Ich kann mich noch genau erinnern, wie unglaublich albern ich diese stressigen Putzorgien meiner Mutter fand, wenn Besuch anstand. NIE, niemals nie hätte ich für möglich gehalten, einmal selbst von diesem Virus der perfekten Haushaltsführung infiziert zu werden.
Und eigentlich weiß ich auch gar nicht recht, wie das angefangen hat. Vor 15 Jahren kannte ich mit Ausnahme einer einzigen putzfimmeligen Freundin keine einzige Wohnung und keine WG, in der nicht eine gewisse lebensbedingte Unordnung geherrscht hätte. Mit Büchern auf dem Küchentisch, Klamotten über den Stuhllehnen, Abwasch in der Spüle und Zahnpastasprenkeln auf dem Badspiegel. Mit den Jahren sind die Wohnungen dann ganz unbemerkt aufgeräumter und sauberer geworden, unangemeldete Besuche wurden immer unüblicher, "Gästezimmer", "Gäste-Betten" und "Gäste-Toiletten" wurden angeschafft. Einige Freunde gestanden, dass sie eine Haushaltshilfe beschäftigten, andere entwickelten übermenschliche Fähigkeiten in Sachen Hauswirtschaft, manche fühlten sich ebenso überfordert, machten aber trotzdem weiter mit und zeigten guten Willen.
Seit wir aufs Land gezogen sind, ist diese Entwicklung durch Nachbarschaft und "Laufkundschaft" nicht unwesentlich verstärkt worden.
Mit unverholener Bewunderung sehe ich vis a vie die jahreszeitliche Fensterdeko wechseln, blitzeblanke Bio- Restmüll- und Papiertonnen so pünktlich ein- und ausparken, dass man den Müllkalender nach ihnen stellen könnte, und suche vergeblich nach einem klitzekleinen Löwenzähnchen auf dem lupenreinen Gehwegstück gegenüber.
An das Arbeitspensum derer, die neben Haus und Hof auch noch Kinder, Kühe, Äcker und Hofläden bewirtschaften, mag ich ja gar nicht erst denken.
Und irgendwie gefällt mir diese Entwicklung an mir ganz und gar nicht. Ich habe eigentlich gern Menschen um mich und mag es Freunde zu umsorgen - diese streifenfreie Spülmaschinenperfektion verhagelt mir meine Lust an der Gastfreundschaft allerdings gewaltig. Kennt Ihr das auch oder genießt Ihr es endlich aus dem Chaoten-Alter raus zu sein?
QUOTE (DerTagAmMeer @ 18.Jul.2008 - 10:30) |
Kennt Ihr das auch oder genießt Ihr es endlich aus dem Chaoten-Alter raus zu sein? |
QUOTE (DerTagAmMeer @ 18.Jul.2008 - 11:30) |
Kennt Ihr das auch oder genießt Ihr es endlich aus dem Chaoten-Alter raus zu sein? |
hallo dtam,
musste soeben herzlich über deinen beitrag lachen, da ich vor meinem inneren auge die putzaktionen, ja, -orgien meiner mutter sah.
schaute mich in meiner wohnung um und dachte: "hm. wie wirkt das wohl auf jemanden, der zum ersten mal hier reinkommt?"
ich lebe mit meiner fellnase, die sehr sehr haart, da sie den klimawechsel von afrika nach deutschland nicht verpackt hat, alleine.
man könnte mich hundehaar-resistent nennen.
doch jemand, der zum ersten mal die wohnung betritt, wird mit hund und haaren konfrontiert, auch wenn ich jeden tag mindestens einmal sauge.
staub gibt es hier en masse, da ich als raucherin ständig die fenster aufhabe und gerade im sommer der dreck von außen hereinkommt. pollen, staub, feiner sand, alles aufgewirbelt durch den bus, der hier vorbeifährt.
und ich bin - trotz meines mittelalters - nicht gewillt, jeden tag die putzmittelhersteller zu unterstützen und ehrlich gesagt auch zu faul, ständig mit irgendwelchen lappen staubhechelnd durch die wohnung zu wienern.
es liegt hundespielzeug in allen zimmern herum, denn sobald ich es in den dafür vorgesehenen korb getan habe, beginnt meine hündin, es weiträumig - so das denn innerhalb von 50 qm möglich sein sollte - zu verteilen.
so what?
besuch muss also damit leben - zumindest so lange, bis er wieder gen heimat fährt.
streifenfreie spülmaschinenperfektion, wie du es nennst, gibt es bei mir nicht.ich spüle mangels spülmaschine per hand, und das allerdings oft und ausgiebig. allerdings bin ich afrika-kakerlaken-geprägt: etwas ungespült herumstehen zu lassen, verursacht mir unwohlsein, angesichts der tatsache, dass diese netten käferchen dann eine invasion starten könnten. (eigentlich eher nicht, ich weiß)
müll: wird aus eben diesem grunde schnellstens hinausbefördert.
chaoten? mei, ich denke, je mehr man gesehen hat im leben, desto weniger verfrachtet man menschen in die chaoten-schublade. jede so, wie sie mag:-)
wirklichen, tatsächlich gesundheitsschädlichen "dreck" habe ich bisher nur in afrikanischen squattercamps gesehen.
der "deutsche" putzwahn hat schon etwas krankhaftes an sich...
ich lebe nicht im museum, meine wohnung spiegelt "mich". da ich kein ausstellungsstück bin, ist es mal aufgeräumt, mal weniger
das wort zum freitag von freedom
Ich beobachte periodische Putzanfälle allenorten:
die einen nehmen Wienern als Mittel gegen PMS, die anderen räumen vor den ersten Zeilen ihrer Diplomarbeit erst viermal ihren Schreibtisch auf.
Es gefällt mir auch an anderen, wenn sie ein gewisses Gespür für Haushaltung offenbaren.
In Prüfungszeiten bin ich ein Superchaot, da ruht der Haushalt nicht nur, da herrscht gepflegtes Laissez-faire, ein äußeres Zeichen meiner inneren Sammlung - oder einfach nur: die Unmöglichkeit der Prioritätenverschiebung.
Kaum ist die Klausurzeit vorbei, werden die (Altbaudoppel)Fenster geputzt, das Parkett gepflegt, Schränke ausgewischt, Spiegel blitzeblank gemacht, Bücher abgestaubt, die Kaffeemaschine entkalkt, Bettzeug gewaschen,... in diesen zwei Tagen sieht meine Wohnung potenziert schlimmer aus als im Vorfeld, was mir nicht selten den mitleidigen Blick Andersputzender einbringt. Ich putze hinterm Herd (bloß keine Einbauküche!), wische unterm Bett, staube das Geschirr im Schrank ab. Bügeln entspannt.
Wichtig ist der Effekt! Noch wichtiger aber die Katharsis inmitten eines nach Seife duftenden, staubfreien Millieus.
Ich genieße dosierte Ordnung, noch mehr aber Sauberkeit. Das heißt: ich kann mit Bücherstapeln und Papierwust eher leben als mit dem feinflockigen Gefühl unter der Fußsohle, verursacht durch einen fünf Tage nicht geputzten Parkettboden.
Grundsätzlich ist samstags Haushaltstag. Und im normalen Tagesgeschäft ist die Putzerei auch schnell erledigt. Allderdings besitze ich auch eine Spülmaschine, zum Glück.
Irgendwie schaffe ich es auch immer, um mein Chaos herumzuputzen.
Im Lauf der Zeit hat sich eine Vorliebe für Ordnungssysteme (Boxen, Schulbladentrenner, Vorratsdosen,...) eingeschlichen, ein offener Kleiderschrank () tut sein übriges.
Was die Methodik betrifft, bevorzuge ich mein extrem robustes Wischsystem, auf das ich diverse auskochbare (!) Feudelarten spannen kann und das eine umfangreiche Pflegemittelserie im wahrsten Sinne überflüssig macht.
Auch, wenn mir Haushaltsversorgung grundsätzlich Freude macht, werde ich, sobald es mir finanziell irgendwie möglich ist, mir eine Hilfe leisten - für die gröbsten und zeitraubendsten Dinge. Nicht für den "perfekten" Haushalt, der sich ohnehin nie erfolgreich gegen mich verteidigen könnte, sondern um meine später sicher spärlichere Freizeit nicht vorwiegend lappenschwingend zu verbringen und mich dennoch in meinen Wänden wohl zu fühlen.
Gardinen oder Gartenzwerge werde ich vermutlich auch bis auf weiteres nicht haben.
QUOTE (DerTagAmMeer @ 18.Jul.2008 - 10:30) |
Kennt Ihr das auch oder genießt Ihr es endlich aus dem Chaoten-Alter raus zu sein? |
In meiner kleinen, bunten Wohnung wird gelebt, deswegen herrscht so gut wie immer ein für mich überschaubares Durcheinander. Zumal sie nur 35 qm misst. Ab einer gewissen Chaosgrenze allerdings meldet sich mein Sinn für Ästhetik und Wohlgefühl, und schreit nach einer - meist zeitlich begrenzten - Aufräum-Aktion. So kann z.B. der Wäscheständer im Wohnzimmer mich 3 Tage gar nicht stören. Wenn dann aber noch 4 "an"getragene Jacken, 1 abgeschnittene Jeans vom letzten heissen Tag, 2 T-Shirts und eine Packung Teelichter sich auf der Sofalehne türmen, nebst einem Stapel Fachzeitschriften und einer angefangenen Schnitzerei in ihren Holz-Löckchen auf der Werkbank, dann krieg ich ´nen Rappel. Der Dreh- und Angelpunkt meiner Wohnung ist die Wohnküche. Dort koche, esse, schreibe, klöne, telefoniere ... ich. Entsprechend entstehen Biotope auf meinem Ess- und Wirk-Tisch, die ab und zu gelichtet, sortiert und aufgeräumt werden wollen. An manchen Tagen ist in der Mitte eine Schneise für den oder die Teller, Besteck, und/oder Tassen etc., und rechts und links davon ein Stapel mit Sachen (Papier, Stifte, Kerzen ...) An anderen Tagen wird stilvoll getafelt, und der ganze Plunder wird vorher anderweitig untergebracht.
Edles Geschirr hab ich noch immer nicht. Es ist komplett zusammen gewürfelt, ebenso mein Besteck. Manches vom Trödler, manches vom Flohmarkt, manches neu gekauft. Dazwischen sind einige Lieblingsstücke, z.T. teuer und handgetöpfert oder -geschmiedet.
Viele meiner Möbel sind noch immer die von "damals", als es in Hamburg noch Sperrmüll gab.
Was das Putzen angeht: Ich lasse seit vielen Jahren regelmäßig, über meinen Tauschring, einen Mann bei mir grundreinigen, der das sehr umsichtig und zu meiner Zufriedenheit macht (wenngleich auf seine ganz eigene, komplizierte Art, die mich wahnsinnig machen würde, müsste ich ihm dabei zukucken. Muss ich ja aber nicht ) Die Fenster müssen bei mir geputzt sein - ich hasse es, wenn die Sonne nicht mehr richtig durch kommt. Die eine oder andere Staubfluse kann ich zeitweilig gut ertragen, ein anderes Mal wisch ich die Ecken und Ränder meines Holz-Fussbodens durch, bevor mein Putzmann das nächste Mal kommt.
Was immer Beachtung findet, sind meine Pflanzen. Sie sind das erste, um was ich mich kümmere, wenn ich morgens aufsteh. "Braucht ihr was zu trinken? Wollt ihr besprüht werden? Soll ich eure Töpfe etwas drehen?"
Auf der allgemeinen Vergleichsskala würde ich mich hausfraulich als angefreakt-unbürgerlich-gemütlich-genussvolles Mittelmaß einstufen.
Besuch ist mir - sofern ich keinen eremitischen (Rest-)Tag habe, was gerne mal vorkommt - , unabhängig vom Aufgeräumtheits-Grad meiner Wohnung willkommen. Wahrscheinlich weil mein Aufräum- und Sauberkeits-Kriterium ist, dass mein Zuhause mir selbst noch behaglich erscheinen muss. Mit diesem Gefühl in mir, kann ich gut jeden darin empfangen, auch Leute, von denen ich weiss, dass sie viel pingeliger sind, als ich.
Es gibt Wohnungen, die ich höchst ungern betrete, und so schnell es geht, fluchtartig wieder verlasse, weil sie mir zu müllig, zu unstrukturiert, zu einfach-nur-funktionell-und-das-hässlich eingerichtet sind. Und bei leeren Tetrapaks, Colaflaschen, Chipstüten und - am allerallerallerschlimmsten - vollen Aschenbechern, die zwischen muffiger Schmutzwäsche überall rumstehen, ist bei mir endgültig Schluss: Da will ich nicht sein.
Glücklich die Menschen, die es schaffen, in ihrer Wohnung Ordnung zu halten, Übersprungshandlung hin oder her. Ich bin weit entfernt davon und kann mir daher nicht den Luxus gönnen, mich für spießig zu halten. Ich weiß nur, dass das Chaos, das sichtbar Besitz von meinem Leben ergriffen hat, die Vermüllung meiner Wohnung mich langsam zermürben. Wann ich das letzte Mal systematisch aufgeräumt oder auch geputzt habe? Vor vier Jahren etwa.
Seid glücklich mit eurer Putzlust! Es gibt weiß Gott Schlimmeres.
(Im Ernst, ich glaube schon, dass die Lebensräume, in denen man sich bewegt, sehr viel über den inneren Zustand aussagen. Und da ist mir eine dezente, unpenetrante Ordnung und Sauberkeit allemal lieber als überbordender Orientierungsverlust.)
QUOTE (Lucia Brown @ 18.Jul.2008 - 12:03) |
Nennen wir es die Bügelwoche bei Lucia Brown. |
QUOTE (Lucia Brown) |
Jetzt wird eingeladen zum: Grillen, Videoabend, Geburtstagen, Weihnachten, Silvester, Kaffeetrinken, Holzschlichten, Spiellabend, Urlaubsbilderanschauen ... usw. Und frau bringt auch selbstverständlich immer was mit: Blümchen oder ne Flasche Wein. |
QUOTE (Polly @ 18.Jul.2008 - 13:36) |
Ich weiß nur, dass das Chaos, das sichtbar Besitz von meinem Leben ergriffen hat, die Vermüllung meiner Wohnung mich langsam zermürben. |
@sonnenstrahl (sorry, habe das zitieren immer noch nicht gelernt, daher auf diesem wege...)
QUOTE |
Es gibt Wohnungen, die ich höchst ungern betrete, und so schnell es geht, fluchtartig wieder verlasse, weil sie mir zu müllig, zu unstrukturiert, zu einfach-nur-funktionell-und-das-hässlich eingerichtet sind. Und bei leeren Tetrapaks, Colaflaschen, Chipstüten und - am allerallerallerschlimmsten - vollen Aschenbechern, die zwischen muffiger Schmutzwäsche überall rumstehen, ist bei mir endgültig Schluss: Da will ich nicht sein. |
QUOTE (DerTagAmMeer @ 18.Jul.2008 - 13:53) |
So eine Bügelwoche am Meer stell ich mir schön vor. |
Sehr interessantes Thema,
mit Arbeitskollegen habe ich letztens auch darüber gesprochen. Da sagte ich:
Bei mir kannst du ohne Bedenken vom Boden essen, wenn du schneller als mein Hund bist.
Ich denke das sagt alles
Saugen bei Bedarf täglich, putzen 1-2mal in der Woche, benutztes Geschirr wird sofort in die Spülmaschine gepackt.
Hundespielsachen/Kuscheltiere,Zettel Stifte stören mich nicht ,auch müssen die Sofa Kissen nicht "perfekt" liegen.
Gardinen habe ich noch nicht, konnte mich nicht für die "Richtigen"entscheiden
So fühle ich mich wohl,ich mag es halt sauber.Solange es im Alter nicht schlimmer wird
Allerdings artet das ganze etwas aus, sobald Freunde angemeldet sind oder ich eine Party gebe...
Bestes Beispiel meine Einweihungsparty:
Das Essen soll natürlich so sein wie ich es haben will, also macht Frau das kalt -warme Büffet selbst. Möbel müssen gegen Bierzelttische und Bänke getauscht werden, die Helfer verspäten sich,ok schiebe ich es eben passend.
Gegen 19 Uhr kommen meine Geschwister, mittlerweile drehe ich etwas am Rad, weil noch nicht geputzt ist und Geduscht hat Frau auch noch nicht...
Geschwister schimpfen erstmal mit mir und drängen mich ins Bad, mit den Worten:geputzt wird morgen.
Ganz glücklich war ich dann zwar nicht, und der Stress-Herpes kam natürlich pünktlich mit den ersten Gästen
QUOTE (Polly @ 18.Jul.2008 - 13:36) |
Glücklich die Menschen, die es schaffen, in ihrer Wohnung Ordnung zu halten, Übersprungshandlung hin oder her. Ich bin weit entfernt davon und kann mir daher nicht den Luxus gönnen, mich für spießig zu halten. |
QUOTE (Lucia Brown @ 18.Jul.2008 - 14:21) | ||
Könntest du dies für mich etwas detaillierter ausführen? |
Ich glaube, die menschliche Chaosbegabung ist per se nicht etwas, das unbedingt therapiert werden muss, oder gar kuriert werden kann. Äußere Zeichen deuten und den Wechelbezug zum eigenen Zustand durch recht einfache Analogien herzustellen, wie dtam es dargestellt hat, scheint mir vielversprechender.
Ich habe von einer Freundin meiner ehemaligen Partnerin den Beinamen "Putzi" erhalten, weil es für mich anfangs in meiner Berliner Zeit eine ungeheuerliche Vorstellung war, dass Wohnungsinhaberinnen ihre Fenster maximal einmal im Jahr putzen - und ich beständig alle vier Wochen mit Eimer, Leiter und Abzieher durch die Wohnung turnte.
Inzwischen hat sich die Frequenz auch deutlich verringert, aber die Grundzüge sind noch vorhanden; also die aufrichtige Freude angesichts streifenfreien Glanzes in der kleinen Hütte.
Für meine Mutter bin und bleibe ich dennoch eine - O-Ton - "Schl*mpe".
Früher hat mich das gekränkt, heute sehe ich einfach die unterschiedlichen Maßstäbe.
Ein recht abschreckendes Beispiel habe ich am eigenen Elternhaus - so miste ich regelmäßig meinen Papierwust aus. Rechnungen, die nach zwei Jahren keine Bedeutung mehr haben, werden so beispielsweise von mir radikal aussortiert. Glücklicherweise habe ich nicht die Veranlagung, meine Erinnerungsvermögen vorrangig auf Gegentständliches stützen zu müssen - oder nichtoffizielle Lebensdokumente (Eintrittskarten, Kinderbilder,...) als etwas Sakrosanktes zu betrachten.
Ich habe gerne Gäste. Und bin auch leidenschaftlich eine Seltsam-Hausfrau, die gerne ihren unschlagbaren Käsekuchen serviert (und dabei geflissentlich unter den Tisch fallen lässt, dass der Zitronenkuchen letzte Woche die Katastrophe war) und bei der Papierservietten ganz selbstverständlich neben zehntausend Dekosteinchen und -lichtern auf dem Esstisch zu finden sind.
Einzig Schürzchen trage ich zu besonderen Anlässen.
QUOTE (DerTagAmMeer @ 18.Jul.2008 - 13:56) |
Es gibt einfach Lebensphasen - drinnen wie draußen - da braucht es einen objektiven, unvoreingenommenen Blick von außen, um die Altlasten zu entsorgen und neu anzufangen. Genauso wie sich Gedanken destruktiv im Kreis drehen können, gibt es nun mal Papierstapel, die man selbst immer nur umgeschichtet und nie abgelegt, geschweige denn weggeworfen bekommt. Und genauso wie verdrängte Gefühle den ruhigen Schlaf verhindern, führt Unrat, der ein Eigenleben bekommt, zu Angst und Ohnmachtsgefühlen. Das hat für mich so gar nichts mit Spießigkeit oder kreativem Chaos zu tun - es sind einfach Depressionen, aus denen sich niemand am eigenen Schopf herausziehen kann. Da braucht es Unterstützung von außen - die muss gar nicht mal "professionell" sein. Das können und sollten Freunde füreinander tun, die nicht nur ein offenes Ohr, sondern auch einen offenen Müllsack zu bieten haben und auch mal bereit sind, sich die Finger dreckig zu machen ohne die Nase zu rümpfen. Erst danach kann man anfangen, sich ein "Funktionsgerüst" anzutrainieren, Regelmäßigkeiten, Routinen und Absprachen, die manischen und depressiven Phasen trotzen können. Und das klappt. Hand drauf. Und ich glaube gerade WEIL auch meine Psyche einen so ausgeprägten Draht zur Materie um mich herum hat, die sich sich nur schwer von Stimmungen und Befindlichkeiten lösen lässt und mir tatsächlich als Spiegel der Seele dient, ärgert mich der Einzug dieser "Was-sollen-die-Leute-von-mir-denken-Ansprüche". Mein Problem ist vielleicht einfach, dass Freundschaften zunehmend durch Bekanntschaften ersetzt werden - und denen offenbare ich ungern mein Innerstes. |
QUOTE (Polly @ 18.Jul.2008 - 15:38) |
Du hast völlig Recht, auch wenn in diesem Fall die Ferndiagnose Depression nicht zutrifft. |
QUOTE (Polly) |
In Wirklichkeit ist es so, dass ich mich seit vier Jahren so mit Arbeit zuschaufele, dass ich schlichtweg nicht dazu komme, irgendetwas aufzuräumen, oder auch zu anderen lebensnotwendigen Dingen. |
QUOTE (DerTagAmMeer @ 18.Jul.2008 - 14:56) |
Mein Problem ist vielleicht einfach, dass Freundschaften zunehmend durch Bekanntschaften ersetzt werden - und denen offenbare ich ungern mein Innerstes. |
QUOTE (sonnenstrahl @ 18.Jul.2008 - 12:11) |
Es gibt Wohnungen, die ich höchst ungern betrete, und so schnell es geht, fluchtartig wieder verlasse, weil sie mir zu müllig, zu unstrukturiert, zu einfach-nur-funktionell-und-das-hässlich eingerichtet sind. Und bei leeren Tetrapaks, Colaflaschen, Chipstüten und - am allerallerallerschlimmsten - vollen Aschenbechern, die zwischen muffiger Schmutzwäsche überall rumstehen, ist bei mir endgültig Schluss: Da will ich nicht sein. |
QUOTE (DerTagAmMeer @ 18.Jul.2008 - 15:00) |
Dumme Frage: Gibt es denn einen zwingenden Grund für Deine Überarbeitung? Nach Deiner Beschreibung dürfte doch jeder Feld-Wald-und-Wiesen-Doktor die körperlichen Folgen Deiner Dauerüberlastung erkennen und Dir mit einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ein wenig Luft verschaffen können - oder denke ich da zu einfach? |
@ freedom: Klar, es macht absolut Sinn, die eigenen augenblicklichen Standards und Gewohnheiten immer wieder als relativ zu erkennen.
Lebte ich in einem sehr viel ärmeren Land als diesem (Deutschland), wo, für den Großteil der Bevölkerung, nach der Sicherung des Überlebens erstmal lange gar nichts kommt, geschweige denn so ein Luxus wie Putzhilfen, Geschirrspülmaschinen, Wohnung für sich alleine etc., wäre meine Toleranzschwelle gegenüber Schmutz und liebloser, graufeuchter, wimmelnder Unordnung* für mich wahrscheinlich ein Thema unwesentlicheren Ranges. Wenn ich vorhin von Wohnungen sprach, die ich gerne schnell wieder verlasse, dann meinte ich die Wohnungen von Mitmenschen, denen es, materiell gesehen, ganz und gar nicht am Existenziellsten mangelt, sondern die, in meinen Augen, - warum auch immer - achtlos mit (sich und) ihrem persönlichen Lebensraum umgehen.
Wenn ich es mir - privilegierterweise - gerade aussuchen kann, ob ich mich von solch einer gestauten, klammen Energie umgebe, oder nicht, dann wähle ich vorzugsweise Letzteres, und steh auch dazu. (Mit Ausnahmen. Ich halte mich da schon für einigermaßen flexibel.)
Wahrscheinlich u.a., weil mein Beruf Ersteres schon zur Genüge mit sich bringt, wenn auch nicht in Gestalt von Wohnungen.
* @ MrsM: Im Gegensatz zu liebevoller, lebensbunter, lichter Unordnung, die ich - auch bei anderen - sehr zu schätzen weiss.
QUOTE (MrsM @ 18.Jul.2008 - 16:24) |
Chaos ist nicht gleich dreckig |
QUOTE (Polly @ 18.Jul.2008 - 15:38) |
Nun, das Äußere ist ein Spiegel des Selbstes, und wenn es verwahrlost, ist das genauso bedenklich, wie wenn es zwanghaft erstarrt. Die rigide Ordnung vieler Wohnverhältnisse und der Sauberkeitswahn, der manche Leute befällt, ist meines Erachtens ein Symptom innerer Leere und Unfreiheit, ja vielleicht sogar existenzieller Ängste. |
Lange Jahre meines Lebens habe ich um Ordnung (die mir immer schon erstrebenswert, allerdings ebenso unerreichbar schien) geradezu gekämpft... Ich wusste immer, wie sie aussehen sollte (und dass ich mich in ordentlicher Umgebung viel, viel wohler fühlen konnte; insofern ist meine heutige Ordnung nur die endlich erfolgreiche Umsetzung dessen, was ich immer schon gewollt, nicht aber gekonnt habe), nicht aber wie ich sie dauerhaft hätte etablieren können.
Ich putzte und räumte - und ver-unordentlichte den Zustand der hergezwungenen Ordnung ganz nebenbei immer und immer wieder.
An meine allererste "Putzorgie" erinnere ich mich noch gut; ich war schwanger und stand kurz vor der Niederkunft - mein Nestbautrieb hatte mich vollends in den Griff bekommen und wie vergiftet putzte, reinigte und wienerte ich alles, was mir unter den Lappen kam, bis ich am Ende des Tages nicht mehr wusste, ob ich die Bettbezüge nun heute schon gewechselt hatte oder nicht und mich mit Wehen auf den Rand der an diesem Tage mindestens dreimal geschrubbten Badewanne niederlassen musste.
Aber ein schönes Gefühl war das: was immer irgendwer hätte finden wollen: ich hätte gewusst, wo es ist. Alles war geordnet, sauber und vorbereitet - und ich war richtig glücklich in diesem herrlich aufgeräumten Zustand.
Dieses erste Mal war ich irgendwie nicht so verloren wie sonst im Chaos herumgestiefelt, sondern hatte das Gefühl gehabt, der Unordnung mit so etwas wie System beigekommen zu sein.
Aber dieser hormonell bedingte Ordnungssinn verliess mich bald wieder und der Kampf gegen Unordnung begann kräftezehrend von Neuem.
Spät im Leben erst wurde mir dann klar, dass "mein" ADS es mir so schwer gemacht hatte, Strategien, die ich Anderen (Mutter zum Beispiel) abzuschauen versucht hatte, für mich und meine Wohnung anzuwenden.
Es klappte einfach nicht, in einer Ecke anzufangen und den Rest des Zimmers zu ignorieren, bis diese Ecke fertig geputzt und geräumt war...
Es funktionierte auch nicht, nicht in die Boxen und Kästchen und Dosen zu schauen, die ich eigentlich ja nur "mal eben" zur Seite hatte stellen wollen, um darunter zu wischen..
Und hatte ich in die Truhen und Trühlein, die Dosen und Döschen, die Kisten und Kästchen erst einmal hineingesehen, so fand ich darin immer neue Räume, die aufzuräumen waren...
Ich verzettelte mich unabwendbar, verschachtelte das Chaos wie diese Holzpüppchen, in deren Bäuchen immer neue, kleinere, aber sonst identische Püppchen erscheinen, wenn man sie öffnet.
Grosses Chaos, nächstgrösseres Chaos, kleines Chaos, winziges Chaos... und alles im Umkreis von 4 qm...
Ich hielt es selten aus und durch, mich effektiv durchzukämpfen - meist sass ich irgendwann paralysiert und mit Tränen in den Augen auf der Bettkante, einem Esszimmerstuhl oder dem Küchenschemel, um mich herum das Durcheinander, das durch mein Aufräumen erst wirklich entstanden war...
Und es dauerte jeweils sehr, sehr lange, bis ich mich wieder motivieren konnte, weiterzumachen.
Hörspiele, laufender Fernseher oder Telefonate mit Mama oder FreundInnen haben mir geholfen, meine Arbeit wieder aufnehmen zu können, ohne dass der Kreisel in meinem Kopf wieder ansprang. Ich telefonierte und räumte, ohne zu denken...
Oder ich sagte laut vor mich hin, was ich gerade tat und weshalb diese Reihenfolge der Tätigkeiten richtig war ("Die Super-Hausfrau rät...").
Noch heute plane ich für Aufräumen und Putzen wahnsinnig viel Zeit ein, um mich nicht zu überfordern - obwohl ich inzwischen viel effektiver arbeite und diese Zeit gar nicht mehr brauche.. Und ich schreibe auch Listen... (Im Moment hängt eine neben der Tür: "Bank, Post, Bettbezüge waschen, Kater bürsten, Frettchen Medis geben, altes Telefonbuch entsorgen, baden, Wohnzimmerfenster putzen" steht drauf...)
Es half mir sehr, so fand ich irgendwann vor 5 Jahren heraus, mit meiner Frau zu telefonieren, um mit ihr zu besprechen, wo ich beginnen könnte, anstatt das gespräch zur Ablenkung zu benutzen.
Ich habe mich genau an ihre "Anweisungen" gehalten und meist ist es mir dann gelungen, wieder "Land zu sehen" und mein Werk so zu vollenden, dass ich den erreichten Zustand schliesslich als "aufgeräumt" bezeichnen konnte.
Heute kann ich das endlich alleine... aber: ich darf nicht zu viel Unordnung aufkommen lassen. Deshalb putze und räume ich täglich (auch wegen der Haustiere ist das nötig und weil das Haus alt und staubig ist).
So ist heutzutage meine Wohnung endlich so sauber und ordentlich, wie ich das immer gewollt hatte.
(Ausser der Kleiderkasten... dort Ordnung zu halten, ist mir bislang noch nicht gelungen...)
Meine "Chaoszeiten" hatten stets ohne mein Einverständnis stattgefunden; von Genuss am Chaos gar nicht zu reden - "Bedrohung" ist das Wort, das mir zu diesem Gefühl einfällt...
shark
QUOTE (DerTagAmMeer @ 18.Jul.2008 - 10:30) |
Mit den Jahren sind die Wohnungen dann ganz unbemerkt aufgeräumter und sauberer geworden, unangemeldete Besuche wurden immer unüblicher, "Gästezimmer", "Gäste-Betten" und "Gäste-Toiletten" wurden angeschafft. Kennt Ihr das auch oder genießt Ihr es endlich aus dem Chaoten-Alter raus zu sein? |
Also, ich hätte später schon gerne eine Männer-(=Gäste-) und eine Frauen (=Sippschaft)Toilette.
Mich macht gerade ein wenig traurig, dass es in der vereinzel(l)ten Lebenswelt so viel Individuelles zu geben scheint, für dass man sich auf eine ganz banale Art schämt. Vielleicht ist diese Form der Scham, der kultivierten Unzulänglichkeit auch Grund für die Wandlung unserer Kontaktqualitäten.
Oder vielleicht bin ich in einigen Dingen auch einfach nur sehr durchlässig. Und reiße, so wie ich bin, manchmal einfach die Wohnungstür auf, wenn's klingelt.
QUOTE (LadyGodiva @ 18.Jul.2008 - 22:21) |
Mich macht gerade ein wenig traurig, dass es in der vereinzel(l)ten Lebenswelt so viel Individuelles zu geben scheint, für dass man sich auf eine ganz banale Art schämt. |
@shark
*wild applaudier* *johl und jubel*- einfach weil dein Beitrag so - äh - treffend war!
Ich finde den Thread hier gut, und superwichtig, auch wenn ich nichts essentielles, derzeit, dazu beitragen möchte, so bringt es mir doch viel, ihn zu lesen.
Doch - kurz was sagen will - ich befinde mich seit vielen Jahren auf dem Weg zur Ordnung, und inzwischen muss ich sagen, bin ich auf dem besten und "normalsten" Stand angekommen - mehr als ich es mir je zu Hoffen gewagt hatte.
Ich denke ich habe alle Stufen durch - die Ursachen kenne ich, und trotzdem muss ich kämpfen darum, und benötige oft meine Frau, dass sie mir Struktur gibt, oder wir uns absprechen. Klare Aufgaben benötige oder eben jeder bestimmte "Ressorts" hat. Ich mache schlicht und ergreifend verschiedene Dinge nicht mehr - weil - ich käme nicht weiter "Kleinkruscht" sortieren z.B., oder in der Küche hantieren, oder nur annähernd versuchen den Kleiderschrank *großer Graus* ordentlich einzuräumen oder aufzuräumen (unabhängig meiner Größe) - das sind Dinge - bei bestem Willen - ich kann es nicht. Aber deswegen Ritalin schlucken, nein, nicht solange ich es vermeiden kann und solange ich es mit Struktur geben und geben lassen "auf die Kette" bekomme.
Mausi, die weiter um den Thread herum schleicht, da das Thema (Un-)Ordnung bei ihr mit der Geburt begann und ein zeitlebender Prozess sein wird
QUOTE (DerTagAmMeer @ 18.Jul.2008 - 23:24) |
Keine Ahnung, was so "Hygiene-Standard in Deutschland" ist |
QUOTE |
Es ist tatsächlich diese oberspießige "Was-soll'n-denn-die-Leute-denken-Leier" meiner Kindheit, die mich da eingeholt hat. Und wenn ich ehrlich bin, weiß ich überhaupt nicht, was die Leute so denken. Keine Ahnung, was so "Hygiene-Standard in Deutschland" ist - hab mich auch nie sonderlich dafür interessiert. Ich weiß auch gar nicht, wie lange die Leute so dekorieren, räumen und wienern, bevor ich zu Besuch komme. |
Von mir aus kann ich sagen, dass ich meine Nachbarin jede Woche dabei erwische.
Entweder putzt sie Fenster, macht dies macht das draußen - es braucht nur ein Blatt vor der Haustür liegen hebt sie es auf.
Und immer wenn schönes Wetter ist stellt sie ihr Auto aus der Garage und die Putzorgie dauert mindestens 1 Stunde.
Ich bin ebenfalls ein sauberer Mensch, bin aber nicht ständig mit dem Putzlappen unterwegs. Dreckig ist es bei mir nicht. Wenn ich mich hier im Zimmer umgucke, dann vielleicht ein bißchen unordentlich.
Ich denke, im Supermarkt, in Eisdielen, in der Apotheke und beim Arzt ist Hygiene am wichtigsten. Was mich ebenfalls sehr stört sind die Modegeschäfte. Wie oft suche ich mir einen Pullover aus der mir gefällt und wenn ich mir das Innenleben vorstelle, der Kragen schon mit Lippenstift und Schminke beschmiert, möchte ich am liebsten gar nichts mehr anziehen. Ganz zu schweigen von den Schuhen im Schuhgeschäft.
QUOTE (LadyGodiva @ 18.Jul.2008 - 22:21) |
Mich macht gerade ein wenig traurig, dass es in der vereinzel(l)ten Lebenswelt so viel Individuelles zu geben scheint, für dass man sich auf eine ganz banale Art schämt. Vielleicht ist diese Form der Scham, der kultivierten Unzulänglichkeit auch Grund für die Wandlung unserer Kontaktqualitäten. |
QUOTE (DerTagAmMeer @ 19.Jul.2008 - 00:24) |
Ich mein, ich bin total stolz auf meine Blümchenwiese, mähe liebevoll und vorsichtig um Kräuter und Blüten herum und stutze lange Gräser extra mit der Kantenschere ... da gibt's keinerlei Grund mich zu schämen! Ich will trotzdem nicht, dass schlecht über mich und meine Wiese geredet wird. Wieso nur steh ich da nicht drüber? |
QUOTE (DerTagAmMeer @ 19.Jul.2008 - 00:24) |
Und wenn ich ehrlich bin, weiß ich überhaupt nicht, was die Leute so denken. |
QUOTE (hedonistin @ 19.Jul.2008 - 10:36) |
Allerdings wird auch nur bei Familien bzw. Lebensgemeinschaften darüber nachgedacht. Die richten sich gemeinsam ein und haben ihr "Plätzchen" gefunden und da will man auch sehen wie sie so miteinander zurechtkommen. |
QUOTE (hedonistin) |
"Bei denen ist auch nicht immer alles perfekt" |
dtam - zur "Scham":
Ich bin in einem Einfamiliensiedlungshaus aufgewachsen, mit einer Profi-Hausfrau als Großmutter und einer Mama, die, vollzeit berufstätig, sehr frustriert ob der Unmöglichkeit dem nacheiferte. Da galt man mit zwei Pullis über'm Stuhl im eigenen Zimmer bereits als Schl*mpe. Meine erste Bluse habe ich noch vor der Einschulung bügeln und zusammenlegen gelernt. Seit ich nicht mehr über den Schrubberstiel stolpere, wurde ich auch in die allsamstäglichen Putzaktionen integriert (diese Gepflogenheit habe ich, wie oben schon erwähnt, selbst für meine Wohnung übernommen).
Geputzt, das Haus und sich selbst heraus, wurde konsequent mit dem Blick nach draußen; obwohl wir keine Freunde hatten, hätte ja unvorangemeldet Besuch kommen können, der sonstwas von uns halten könnte. Oder fast schon testamentaisch vor dem Urlaubsantritt (auch, wenn es bedeutete, völlig erschöpft die Reise anzutreten), man könnte ja aus dem weiten Deutschland nicht mehr zurück kehren - was denken bloß die Nachlassverwalter?
Im Lauf der Zeit ist mir aufgegangen, dass sich dadurch recht aseptische Familienkulissen stilisiert haben, in unserem Haus, im Nachbarhaus und dem Haus daneben. Mit teilweise fatalen Folgen.
Dass Devianz absolut sanktioniert war, die Einbauküche und eine xxl-Wohnlandschaft Garanten für Rechtschaffenheit und Situiertheit sein durften.
Als ich zum ersten Mal eine Berliner Altbauwohnung betreten habe, mit hohen, lichten Räumen, das Unperfekte, Zugige in jeder Dielenritze erkennen durfte habe ich mich in die vielen Makel der Freiheit verliebt. Das Grauen meiner Mutter.
Aus dem umfassenden "Meine Tochter ist..." bin ich längst ausgebrochen - und es wird daher auch keinen Weg zurück ins Requisitendasein geben. Auch, wenn das Bild, das meine Eltern anderen von mir zeigen können, dadurch immer mehr an Konturen verliert.
Ich weiß, dass ich unordentlich bin - und meinen Freundinnen ist das so vertraut wie der Geruch meines Parfums und der frische Schweiß meiner Haut. Ich kann die Distanz, in der ich in meiner Jugend zu anderen und auch mir selbst aufgewachsen bin, nicht mehr mit meinem Leben vereinbaren. Auch meine Chaosfähigkeit und die irgendwie versöhnlich-humorvolle Art, damit umzugehen gehören mir. Wie (fast) alles, was sich in meiner Wohnung drapiert.
Ich lebe in dem Zustand, den ich auch allen anderen zumuten würde.
Es sei denn, meine Mutter kommt. Dann wird vorher geputzt. Denn mich will sie nicht sehen, sondern lediglich ihre Tochter.
QUOTE (LadyGodiva @ 19.Jul.2008 - 12:59) |
Es sei denn, meine Mutter kommt. Dann wird vorher geputzt. Denn mich will sie nicht sehen, sondern lediglich ihre Tochter. |
QUOTE (LadyGodiva @ 19.Jul.2008 - 12:59) |
Es sei denn, meine Mutter kommt. Dann wird vorher geputzt. Denn mich will sie nicht sehen, sondern lediglich ihre Tochter. |
QUOTE (LadyGodiva @ 19.Jul.2008 - 12:59) |
man könnte ja aus dem weiten Deutschland nicht mehr zurück kehren - was denken bloß die Nachlassverwalter? |
QUOTE (LG) |
Es sei denn, meine Mutter kommt. Dann wird vorher geputzt. Denn mich will sie nicht sehen, sondern lediglich ihre Tochter. |
Abgesehen, dass mich meine Mutter vor zwei Jahren zum letzten Mal besucht hat (also, so dreckig ist meine Bude sicher nicht, dass man sie ganz meiden müsste), bin ich einfach die Diskussionen leid.
Entspricht der Zustand der Wohnung nicht ihrem Geschmack, setzt der große Putzaktionismus ein und es besteht wirklich keine Möglichkeit, sie am Putzen meiner "achsounpraktischenundhättestdudocheineeinbauküchegenommen"-Küche zu hindern. "Ich will dich doch nur entlasten." Keine Diskussion. Es werden sogar neue, bessere Putzmittel und Ordnungssysteme angeschafft. Da hilft für mich nur die Flucht in den Park, die Bibliothek - und das gute Gefühl, meine Mutter in meiner Wohnung putzend zurück zu lassen. Die sich, erst zeternd (Du bist und bleibst eine Sch*ampe", "Gut, dass du mal anständig verdienst, das kannst du keinem anderen zumuten..."), dann nur noch bedrückt den Kopf schüttelnd, ihre Sorgen über meine Unzulänglichkeit als Hausfrau damit vertreibt, selbst reinezumachen.
Dass sie dabei zum Beispiel schon auf den Inhalt meines Silikon&Co-Schatüllchens gestoßen ist, muss ich nicht erwähnen, oder?
Oh je... Jedenfalls hat sie sich das Kopfzerbrechen über den Inhalt des Schatüllchens redlich verdient! *grins*
Aber: Ich glaub, ich würd da ausflippen...
Ich saß im Verlauf der letzten Woche Elternbesuch (Doppelpack!) nachts heulend auf einer Parkbank, weil ich dieser Raumnahme nichts entgegen zu setzen hatte. (Sie zahlen meine Miete.)
Und der Inhalt des Kastens regte sie eher an, über meine Bindungsfähigkeit und Lebenszielerfüllung zu philosophieren. Mit Depotwirkung.
Alles sehr unschön.
Oh, sie zahlen deine Miete.... Das ist dann ja ganz, ganz blöd... und schränkt deine Handlungsfreiheit in bezug auf ihre Uebergriffe ziemlich ein...
Aber das hast Du bald hinter dir, oder? Ich meine: die finanzielle Abhängigkeit...?
Ja, das sicherlich. Und ich freue mich tatsächlich darauf.
Ohne undankbar zu sein - aber in unserer Familie gibt es ganz klare Hierarchien.
Und Geschlechterzuschreibungen. Die Freundin meines Bruders wird in ihrer Putzwirkung auch mit Argusaugen beobachtet, obwohl ihr wöchentlich die Haushaltshilfe meiner Mutter zur Hand geht.
Was ich damit sagen will: ja, für mich ist es Befreiung, mich so zeigen zu können, wie ich bin: chaotisch und doch irgendwie erstaunlich sortiert, spontan und dennoch gut strukturiert, naja... LG halt.
(Wer meine Wohnung kennt, weiß, wovon ich spreche. Und wer mich im Putzfimmel erlebt hat, lächelt jetzt bestimmt.)
QUOTE (LadyGodiva @ 19.Jul.2008 - 13:28) |
Die Freundin meines Bruders wird in ihrer Putzwirkung auch mit Argusaugen beobachtet, obwohl ihr wöchentlich die Haushaltshilfe meiner Mutter zur Hand geht. |
QUOTE (LadyGodiva @ 19.Jul.2008 - 13:28) |
Und Geschlechterzuschreibungen. Die Freundin meines Bruders wird in ihrer Putzwirkung auch mit Argusaugen beobachtet, obwohl ihr wöchentlich die Haushaltshilfe meiner Mutter zur Hand geht. |
Ich habe gerade das Gegenteil beobachtet -
dort, wo nach Meinung der 50er-Jahre-Musterhausfrau ohnehin schon Hopfen und Malz verloren ist, weil die Mutter ganz selbstveständlich auf ihre Berufstätigkeit und die tatsächliche Unvereinbarkeit der besonderen Haushaltsführung pocht, wo kein Geld für eine "Olga" vorhanden ist, da habe ich oft einen recht entspannten und selbstironischen Umgang mit den angetrockneten Katzenfutterresten auf dem Fliesenboden rund ums saubere Näpfchen erlebt.
Nicht nur bei Spontanbesuchen.
Ich denke schon, dass der von Zinnober eingestreute Gedanke der Stilisierung des Weiblichen einen entscheidenden Einfluss auf die Selbsterwartungshaltung heutiger (Haus)Frauen genommen hat: Swipher, Wieleder und Master Propper setzen uns diesen Floh der Asepsis ins Ohr. Auch da ist makellose Weiblichkeit käuflich.
Und Leben ist schmutzig. Sauberkeit rein.
QUOTE (DerTagAmMeer @ 19.Jul.2008 - 12:51) |
Den Stress mach ich mir tatsächlich erst, seit wir aus der "Bloß-nicht-stören-frisch-verliebt-" in die "Päärchen-Spiele-Raclette-Mottoabend-Phase" übergetreten sind und hier in unserem beschaulichen Dorf ja tatschlich weit mehr auf dem Präsentierteller leben als in der Kölner Innenstadt. |
QUOTE (MrsM @ 18.Jul.2008 - 16:24) |
Ich mache einen großen Unterschied, zwischen chaotisch und 'unsauber'.... ... Chaos ist nicht gleich dreckig |
QUOTE (hedonistin @ 19.Jul.2008 - 14:19) |
Suche sie dir die doch mal zusammen, die mit wirklicher Leidenschaft ein Hobby ausüben, oder auch dem nachgehen was sie selbst möchten und ihr Leben nicht komplett nach anderen ausrichten? |
QUOTE (DerTagAmMeer @ 19.Jul.2008 - 14:50) |
Wahrscheinlich schreiben sie keine Forenbeiträge |
QUOTE (Schräubchen @ 19.Jul.2008 - 14:48) |
Trotzdem finde ich Sauberkeit wichtig, weshalb ich Gästen jederzeit Kaffee in einer sauberen Tasse servieren kann |
QUOTE (Schräubchen @ 19.Jul.2008 - 14:48) |
Das ging sogar soweit, dass in der Weihnachtszeit die Sammeltassen aus der Vitrine verschwanden, auf denen Sommerblumen zu sehen waren!!! |
QUOTE (Schräubchen @ 19.Jul.2008 - 14:48) |
(Das ging sogar soweit, dass in der Weihnachtszeit die Sammeltassen aus der Vitrine verschwanden, auf denen Sommerblumen zu sehen waren!!!) |
QUOTE (LadyGodiva @ 19.Jul.2008 - 13:14) |
Abgesehen, dass mich meine Mutter vor zwei Jahren zum letzten Mal besucht hat (also, so dreckig ist meine Bude sicher nicht, dass man sie ganz meiden müsste), bin ich einfach die Diskussionen leid. Entspricht der Zustand der Wohnung nicht ihrem Geschmack, setzt der große Putzaktionismus ein und es besteht wirklich keine Möglichkeit, sie am Putzen meiner "achsounpraktischenundhättestdudocheineeinbauküchegenommen"-Küche zu hindern. "Ich will dich doch nur entlasten." Keine Diskussion. Es werden sogar neue, bessere Putzmittel und Ordnungssysteme angeschafft. Da hilft für mich nur die Flucht in den Park, die Bibliothek - und das gute Gefühl, meine Mutter in meiner Wohnung putzend zurück zu lassen. Die sich, erst zeternd (Du bist und bleibst eine Sch*ampe", "Gut, dass du mal anständig verdienst, das kannst du keinem anderen zumuten..."), dann nur noch bedrückt den Kopf schüttelnd, ihre Sorgen über meine Unzulänglichkeit als Hausfrau damit vertreibt, selbst reinezumachen. Dass sie dabei zum Beispiel schon auf den Inhalt meines Silikon&Co-Schatüllchens gestoßen ist, muss ich nicht erwähnen, oder? |
QUOTE |
Ich saß im Verlauf der letzten Woche Elternbesuch (Doppelpack!) nachts heulend auf einer Parkbank, weil ich dieser Raumnahme nichts entgegen zu setzen hatte. (Sie zahlen meine Miete.) |
Ich selbst schramme immer wieder am Chaos vorbei und wünsche mir ständig ordentlicher zu sein. "Zeig mir deine Wohnung und ich sage dir wer du bist." Ich denke das stimmt schon.
Dreckig ist es zwar nicht bei mir, nee grad in Bad und Küche ist es sauber, aber mein Arbeitsplatz ist eine no-go-area. So mancher Leistungsschein der Uni und leider auch so manche Mahnung sind da ins Nirvana verschwunden. Jetzt in meinem Zweitstudium will ich natürlich alles besser machen.
Nur da wo ich es zwingend muss und wo tief schmerzende Konsequenzen drohen würden, bin ich ordentlich. In der Beitreuung z.b. die ich führe. Da wäre jede Chefsekretärin stolz auf mich.
Von daher bewundere ich Leute, die sich einem gewissen Putzfimmel hingeben können.
Ansonsten würden meine Freunde, nichtmal wenn sie angemeldet kommen, was fast immer der fall ist, eine blinkende und wohl-dekorierte Wohnung vorfinden. Ich finde das geht sie auch nichts an, wenn es ihnen nicht passen würde, könnten sie gehen. Ich koche gut, der Abend ist gesellig, das ist alles was zählt.
Interessanter Thread, der mich streckenweise schmunzeln lässt. Was ich herauslesen kann, unsere Mütter verfolgen uns teilweise wohl ein Leben lang
Auch meine Mutter und ich haben irgendwie eine andere Einstellung zum Thema Aufgeräumtheit der Wohnung Während bei uns doch auch eher das gemütliche Chaos die Oberhand gewonnen hat, währe dies für meine Mutter nie denkbar. Im laufe der Jahre hat sie es sich aber mehr oder weniger abgewöhnt (mal mehr mal weniger ) darauf einzugehen.
Aber ich persönlich könnte auch niemals in einer "sterilen" Wohnung a la Möbelhauskatalog leben. Es soll nicht dreckig sein (vor allem nicht in Bad und Küche) aber auch bei uns finden sich Klamotten dekorativ über den Stuhl gehangen, Zeitschriften und Bücher wohl sortiert auf dem Tisch und und und. .und bei zwei etwas grösseren Hundefellnasen sind Hundehaare eigentlich auch immer dabei (trotz Laminat und einen Hochleistungsstaubsauger) Besuch (der fast immer unangemeldet kommt) störts nicht, und wen es stört -- pragmatisch gesagt -- der muss ja nicht erscheinen
Wie viele andere hier auch bin ich der Meinung, dass eine Wohnung Leben (mein/unser Leben) ausstrahlen sollte und da gehört zumindest bei uns auch ein gewisses Chaos zu.
QUOTE (LadyGodiva @ 19.Jul.2008 - 14:04) |
Swipher, Wieleder und Master Propper setzen uns diesen Floh der Asepsis ins Ohr. Auch da ist makellose Weiblichkeit käuflich. Und Leben ist schmutzig. Sauberkeit rein. |
Schönes Buch zum Thema ist übrigens "Die schmutzige Frau" von Luisa Francia (vor ca. 10 Jahren gelesen und gern erinnert).
QUOTE (sonnenstrahl @ 20.Jul.2008 - 18:12) |
Schönes Buch zum Thema ist übrigens "Die schmutzige Frau" von Luisa Francia (vor ca. 10 Jahren gelesen und gern erinnert). |
Ja, natürlich ist das balla-balla.
Aber wer Vanille, Lotusblume und Co in "seidenglatten Achselhöhlen" für das erstrebenswerte Körperaroma einer Frau hält und alles andere als "unangenehmen Geruch", "Achselnässe" oder "lästigen Haarwuchs" tituliert, der hat sicher auch gesteigertes Interesse an antibakteriellem Geschirrspülkonzentrat , moschusschwangeren Luftbeduftern an der Steckdose und der Extraodorfrische im Weichspüler, der sich olfaktorisch dann noch aufs Waschmittel aufpfropft.
Dass allen Anwesenden im Haus die "natürliche Immuntoleranz" abhanden kommt, verblüfft wohl keinen Menschenverstandsinhaber.
Die sterile Praxis zeigst du mir - es gibt Untersuchungen, die die heimische Klobrille im mikrobiellen Besatz weit hinter Türklinken und schicken Handy-Touchscreens zurück lassen.
QUOTE (LadyGodiva @ 21.Jul.2008 - 13:02) |
es gibt Untersuchungen, die die heimische Klobrille im mikrobiellen Besatz weit hinter Türklinken und schicken Handy-Touchscreens zurück lassen. |
Ui.
Jeder Toilettenbesuch ein Work-out, würde ich sagen.
Frage to @ alle!
Wie oft putzt ihr eigentlich eure PC-Tastatur oder den Laptop?
Jede Woche so etwa... Aber verkeimt ist sie sicher trotzdem...
Bildschirm alle 2-3 Tage abstauben,Tastatur "ausschütteln",immer dann wenn ich gerade nichts besonderes zu schreiben habe, also öfter mal.
Mit Lappen und Zahnstocher/Wattestäbchen 1x in der Woche.
@ shark
"Verkeimungen" kann Frau aber nicht sehen
QUOTE (Lucia Brown @ 21.Jul.2008 - 16:24) |
Frage to @ alle! Wie oft putzt ihr eigentlich eure PC-Tastatur oder den Laptop? |
QUOTE (krewati @ 21.Jul.2008 - 18:56) |
@ shark "Verkeimungen" kann Frau aber nicht sehen |
Nein, natürlich nicht.
So sollte es nicht bei dir ankommen, sorry.
QUOTE (shark @ 21.Jul.2008 - 17:35) |
Jede Woche so etwa... Aber verkeimt ist sie sicher trotzdem... |
QUOTE (LadyGodiva @ 21.Jul.2008 - 13:02) |
Ja, natürlich ist das balla-balla. |
http://www.lesbenforen.de/iv/index.php?showtopic=11565&view=findpost&p=1094861326
QUOTE (sonnenstrahl @ 18.Jul.2008 - 13:11) |
... So kann z.B. der Wäscheständer im Wohnzimmer mich 3 Tage gar nicht stören. Wenn dann aber noch 4 "an"getragene Jacken, 1 abgeschnittene Jeans vom letzten heissen Tag, 2 T-Shirts und eine Packung Teelichter sich auf der Sofalehne türmen, nebst einem Stapel Fachzeitschriften und einer angefangenen Schnitzerei in ihren Holz-Löckchen auf der Werkbank, dann krieg ich ´nen Rappel. ... |
@robin: Im Moment sieht´s bei mir - ehrlich gesagt - noch ein bisschen schlimmer aus ...
aktuell habe ich sogar ohne Werkstatt einen ganzen Balkon voller Holzfusseln... aber heut ist ja Putztag
daß sowas schon vor ausmisterischen Ausmaßen notwendig sein kann, ist wohl der erste Ausläufer der hier erschrocken wahrgenommenen Entwicklung, oder?
QUOTE (Lucia Brown @ 22.Jul.2008 - 11:42) |
Die meisten von in den Kindheits-sauber-steril aufgewachsenen Freundinnen, haben heute Allergien, die ich nicht habe. Ich vermute einen Zusammenhang. |
QUOTE (DerTagAmMeer @ 23.Jul.2008 - 11:16) |
Der Ärzteverband deutscher Allergologen teilt Deine Meinung. |
QUOTE (DerTagAmMeer @ 18.Jul.2008 - 10:30) |
diese streifenfreie Spülmaschinenperfektion verhagelt mir meine Lust an der Gastfreundschaft allerdings gewaltig. Kennt Ihr das auch oder genießt Ihr es endlich aus dem Chaoten-Alter raus zu sein? |
@robin
gugg mal http://www.pearl.de/search.jsp?query_type=1&wtype=1&query=USB-Staubsauger&x=14&y=11
Hallo,
ich bin mir nicht ganz sicher, ob das ganz direkt etwas mit dem angesprochenen Ausgangsthema zu tun hat, aber ich werfe es trotzdem mal in die Runde.
Die Frage nach (Un)Sauberkeit, Chaos/Ordnung ist ja nur ein Element eines (Un)Wohlgefühls in Räumen.
Mir ist aufgefallen, dass es ganz auf die Räume ankommt, welchen Grad an (Un)Ordnung darin ich als angenehm, erträglich oder abschreckend empfinde.
Viel wichtiger für ein (Un)Wohlgefühl sind für mich Dinge wie Wandfarbe, Einrichtung, Dekoration im weiten und engen Sinn. Wenn diese Dinge für mich passen, stört mich auch ein hoher Grad an Chaos und Unordnung nicht, dann stört mich nicht mal klinische Ordnung. Das als angenehm empfundene Spektrum bezüglich (Un)Ordnung ist dann wirklich sehr weit, es spielt einfach eine sehr untergeordnete Rolle.
In Räumen, die an sich allerdings keine Atmosphäre, kein Gefühl (keine Ahnung, wie ich das beschreiben kann), kein Leben besitzen, wird die Frage nach vorhandener (Un)Ordnung allerdings zum wesentlichsten Bestandteil eines (Un)Wohlgefühls, einfach weil nichts oder kaum etwas Anderes existiert, das in irgendeiner Weise markant, lebendig ist.
In solchen, ich nenne sie mal „kalten“ Räumen, wird das Spektrum an (Un)Ordnung, das ich als angenehm bzw. unangenehm empfinde, sehr viel geringer, ist eigentlich kaum vorhanden. Klinische Ordnung empfinde ich darin genau so unangenehm wie deutliche Unordnung, da passt nur ein sehr schmaler Mittelgrad.
Daher würde ich, zu der bestehenden Frage nach einer altersabhängigen Veränderung im Empfinden von (Un)Ordnung, die Frage hinzustellen wollen, ob sich vielleicht einfach der persönliche Geschmack in Punkto Einrichtung/Farben/Bildern/Deko/usw. geändert hat oder aus den Augen verloren wurde oder schlicht nicht mehr passt, so dass das Merkmal (Un)Ordnung tragendere Bedeutung bekommen hat.
Viele Grüße,
Geneviève
Ganz gewiss!
Wenn ich mir heute diese Kinder anschaue, die schon im September mit Schal und Mütze herumlaufen, deren Kleidung beim Waschen ebenso desinfiziert wird wie beim Putzen der Boden der Wohnung, in der sie leben, die nicht im Regen spielen dürfen und nicht klettern und nicht mal einen Hammer in die Hand nehmen dürfen, von Bauen und Schreinern ganz abgesehen... - dauernd sind sie krank, fast jedes ist allergisch auf irgendwas und wenn sie einmal doch auf einer Mauer balancieren, stürzen sie ab und brechen sich die Knochen oder sie schneiden sich mit ner Bastelschere bald die Finger ab...
Ich wünschte, die Eltern dieser Kinder kapierten endlich, dass sie ihnen absolut keinen Gefallen tun, wenn sie sie so steril und scheinbar *sicher* aufwachsen lassen.
shark
Obwohl meine Mutter uns nicht verkommen ließ (wir wurden jeden Abend gebadet z. B.), war sie dennoch keine Keimphobikerin. Ich krabbelte mit unseren Schildkröten um die Wette und durfte auch mit dem Hund unserer Bekannten spielen, Pferde und Kühe streicheln.. Als ich so 2,3 Jahre alt war, gab es auch bei uns in Berlin noch den einen oder anderen kleinen Bauernhof mitten in der Stadt; mehrmals wöchentlich bin ich mit meinem Opa zu einem gegangen, um dort Kartoffelschalen usw. abzugeben. Allergisch bin ich gegen einige Antibiotika und Nickel, dürfte also nichts mit meinem Aufwachsen zu tun haben. Anders meine Cousine. Sie ist sechs Wochen jünger als ich, unsere sozialen und kulturellen Aufwachsbedingungen waren gleich. Aber meine Tante desinfizierte die ganze Wohnung und jedes Gummitier; wenn wir im Garten gespielt hatten, wurden wir absolut keimfrei gemacht. Es gibt heute kaum etwas, wogegen meine Cousine nicht allergisch wäre. Späte Genugtuung für meine Mum, die von meiner Tante ob ihrer hygienischen Ansprüche oft über die Schulter angesehen wurde.
Auf meiner letzten längeren Zugfahrt haben mich die skandalumwitterten "Feuchtgebiete" von Frau Roche begleitet und in Sachen "Spießigkeit der Lebensmitte" neuen Stoff zum Nachdenken geliefert. Abgesehen davon, dass ich einige Passagen tatsächlich ausgesprochen amüsant fand und von den angekündigten Begleiterscheinungen wie Ekel, akutem Brechreiz oder Fremdscham verschont geblieben bin, fand ich die Idee unerwiderte Liebe (oder emotionale Unnahbarkeit der Eltern ... wie-auch-immer) mit provokativer Körperlichkeit zu beantworten literarisch zwar nicht neu aber dennoch stimmig und farbenfroh umgesetzt. Wo ich keinerlei "Tiefgang" erwartet hatte, sondern auf medienerfahrenes Provokationsgeplapper eingestellt war, hat mich diese "Nahbarkeit" überrascht, berührt und das romantisch verklärte "Happy-End" der Protagonistin (von ganz klassischer Empathie getragen) erfreut.
Man muss sich ja nicht auf jedes verfügbare Klo setzen oder ein obsessiver Verhältnis zu den eigenen Körperflüssigkeiten entwickeln, um angesichts der Kühle und Reserviertheit antiseptischer Lebenskonzepte eine Gänsehaut zu bekommen oder die Beklemmung der Einsamkeit und Gefühlskälte in einem perfekt gestylten Umfeld nachzuempfinden, oder?
Nebenbei hat Peter Fox mit "Alles neu" einen passenden Soundtrack zum Film "Lebst Du noch oder protzt Du schon?" in die Charts gebracht ... und irgendwie hab ich langsam den Verdacht, ein Fass ohne Boden vor mir zu haben ... schwieriges Alter, aber wirklich!
Kennst Du den Song? (wenn nicht, [gugeln] führt direkt zu Hörproben bei [jutup])
Ich kann's gar nicht richtig erklären, was da für mein Ohr so gut passt ... neben dem penetranten Gepose und Vergleichen (mein Haus, mein Auto, mein Waschbrettbauch) ist es ja auch das Wegschmeißen der eigenen Vergangenheit und Individualität. Es ist der bereitwillige Verzicht auf eine komplizierte, langatmige und kuriose Persönlichkeit im Sinne von "Charakter" ... weil's ja auch einfacher und schneller geht: Powerjogging, NLP, Personality-Coaching ... halt ratzfatz und ohne Umwege zum persönlichen (?) "Erfolg".
Wo "früher" beim langatmigen Polieren von Gebrauchsgegenständen eine persönliche Bindung entstehen konnte, soll Reinigung heute "im Handumdrehen" vollzogen werden. Statt meditatives Unkrautzupfen effektives Hochdruckkärchern, statt gedankenverlorenes Kaffeeaufgießen kreischende Vollautomaten in fast jeder Küche ...
hm, wenn ich mir unsere generation aber so anschaue, sind die meisten ziemlich lange und intensiv damit beschäftigt, schon alleine dahin zu kommen, wo du jetzt schon bist?
oder, sie sind nur mutiger und gehen lieber nochmal ein paar schritte zurück, wenn sie denken etwas verpasst zu haben?
ja, und meiner oma (gott hab sie selig) bräuchte man in dem fall mit mit "neuen visionen" nicht kommen. die wüsste sofort was einem paar mit haus im grünen fehlt? aber das war auch eine andere generation!!
komisch, die meisten märchenerzählungen enden oft mit dem satz "und sie lebten glücklich und zufrieden bis an ihr lebensende"..... wie das genau geht, hat niemand aufgeschrieben.
mir fällt gerade auf, dass sich viele in dem alter gerne selbstständig machen. ich habe das eigentlich ja auch vor, aber ob das eine jetzt mit dem anderen zu tun hat? keine ahnung!
ja stimmt, "der fischer und seine frau", hätte ich eigentlich selber drauf kommen können.... dass dieses märchen mir nur mein vater vorgelesen hat, wird mir auch jetzt erst so richtig bewusst
klar meinte meine oma kinder
sie war auch eine, die sich an einen samstag vormittag um ihre glänzenden amaturen gekümmert hat... ok, sie hatte auch noch keinen internetanschluss
tja, dann hoffe ich für dich, dass du dir bald der wichtigen dinge bewusst wirst, für die du dich einsetzen kannst? wahrscheinlich wird die menschheit davon noch sehr lange provitieren, denn bei deiner gesunden lebensweise darf man ja auf ein langes leben hoffen.
... da ein Austausch über Schmutzpartikelbeseitung akut nicht so von Nöten zu sein scheint, nehme ich es mir heraus ein bisschen im Thema zu springen:
Schließlich ist ja bald Advent ... die ganz große Zeit der Familienfeiern und -tragödien. Und auch hier zeige ich mich recht anfällig für die "Spießigkeit der Lebensmitte". Kennzeichnend für das Anfangsstadium: ein schleichender Zuwachs schlechten Gewissens wegen mangeldem Familiensinn!
Sah ich mich bis vor einigen Jahren noch in recht zahlreicher Gesellschaft mit meiner eher gedämpften Freude über Elternkontakte (anstrengend, (über-)fordernd, laut) und Kindergeburtstage (ebenfalls anstrengend, (über-)fordernd und laut) ... so gestehe ich mir immer weniger zu "die Familie" nervig und kräftezehrend zu finden. Gerade gegenüber Menschen, die ihre Eltern bereits betrauern müssen und Paaren, die sich sehnlichst Kinder wünschen, kommt mir meine distanzierte Haltung immer weniger angebracht vor. Gleichzeitig werden meine Eltern ja auch älter und zunehmend hilfebedürftig - das objektive Kräfteverhältnis dreht sich langsam um - allerdings ohne dass ihr subjektiver Einfluss auf mein Gefühlsleben abnehmen oder sich die vielbeschworende Altersmilde einstellen würde. Ich bin also immer noch genau so erpress- und manipulierbar wie eh und je und habe weiterhin das Bedürfnis an der mühsam eingerichteten Distanz festzuhalten.
Es fehlt mir eine Art "Rolle", die es mir ermöglichen könnte, mich dem Trubel zu entziehen ohne damit Gefühle zu verletzen. Gern würde ich in die Fußstapfen des mundfaulen Großvaters treten dürfen, dem es leichthin zugestanden wurde, jede Möglichkeit zu nutzen, sich heimlich das Pfeifchen stopfend zu den Tieren zurückzuziehen, während "die Weiber in der Küche Politik zu machen pflegten"... eine ganz neue Variante Gender-Trouble ...
also, ich fühl mich wohl in meiner spießigkeit.
und gerade weihnachten "geht" leichter. jetzt wo ich älter bin, tante und vollwaise bin. ich verbringe im dezember ein paar atge mit meiner nichte, besuche meine neffen um zu basteln und zu backen und an weihnachten arbeite ich ganz entspannt.
schwiegermutter ist im maritim eingemietet und genießt das weihnachtsprogramm und meine liebste leistet ihr gesellschaft.
ansonsten im rest des jahres finde ich es unheimlich entspannt. die wohnung ist schön aufgeräumt und regelmäßig geputzt. die katzen fühlen sich wohl. es ist gemütlich zuhause.
LG pantoffelheld
Dem *Putzfimmel* habe ich längst abgeschworen, ohne dass sich nun wirklich sichtbarer Dreck im Hause anhäufen würde.
Ne leicht chaotische (Un)Ordnung im Haus muss sein... sonst finde ich nichts mehr
Weihnachten? War in meiner Familie - rückblickend - immer harmonisch, obschon unsere Mutter uns jedes Jahr ermahnte *Kinder streitet euch nicht*
Die vergangenen zwanzig Jahre habe ich Weihnachten mit mir gefeiert: ein kleines hübsch geschmücktes Bäumchen,
Weihnachtslieder von Platte, CD oder Radio, dazu ein leckeres Weihnachtsmenue anschliessend etwas Glotze und/oder surfen. Jede Minute dieser wirklich friedlichen Weihnachtsabende habe ich genossen.
Und auch dieses Jahr wieder... ich freue mich jetzt schon auf Weihnachten mit mir!
rubia
ich freue mich auch! meine liebste wird mir einen baum schmücken, dass finde ich ganz toll!
ich werde auch backen, das finde ich auch toll, also mit den vorbereitungen habe ich kein problem, und den gemischten gefühlen werde ich mich umsichtig widmen, ich möchte nach diesem weihnachten schon wieder "ein stück weiter" sein
ich wollte weihnachten, dass ich bei meiner liebsten verbracht habe, mal zur mitternachtsmesse gehen, und habe vorher im tv blöderweise nicht die tetzlaffs, aber familie becker beim weihnachtsfest erleben dürfen :-) - da war mir die lust vergangen :-)
Ich war gerade im Garten und alles ist sooooo weiß und soooo schön! Die kleine Piratenbraut jagt Hals über Kopf ihren ersten Schneeflocken hinterher, während sich die gemütlichen Herren Kater auf dem Sofa zwischen allen verfügbaren Kerzen eingekuschelt haben ... auf dem Herd köchelt der Eintopf vor sich hin und ich fühl mich wie in einem dieser Weihnachtswerbespots ... Landleben kann doch atemberaubend und herzerweichend schön sein
jetzt wo ich den schnee sehe, weiss ich was mir fehlt:
ein kamin.
Vor zwanzig oder 25 Jahren hatte ich ein gangschaltungsloses Uralt-Rad (Herrenmodell, schwarz, mit dicker, schwarzgefasster Bollenlampe), auf dem fuhr ich, wenn ich von meinen Taxi-Nachtschichten zurückkehrte, oder ansonsten in der dunklen (oder dämmernden) Tageszeit unterwegs war, gerne ohne Licht nachhause - denn mit dem ollen Dynamo war das Fahren doch etwas anstrengender + die Nacht nicht mehr so schön bei dem Gejaule. Falsche Straßenseite? Kein Problem. Falschrum in Einbahnstraßen? Na klar. Bei Rot noch schnell über die Ampel, wenn keiner kam? Selbstverständlich. Und wenn da Kinder an der Ampel standen? Auch. Die Zwerge sollten, bitteschön, kucken lernen, und vor allem: Nicht beigebracht bekommen, dass alles, was Erwachsene tun, gut und nachahmenswert ist. Meist hatte ich keinen Regenponcho dabei - und wenn es, was es in Hamburg oft tut - regnete, wurde ich halt mitunter durch und durch nass, die Latzhose inklusive. Helm? Diese Ufobesatzungs-Kopfbedeckungen gab es damals, glaube ich, noch gar nicht. Die ersten haben mich zum Lachen gebracht, und die, die sie trugen, waren so stieselige Straßenverkehrs-Buchhalterseelen, die in meiner Vorstellung wahrscheinlich auch Ärmelschoner trugen. Zuweilen fuhr noch jemand auf meinem (breiten, schweren, stabilen) Gepäckträger ein Stück mit. Wenn da grade nix drauf klemmte.
Und heute?
Mein teures 8-Gang-Markenfahrrad wird regelmäßig professionell gewartet.
Es hat einen Nabendynamo, den hört man gar nicht. Geschweige denn, dass er das Pedalieren erschwert.
Ich fahre mit Helm. Immer. Ausserdem, wenn´s dunkel ist, mit Reflektorgurt (27 €). Und mit Licht. Meistens sogar tagsüber, jedenfalls im Winter.
Ich versuche, mich nicht über auf der falschen Radwegseite entgegenkommende Radfahrer - ohne Licht - aufzuregen, und tu´s dennoch nicht allzu selten. Dann schimpfe ich manchmal lautstark: "Wissen Sie (!) eigentlich, wie gefährlich das ist???"
Bei Rot über die Straße fahre ich immer noch oft - aber nur, wenn keine Kinder an der Ampel stehen oder in der Nähe sind. Und das nicht nur, weil ich es leid bin, aus tausend Kehlen "Kindermörderin" hinterhergerufen zu bekommen.
Umgekehrt in Einbahnstraßen? Jedenfalls nicht mehr, wenn es enge Einbahnstraßen sind. Schließlich muss für einen kleinen "Umweg" auch noch Zeit sein.
Gepäckträger? Da hängen die Luxus-Wasserdicht-Edel-Satteltaschen dran. (Statt Kofferraum - drin ist u.a. das Edel-atmungsaktive-Hightech-Regenzeug, wenn es gerade mal nicht regnet.)
Oh: Und ich habe einen Sattelbezug aus Lammfell für die kalte Jahreszeit - damit das Mimöschen nicht friert .
und - liebe sonnenstrahl - was ist dir leiber:
wieder schwarzes bollerrad oder so, wie es jetzt ist und zurück schauen??
lg pantoffelheld
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