ersten Mal. Nataljas Eindruck des "Fremden" prägt diese Szene ganz besonders - interessant, wenn man bedenkt (was man ja vom Klappentext her weiß, dass sich zwischen den beiden etwas entspinnen wird.
S. 35: “Bewegungen, als sei ihr Körper ein sich im Wind wiegendes Gewächs” – welch schöne Beschreibung. Das erinnert mich an meine Bekannte V., die aus der Karibik stammt und der ein so elegantes, fließendes, tänzerisches Bewegen eigen ist. Beneidenswert...
Wie bewertet Noa die Frauenliebe seiner Schwester? Auf S. 49 erwähnt Noa das Zigeunermädchen, mit dem Natalja “später für einige Zeit verschwand”. Er spricht sehr lakonisch und unaufgeregt davon; er weiß vermutlich genau um ihr Verhältnis Bescheid.
Ich stelle mir die Frage, ob ich auch gleich Bescheid gewusst hätte, wenn ich nicht den Klappentext gelesen hätte bzw. wüsste, dass das Buch im Lesbenregal steht.
Ich hätte noch mehr, aber ich bin soooo müde... also morgen weiter - bzw. dann, wenn das Forum wieder rundläuft.
QUOTE (regenbogen @ 02.Oct.2008 - 21:08) |
Ich habe gelesen, dass manche Leser/-innen dem Buch Rassismus vorwerfen, weil (so nehme ich an) der Diener Noa als (stereotyp?) primitiv, aber gewitzt dargestellt wird. |
QUOTE (regenbogen @ 02.Oct.2008 - 21:08) |
Was meint ihr, ist Rassismus bei diesem Buch ein Thema? |
QUOTE (regenbogen @ 02.Oct.2008 - 21:08) |
Ich blättere in meinen Notizen weiter... |
QUOTE (kawa @ 02.Oct.2008 - 21:32) | ||
Wird er das? |
QUOTE |
OT: regenbogen, ich beneide Dich um Deine Notizen! Ich selbst habe dummerweise kaum welche gemacht... |
QUOTE (regenbogen @ 02.Oct.2008 - 21:42) | ||||
Find ich, ja. Ich habe mir dazu S. 24/25 notiert, Beispiel: "Der Gast meinte, russische Adelige hielten sich gerne im Ausland auf, also kann dieses Russland ja wirklich kein so besonders schönes Land sein." Das könnte von Noa natürlich ironisch gemeint sein, aber ich glaube, er hat es wirklich so naiv aufgeschrieben, wie er es denkt. Und dann aber wieder die umsichtige Beobachtung, dass er als Diener problemlos ein Gespräch mithören kann, weil die Diener von der Herrschaft einfach übersehen werden. |
QUOTE (regenbogen @ 02.Oct.2008 - 21:42) | ||
*grins* Es kommt noch besser: Ich hab die alle schon abgetippt und kopiere nur noch rein. |
Ich finde, dass Noa, gerade in der Beschreibung der "Zigeuner-Affaire" unheimlich naiv wirkt. Oder vielmehr: Ahnungslos, der Zeit angepasst
Ohne Klappentext, hätte ich aus Noas Andeutungen/Beobachtungen noch lange keinen Schluss gezogen ...
QUOTE (regenbogen @ 02.Oct.2008 - 20:08) |
Ich habe gelesen, dass manche Leser/-innen dem Buch Rassismus vorwerfen, weil (so nehme ich an) der Diener Noa als (stereotyp?) primitiv, aber gewitzt dargestellt wird. |
QUOTE (Oldie @ 02.Oct.2008 - 20:55) |
Ohne Klappentext, hätte ich aus Noas Andeutungen/Beobachtungen noch lange keinen Schluss gezogen ... |
QUOTE (Tereza @ 02.Oct.2008 - 22:13) | ||
Hallo, jetzt wird es wirklich interessant. Mein Noa sollte schon viel kapieren, aber wenn es um so fremde Länder wie Russland geht, hat er eben keine Ahnung. Er ist intelligent, aber nicht gebildet. Was seine Schwester betrifft, wird Noas Haltung im Laufe des Textes klarer werden, hoffe ich zumindest. Tereza |
QUOTE (regenbogen @ 02.Oct.2008 - 19:13) | ||
Nein, so meinte ich das nicht - es war schon klar, dass jetzt jemand anders erzählte, |
so jetzt geb ich auch mal meinen Senf dazu....ich hab nich wirklich Notizen oder sowas gemacht, sondern mich einfach von der Geschichte mitziehen lassen. Und ich muss sagen, sie ist ehr gut zu lesen
Den Perpektivwechsel zu Noa finde ich eigentlich gut, auch wenn er zunächst etwas verwirrend war. Aber seine beobachtende Erzählweise aus der Sicht eines Sklaven bzw. Dieners finde ich sehr interessant, z.b. als er das erste Essen nach Natalijas Ankunft als einen "Hahnenkampf unter Beibehaltung guter Manieren" beschreibt. Da musste ich schon leicht schmunzeln...
Das aus der Sicht Sadies nicht erzählt wird fand ich zunächst schade, mittlerweile bin ich aber recht froh drüber, da man so auch ein bisschen seine eigene Fantasie anstrengen kann und selbst interpretieren kann warum sie ich in diesem oder jenem Moment so verhält.
Erstaunlich finde ich, dass hier noch gar kein Kommentar zu Nataljas Dienerin Jelena gekommen ist. Sie ist zwar nur eine Nebenfigur, aber wir ich finde eine sehr undurchschaubare ohne klare Position (anders als z.b. Sarah Cavender oder Marylouise) :
zum einen begleitet sie Natalja, obwohl sie ja eigentlich keine Lust auf die Reise hat, ist ihr also in gewissem Sinne treu ergeben, auf der anderen Seite setzt sie aber auch immer mal ihren Kopf durch, z.b. anfangs im Gasthaus.
Noa beschreibt sogar, das Jelena Natalja abschätzige Blick zuwirft.
Und es war Jelena, die in Prag versucht Natalja zur Teilnahme am gesellschaftlichen Leben zu überreden.
Selbst nach dem Tod des Vaters blieb sie bei Natalja und lebte mit ihr in Armut, obwohl sie meiner Meinung nach doch genausogut hätte gehen können?
Obwohl sie, wie man erfährt, quasi Nataljas Mutterersatz ist, scheint die Beziehung zwischen beiden mir eher wie die zwischen zwei Schwestern die sich ziemlich oft zanken aber doch irgendwie nicht ohne einander können.
QUOTE (Glühwürmchen @ 03.Oct.2008 - 11:47) |
Obwohl sie, wie man erfährt, quasi Nataljas Mutterersatz ist, scheint die Beziehung zwischen beiden mir eher wie die zwischen zwei Schwestern die sich ziemlich oft zanken aber doch irgendwie nicht ohne einander können. |
Hallo erst mal.
Leider komme ich erst jetzt dazu, mich in die Runde zu gesellen, tue das aber sehr gern, denn mein erster Eindruck vom Buch ist ein sehr positiver.
Mir gefällt die Erzählweise ausgesprochen gut, weil sich in ihr nach meinem Empfinden sehr viel Einfühlung der Autorin in ihre Figuren ausdrückt, die mich als Leserin sofort angesteckt und eingesogen hat. (Und im Gegensatz zu sehr vielen anderen Büchern mich bereits nach wenigen Seiten fesseln konnte.)
Im ersten Abschnitt empfinde ich eine sehr große Vertrautheit und Vertraulichkeit zwischen Natalja und Jelena. Sie mögen zwar aneinander herumsticheln, aber die Art und Weise, wie sie das tun, verrät, dass sie sich sehr gut kennen und auch mögen müssen. Dazu gehört auch Nataljas Art, Jelenas russische Herkunft zu benutzen, um ihr anarchisches Verhalten zu rechtfertigen. Das beiderseitige Ausnutzen der Tatsache, dass sich Russland den Engländern gegenüber als „Barbarenhausen“ verkaufen lässt, um so manche „Ungeniertheit“ zu rechtfertigen, finde ich einfach nur köstlich und sehr liebenswürdig. Ich habe da sehr viel gelacht.
Und ich fand es auch eine sehr gute Idee, die ganze Sache im Wirtshaus entstehen zu lassen. So ein Wirtshaus ist ja nun einmal ein Ort, der einlädt, andere Menschen zu beobachten und über sie herumzulästern – ein guter Aufhänger, um die ersten Charaktere vorzustellen – finde ich.
Und Noas Berichte finde ich ebenfalls gut. Gerade, dass er z.B. „Marylouise“ schreibt und dass er überhaupt einen ganz anderen Erzählstil hat als Natalja, finde ich erzählerisch sehr schön und gelungen.
Dass sich hierbei offenbart, dass er einen sehr scharfen Blick hat und auch ein sehr gutes Gespür für Empfindungen und Spannungen, macht seine Berichte für mich sehr spannend. Er scheint mir nicht „nur“ kognitiv, sondern auch emotional sehr intelligent, wie sich in Sätzen offenbart wie
QUOTE |
“Ich habe allmählich begriffen, dass es sich weitaus besser lebt, wenn man anderen Menschen die Gelegenheit gibt, manchmal nett zu einem zu sein.” S.21 |
QUOTE |
[über „Marylouise“] „Eine kurze Abwesenheit von ihrem Gatten und ein bisschen Stadtluft scheinen ihr überaus gut zu tun.“ S.47 “Es waren hauptsächlich Hass und Zorn, die aus meinem Vater sprachen, denn sein Leben war ihm gestohlen worden. Meines aber hat niemals wirklich mir selbst gehört.“ S.50 |
P.S.: Noch etwas hat mich ein klein wenig schmunzeln machen:
Auf S.17 schreibt Noa:
QUOTE |
„Für meinen Vater waren die Weißen nicht wirklich Menschen, sondern seltsame Dämonen in menschenähnlicher Gestalt. |
QUOTE (PikSieben @ 03.Oct.2008 - 18:33) |
Überhaupt erscheint mir Noas seismologisches Gespür für die Befindlichkeiten anderer irgendwie fast - ich weiß, das klingt jetzt blöd - weiblich und dadurch etwas unglaubwürdig. |
QUOTE (PikSieben @ 03.Oct.2008 - 19:40) |
Der rassistische Mythos vom „bösen schwarzen Mann“ einmal andersherum |
Nachdem ich vorgestern nur kurz in das Buch reingeschnuppert hatte konnte ich mich ihm heute resp. gestern nicht mehr entziehen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten mit der Erzählart - obschon ich die Zeitenwechsel als gut gelungen und schlüssig empfand - sowie mit dem Perspektivenwechsel (dies aber nicht lange) habe ich in die Geschichte gefunden und Seite für Seite genossen. Leider ist nichts mehr übrig, das Buch ist gelesen und nur das Nachwort habe ich mir als Betthupferl auf dem Kopfkissen liegen lassen, nachdem ich viel zu spät zu einer Geburtstagsfeier kam, weil ich das Buch erst zu Ende lesen wollte. Dieses gönne ich mir jetzt und schaue morgen wieder in die Runde.
Tereza - danke für die schöne Lesezeit! Es ist als hätte man neue Freunde kennengelernt, die man leider wieder ziehen lassen muss und wohl nie wiedersehen wird...
So. Gestern hatte ich viel Zeit - und habe den Roman, nach Startschwierigkeiten vor ein paar Wochen, in annähernd einem Rutsch durchgelesen. Da ich nichts für Notizen bei mir hatte, muß es so gehen - und geht es dank meines späten Starts und euren zahlreichen Beiträgen nun auch. Hoffe ich
Die beschriebene Situation könnte mir fremder kaum sein, was vermutlich auch meine Einstiegsschwierigkeiten ausgelöst hat. Mit dem Erzählerwechsel hat das weniger zu tun, auch wenn ich beim ersten Wechsel erst über Noas Äußerungen zu seiner Hautfarbe stolpern mußte, um zu bemerken, daß nicht mehr Natalja schreibt.
Was mich ein bißchen wundert, ist die Art, in der sich Noa ausdrückt. Was er zu sagen hat, finde ich absolut schlüssig - nur nicht, wie. Im Nachhinein würde ich vermuten, daß man Spuren der Sprache, an der Noa schreiben gelernt hat, deutlicher herausliest. Aber vermutlich muß es im Interesse der Leserlichkeit sein, wie es ist.
Daß er über Natalja und Jelena nachdenkt, finde ich völlig konsistent - er ist anderen Umgang mit Hausdienern gewohnt und hat mitbekommen, daß nur ein "Gast" ins Haus kommen soll, was die Rolle Jelenas implizit klärt.
als bekennder Fan von Benedicts und Beatrices Dialog in "Viel Lärm um Nichts" habe ich Nataljas Disput mit Anthony sehr genossen. Auch die vergleichsweise fehlende Vertrautheit zwischen beiden fand ich sehr schön, weil sie für Klarheit sorgt.
der "böse weiße Mann" ist mir vermutlich aus "Ein Rattenloch ist kein Vogelnest" und "Beloved" noch zu stark in Erinnerung, als daß er mich hätte verwundern können. Mit diesen beiden, in verschiedenen und völlig anderen Raum/Zeit-Kontinuen spielenden Romanen zusammen ergab sich für mich aber allmählich ein schlüssiges Gesamtbild, das "Erkenntnisse" zumindest vortäuscht (es handelt sich um drei Romane, also bin ich da mal "vorsichtig").
Überhaupt hatte ich bei der Lektüre sehr viele geistige Querschläger. Ich hoffe, das hemmt die Nachvollziehbarkeit der Kommentare nicht zu sehr.
Insgesamt war es dann um so spannender, dem Aufprall der Kulturen in und zwischen den Zeilen zuzusehen und die grundverschiedenen Reaktionen auf das selbe Befremden vor Augen geführt zu bekommen. Ich denke, diese Perspektive war es auch, die mir letztendlich den Zugang zum Text ermöglichte.
Nun habe ich auch endlich den ersten Teil geschafft. Hat aber nur deswegen so lange gedauert, weil ich momentan nicht allzu viel Zeit zum Lesen habe. Ich habe diesen Thread gerade noch mal durchgelesen und wundere mich ein wenig, dass überhaupt nicht über die Beziehung zwischen Sadie und Lillian Cavender spekuliert worden ist. Das ist nämlich momentan das, was mich am neugierigsten auf den Rest des Buches macht. Ich hoffe, dass ich da noch etwas mehr kommt. (Stichwort Hochzeit, sie durfte Sadie nicht mitnehmen...) Also, ich bin gespannt.
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